Ethisch orientiertes Investieren zunehmend beliebter

Ethisch investieren

New York. Eine kleine, aber wachsende Gruppe von Investoren wendet sich Wertpapierfonds zu, die versprechen, dass sie nur in solche Firmen investieren, die als sozial verantwortlich angesehen werden. Eine Untergruppe dieser Fonds wird nach religiösen Prinzipien geführt. Die Anzahl religiös orientierter Fonds hat sich mehr als verdoppelt, von 16 im Jahr 1999 auf 38 in diesem Jahr, berichteten “Reuters” am 25. September.

Niedrigere Verluste

In diesem Zeitraum von drei Jahren schnellte die Summe ihrer Vermögenswerte um 21 Prozent auf 4,42 Milliarden nach oben, während das Wachstum durchschnittlicher Fonds 11 Prozent betrug. Was den auf Fondsvermögen erzielten Ertrag angeht, so hatte diese Gruppe einen durchschnittlichen jährlichen Verlust von 0,5 Prozent seit 1999, der somit niedriger war, als der durchschnittliche Investmentfondsverlust von 5,9 Prozent.

“Die schwierigen Zeiten des letzten Jahres hatten die Wirkung, viele Amerikaner zu zwingen, ihre Lebensweise kritisch zu überprüfen”, sagte Rusty Leonard, Gründer und erster Prokurist der ‚Stewardship Partners Investment Counsel’ (Verwaltungspartner Investitionsberatung ) sagte. “Diese Gewissensprüfung hat eine neue Generation religiöser Investoren hervorgebracht.” Trotzdem stellen religiöse Fonds, mit weniger als einem Prozent der 4,82 Milliarden des Gesamtvermögens aller Investmentfonds, nur einen kleinen Sektor des Marktes dar.

Keine Investitionen in den Krieg

Bei den nach religiösen Kriterien ausgerichteten Fonds gibt es eine grosse Vielfalt, berichtete die “New York Times” am 29. Juni. Der ‚MMA Praxis Fonds’, zum Beispiel, folgt den christlichen Idealen der Anabaptisten (Wiedertäufer) und investiert nicht einmal in (Bundes-) Schatzanweisungen, da deren Erlöse (auch) für militärische Ausgaben verwendet werden. Ein anderer, der ‚Noah Fonds’, ist ein zehn Millionen-Fonds, der 1996 gegründet wurde und nach Grundsätzen der „Evangelical Christians“ geführt wird.

Der ‚Ave Maria Catholic Fund’, im Mai 2001 gegründet, investiert in Aktien, die mit katholischen Prinzipien vereinbar sind. Man stützt sich auf ein Beratungsgremium, das die Aktien prüft, bevor sie gekauft werden, und die Praktiken der Firmen untersucht. Zum Zeitpunkt des “Times”-Artikels hatte der ;Ave Maria Catholic Fund’ ein Fondsvermögen von 55 Millionen Dollar.

Auf diesem Gebiet ist auch das ‚US Interfaith Center on Corporate Responsibility’ (glaubensübergreifendes Zentrum zur Verantwortung von Unternehmen) aktiv. Das Zentrum, das von Schwester Patricia Wolf geleitet wird, besteht aus einem Zusammenschluss von 275 Investoren, umfasst religiöse Gemeinschaften, Pensionskassen, Körperschaften des Gesundheitswesens, Stiftungen und Diözesen mit gemeinschaftlichem Wertpapierbesitz im Werte von schätzungsweise 100 Milliarden Dollar, laut den Angaben auf der Webseite des Zentrums.

Die Mitglieder üben auf Grossunternehmungen Druck aus, Praktiken zu ändern, die als ethisch inakzeptabel betrachtet werden. Dies geschieht durch Unterstützung von Beschlüssen der Anteilseigner, Treffen mit Unternehmensleitern, die Veröffentlichung von Berichten und auch Aktivitäten wie Gebetswachen, Briefaktionen und Verbraucherboykotten.

Wachsende Beliebtheit

Ausser Vermögensfonds, die auf religiösen Grundsätzen basieren, gibt es eine grössere Gruppe, die verspricht, das Geld der Anleger unter Beachtung einer Vielfalt ethischer Prinzipien einzusetzen. In einem Interview, das am 29. Oktober auf der Internetseite der “Business Week” veröffentlicht wurde, erklärte Joyce Haboucha, sie suche Firmen mit “engagierten” Direktoren, mit so viel Publizität als möglich, mit Erzeugnis- und Vertriebsqualität und guter Umwelt- und Arbeitsplatzpolitik.

Haboucha ist Portfoliomanagerin (zuständig für die Zusammensetzung des Vermögensbestandes) des Unternehmens ‚Global Socially Responsive Fund’ (globaler sozial verantwortlicher Fonds), der in den beiden Jahren nach seiner Gründung erfolgreicher war als der Gesamtmarkt. Der Fonds, den sie leitet, vermeidet Firmen von Branchen wie Tabakwaren, Atomkraft, Waffen und Glücksspiel.

Eine kürzlich in Kanada durchgeführte Befragung ergab, dass 73 Prozent der Befragten glaubten, dass Investmentfondsgesellschaften ihren Einfluss nutzen sollten, Firmen zu ermuntern, sich sozial verantwortliche Unternehmenspraktiken zu Eigen zu machen, berichtete der “Toronto Star” am 16. Oktober.

Die Investmentgesellschaft ‚Ethical Funds Inc’, die in Vancouver, British Columbia, ansässig ist, führte diese Befragungsergebnisse an, als sie im Oktober sieben neue Vermögensfonds gründete. Zur gleichen Zeit kam die ‚Phillips Hager & North Vermögensverwaltungs-GmbH’ mit einer neuen Serie sozial verantwortlicher Vermögensfonds heraus. Die vier Fonds befriedigen den Kapitalbedarf von Dotationen und Stiftungen.

Der “Toronto Star” stellte fest, dass ethisches Investment nicht immer die gleichen Erträge bringt. Von den acht ethischen Fonds, die von der Analysefirma ‚Morningstar Canada’ bewertet wurden, erhielt nur einer ab Ende September eine überdurchschnittliche Bewertung. Der grösste Investmentfonds in Kanada mit sozial verantwortlichen Kriterien, der ‚Investors Summa Fund’, hat sechzehn Prozent verloren, doppelt so viel wie der kanadische Fonds-Durchschnitt. Aber der Bericht über die letzten zehn Jahre zeigt einen durchschnittlichen Jahresertrag von 8,8 Prozent, einen vollen Prozentpunkt mehr als der Fonds-Durchschnitt.

Interesse an Fonds, die ethische Kriterien anlegen, kommt auch in asiatischen Ländern auf, stellten “Reuters” am 15. Oktober fest. Euan Marshall, Direktor der ‚Kingsway Fonds-Management-GmbH’ in Hongkong, beabsichtigt, 50 Millionen Dollar für einen asiatischen Fonds aufzubringen, der sich auf sozialverantwortliche und ethisch orientierte Firmen konzentriert.

Nach einer Meldung von “Reuters” gehört von acht Dollar, die in den Vereinigten Staaten professionell verwaltet werden, ein Dollar einem sozial verantwortlichen Investmentfonds.

Das zunehmende Interesse an ethisch orientierten Investitionen trat klar zu Tage, als eine Medienagentur ankündigte, dass sie einen ethischen Nachrichtendienst für Firmen anbieten werde, berichtete der “Guardian” am 8. Oktober. Die Agentur “France-Presse” und ihre Tochtergesellschaft AFX sind bereit, einen Service anzubieten, der sich sozialen, ethischen und umwelttechnischen Problemen widmet, die Aktienwerte beeinflussen können.

Der erste Pressedienst seiner Art, der ‚AFX Global Ethics Monitor’ (AGEM), wird ausser Titelgeschichten eine Datenbank von Organisationen wie ‚Amnesty International’ und ‚Human Rights Watch’, anbieten, die Hintergrundinformationen über Fragen, wie etwa Unternehmensführung, Umwelt und Menschenrechte enthalten.

“Für mich als Journalist für Fragen des Geschäftslebens, klaffte eine grosse Informationslücke zwischen der Berichterstattung über die Geschäftswelt und solchen Problemfeldern, die möglicherweise für die Geschäftswelt relevant sein könnten, wie Ausbeutungsbetriebe, Menschenrechte und Unternehmensverantwortung,” kommentierte Luc Lamprière, leitender Direktor des neuen Pressedienstes.

Nicht immer so rosig

Ethisch orientiertes Investieren ruft natürlich ein gehöriges Mass an Skepsis hervor. Ein Artikel in der Septemberausgabe der Zeitschrift des australischen Institutes für öffentliche Angelegenheiten bemerkt, dass es manchmal schwierig sei zu definieren, was ein ethischer Fonds ist. Viel hänge von den Kriterien ab, die ein jeder Fonds zu Grunde legt.

Aber selbst dann können Komplikationen auftreten, wie der Fall eines ethischen Fonds beweist, der in einen Seifenhersteller investiert. Die britische Firma Cussons bestand die ethische Prüfung für den ‚Hunter Hall Fund’. Doch eine der Hauptbestandteile der Seife ist Palmfett, dessen Herstellung zur Lichtung des tropischen Regenwalds beiträgt, bemerkt der Artikel.

Der Artikel wies auch darauf hin, dass die Anlage von Geld in ethischen Fonds bedeuten kann, dass man einen niedrigeren Ertrag in Kauf nimmt. Alkoholfirmen überflügelten den Börsenindex von ‚Standard & Poors 500’ in der Zeit vom Juni 1999 bis zum Juni 2002 um 58 Prozent. Im gleichen Zeitraum stiegen Glücksspielaktien auf 103 Prozent über den Durchschnitt. Auch Rüstungs- und Tabakaktien erbrachten höhere Erträge.

Diese Art von Daten steckte zweifellos hinter der jüngsten Gründung eines Laster-Fonds (‚Vice Fund’). Laut Meldung des “Wall Street Journal” am 24. August ist die Definition von Laster durch ‚Vice Fund’ auf der Internetseite Mutuals.com ziemlich locker und ermöglicht dem Fonds in alles zu investieren, von Bourbon-Whiskey bis Bomben.

Zu den grössten Aktienanteilen des Fonds gehören der Tabakgigant ‚Philip Morris’; ‚Anheuser-Busch’, der grösste US-Brauer; und ‚Harrahs Entertainment’, die grösste Glücksspielfirma der Welt, berichtete die “Washington Times” am 29. Oktober.

Der Fonds besitzt auch Anteile von Rüstungsunternehmen wie Northrop Grumman. “Verteidigung ist nicht unbedingt ein Laster, aber einige Leute denken, Waffen seien es”, sagte Fondsmanager Dan Ahrens. Der Fonds hat nicht in Schusswaffenfirmen investiert, obwohl er es nicht ausgeschlossen hat.

Man kann darüber diskutieren, was eine “ethische” Investition ausmacht. Aber, was unleugbar zu sein scheint, ist, dass eine steigende Anzahl von ethisch bewussten Investoren bereit ist, über ihren eigenen Tellerrand zu blicken, um der Gesellschaft zu helfen.

Datum: 19.11.2002
Quelle: Zenit

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