Über zwei Jahre hat Corona die ganze Öffentlichkeit bewegt. Leider sind Risse entstanden – bis mitten in Familien und Kirchen hinein. Gerade der Konflikt in der Ukraine zeigt, wie wichtig versöhnte Beziehungen sind.
«Als ich aus der Zelle durch die Tür in Richtung Freiheit ging, wusste
ich, dass ich meine Verbitterung und meinen Hass zurücklassen musste.
Oder ich würde mein Leben lang gefangen bleiben.» Das sagte Nelson
Mandela, nachdem er 27 Jahre unrechtmässig in Gefängnissen sass und dann
erster schwarzer Präsident Südafrikas wurde. Wer möchte nicht ein Leben
in Frieden und ohne Streit mit anderen Menschen führen? Das ist nicht
selbstverständlich: Die zweijährige Pandemie hat Wunden innerhalb der Christenheit
hinterlassen. Und der Ukraine-Konflikt lässt sie nicht zur Ruhe kommen.
«Erleuchtung» für Versöhnung
Das Wort Versöhnung kann
auch unangenehme Gefühle auslösen. Es kann der Hinweis auf eine Pendenz
im Leben sein: Es gibt Menschen auf dieser Welt, mit denen ich nicht
versöhnt bin. Die Botschaft der Versöhnung ist daher nicht überall
populär. Sie rüttelt das Gewissen wach – und das ist unbequem. Der
US-Pastor Frank Buchmann war einer der einflussreichsten
freikirchlichen Christen des 20. Jahrhunderts. Buchmann suchte und
erhielt Kontakt zu Verantwortlichen und Regierenden auf nahezu allen
Kontinenten der Erde. Er hat 1947 auf der Friedenskonferenz in Caux (VD)
nach dem 2. Weltkrieg gesagt: «Wir wollen Frieden. Wir wollen ein
geeintes Europa. Aber wir gehen den Dingen nicht an die Wurzel. Man kann
nicht fortwährend 'Krise' schreien, ohne für eine angemessene Antwort
zu sorgen.» Und was ist die Antwort?
Buchmann würde uns heute nach zwei Jahren Corona-Massnahmen zur Versöhnung einladen: «Versöhnung wird
immer von denen falsch ausgelegt, die sich ihr entziehen wollen. Aber
sie kommt wie eine Erleuchtung auf diejenigen, die bereit sind.»
Wie hat Frank Buchmann
diese «Erleuchtung» erlebt? «Ich war im Zwiespalt mit mir. Der
Materialismus war dabei, den Kampf in meinem Herzen zu gewinnen. Ich
fuhr nach Europa, um ihm zu entrinnen. Aber der Kampf in mir kam mit. In
England zeigt mir Gott eines Tages die kostspieligen Folgen meines Stolzes und
Materialismus. Ich gab es zu. Ich wurde ehrlich mit mir selbst. Ich
sagte: Es tut mir leid. Erst sagte ich es zu Gott, dann zu denjenigen,
welchen ich Unrecht getan hatte.» Als Buchmann 1961 starb, berichtete
das Bulletin der Bundesregierung Deutschlands: «Durch Caux hat er
Deutschland in den Kreis der zivilisierten Nationen zurückgeführt.»
Vergebung hat die Kraft, Beziehungen zu heilen
Gott ruft die Menschen
überall auf, Werkzeuge der Einigung zu sein. Sie wird nicht durch
Konferenzen erreicht, nicht durch Gesetze, nicht durch Resolutionen und
fromme Hoffnungen, sondern durch Änderung. Konflikte sind ein
unausweichlicher Teil des Lebens. Menschen kränken einander und
verletzen die Gefühle des Nächsten. Alle haben das schon erlebt. Selten
geschieht die Kränkung absichtlich; dennoch sitzt der Schmerz meist
tief. Man fühlt sich getroffen, herabgesetzt, in Frage gestellt oder
einfach enttäuscht.
Gott schuf die Vergebung. Sie hat als einzige die Kraft,
Beziehungen zu heilen. Ohne das Wunder der Vergebung können wir nicht in
Gemeinschaft leben. Gott hat uns zuerst vergeben. Gott verzichtet nicht
nur auf Anklage, sondern er hat sogar das Lösegeld bezahlt. So wie
Paulus es den Kolossern schreibt: «Ertragt einander! Seid nicht
nachtragend, wenn euch jemand Unrecht getan hat, sondern vergebt
einander, so wie der Herr euch vergeben hat.» In der Zeit nach den
Corona-Massnahmen ist der Moment für Busse, Vergebung und Heilung
gekommen – in den Familien, in der Kirche, in der Gesellschaft.
Bist du bereit für
Versöhnung? Wie Buchmann schreibt: Bist du ehrlich mit dir selbst und
sagst aufrichtig «Es tut mir leid?» Möge Jesus uns den Mut dazu geben
und beistehen, dass Versöhnung in unseren Kirchen und Beziehungen
Wirklichkeit wird.