Manchmal gibt es keinen anderen Weg, als von bestimmten Mitmenschen, Gruppen oder sogar Kirchen Abstand nehmen. Auch Jesus konnte die Gemeinschaft mit Judas nicht retten. Pastor und Autor Horst Stricker hat sich damit auseinandergesetzt.
Der
Herr deckt keinen faulen Frieden. Schon der Prophet warnte im Namen Gottes,
lauthals «Friede, Friede» zu bekennen,
wo kein Frieden ist (Jeremia, Kapitel 6, Vers 14). Paulus mahnt alle Christen, Liebe und
Frieden nicht als fromme Maske zur Schau zu stellen (Römer, Kapitel 12, Vers 9).
Nicht «menschenhörig» sein
Überhaupt ist Liebe in der Bibel immer mit der Wahrheit Gottes verknüpft. Sie kennt keine Liebe, die den anderen
um jeden Preis zu tolerieren hat – wenngleich sie die Fähigkeit und Weite in
sich trägt, sogar die Feinde zu lieben. Das heisst aber nicht, ihr Verhalten
gutzuheissen.
Zur Mündigkeit des Glaubens gehört, nicht
menschenhörig zu sein. «Ihr seid teuer
erkauft; werdet nicht der Menschen Knechte» (1. Korinther, Kapitel 7, Vers 23). Obwohl Paulus
gegen den Spaltungsgeist in Korinth kämpft, gesteht er zugleich ein: «Es muss ja auch zu Spaltungen unter euch
kommen, damit offenbar wird, wer sich bei euch im Glauben bewährt» (1. Korinther, Kapitel 11, Vers 19).
Wenn der Geist Gottes trennt, statt zu verbinden
Deshalb ist Charles Haddon Spurgeons eindringlichem
Plädoyer zuzustimmen: «Nichts hat die
Einheit der wahren Gläubigen so stark gefördert, wie der Bruch mit den falschen Gläubigen. Trennung von solchen, die fundamentale Irrtümer gewähren lassen
oder das 'Brot des Lebens' den verderbenden Seelen vorenthalten, ist keine
Spaltung, sondern nur das, was die Wahrheit, das Gewissen und Gott von allen
erwarten, die treu erfunden werden wollen!»
Der Geist Gottes verbindet nicht alles und
jedermann. Er trennt auch, was nicht zusammengehört. Der Herr lässt solche
Spannungen zu, damit wir durch alle diese schmerzlichen Konflikte hindurch
lernen, im Glauben mündig zu werden, die Geister zu unterscheiden und die
Gemeinde Christi vor falschen Bündnissen zu schützen.
Vorsicht vor «giftigen Wurzeln»
Wir sollen als Christen nicht nur lieben,
sondern auch differenzieren lernen. Denn am Ende der Zeit wird die Geschichte
zum Tummelplatz irreführender Propheten, falschen Messiassen und Ideologien. Es
bahnt sich eine antichristliche Macht an, die mit grosser Kraft, mit lügenhaften
Zeichen und Wundern sowie spektakulären Verführungen die Welt «beglücken» wird
(2. Thessalonicher, Kapitel 2, Verse 9-11).
Selbst die von Gott Erwählten können verführt
werden. Ausdrücklich mahnt Jesus seine Jünger, vorsichtig zu sein und sich
nicht naiv zu verbrüdern (Markus, Kapitel 13, Verse 22-23). Durch das gesamte Neue Testament
geht die Mahnung, die Geister zu prüfen, ob sie von Gott sind (1. Johannes, Kapitel 4, Vers 1). So sind wir
einerseits gefordert, unsere Beziehungen in der biblischen Polarität von Liebe
und Wahrheit so friedlich wie möglich zu gestalten und füreinander Sorge zu
tragen: «Gebt aufeinander acht, dass
niemand die Gnade Gottes verscherzt und dass nicht jemand unter euch wie eine
giftige Wurzel ausschlägt und viele vergiftet» (Hebräer, Kapitel 12, Vers 15).
Andererseits brauchen wir mehr denn je
geistliche Zivilcourage, uns von Menschen und Bewegungen zu distanzieren, die
biblischen Grundlagen widersprechen und einen pseudochristlichen Charakter
offenbaren.
Schleifprozesse zur Charakterbildung
Wo immer Liebe auf Kosten der
Wahrheit gefordert wird, brauchen wir den Mut des Glaubens, allen Bündnissen
zu widersprechen, die das Evangelium von Jesus Christus und seinen Frieden
reduzieren oder verraten.
Das gilt aber auch umgekehrt: Wenn wir die Wahrheit ohne Liebe durchsetzen, fallen
wir durch das Netz der Barmherzigkeit Gottes!
Die
sich daraus ergebenden Herausforderungen gleichen Schleifprozessen, die den
Charakter formen, unsere Glaubensreife und Vollkommenheit voranbringen (Matthäus, Kapitel 5, Vers 48) – und die Nachfolge Christi mündig und ewigkeitstauglich machen.