Alle
sagen, dass wir auf Gottes Stimme hören sollen. Wie klingt denn aber eigentlich
die Stimme Gottes: eher männlich tief, mütterlich warm oder überirdisch und
ehrfurchtgebietend?
Eine alttestamentliche Geschichte wird uns heilsame
Hinweise geben, wie und woran wir Gottes Stimme erkennen können und welche
Rolle wir als – menschliche oder geistliche – Väter und Mütter spielen. In
unserer Geschichte begegnen wir Eli, der als Vater eigentlich versagt hat. Nun
erhält er gewissermassen eine zweite Chance: Er hilft dem jungen Samuel, der im
Alter von rund drei Jahren von seiner Mutter weggegeben wurde, Gottes Stimme zu
erkennen.
Alles
muss gelernt werden
Gott spricht in der Nacht zum jungen Samuel,
der aber mit Gottes Stimme noch nicht vertraut ist. So hält die Bibel ganz
selbstverständlich fest: «Samuel wusste noch nicht, dass es der Herr war;
denn er hatte seine Stimme noch nie gehört.» (1. Samuel, Kapitel 3, Vers 7). Nicht nur
Samuel, sondern wir alle müssen lernen, Gottes Stimme an ihrem Klang zu
erkennen. In einer Zeit, wo sich uns so unendlich viele Stimmen als Stimme
Gottes aufdrängen wollen, ist dies von überlebenswichtiger Bedeutung: Woran
erkennt man nun aber unter all den Stimmen diejenige von Gott?
Die
ersten Worte Gottes
Es ist ja schon auffällig, dass Gott Samuel
fünfmal mit seinem Namen ruft: «Samuel!» Die Art und Weise, wie man
einen Namen ausspricht, spiegelt oft die gemeinsame Beziehungsgeschichte wider.
All das Erlebte, all die geteilten Freuden und Schmerzen werden gegenwärtig,
wenn wir «beim Namen gerufen» werden. Je nachdem stellen sich Gefühle von
Angst, Unsicherheit oder hoffentlich Geborgenheit und Freude automatisch ein.
Als die tränenüberströmte Maria am Ostermorgen Jesus nicht erkennt und ihn mit
dem Gärtner verwechselt, spricht er nur ihren Namen aus: «Maria!», und die
Sonne geht auf.
Wie hat Gott «Samuel!» ausgesprochen und
welche Erinnerungen wurden damit geweckt? Der Bibeltext gibt uns tatsächlich
einen Hinweis, wie Gott seinen Namen gerufen hat – schliesslich rennt der Junge
sofort zu Eli. Samuel ist sich sicher, dass Eli ihn gerufen hat. So fragt er
nicht «Hast DU mich gerufen, Eli?», sondern hält einfach fest: «Du hast mich
gerufen.» Offensichtlich klang Gottes Stimme wie die von Eli.
Eine
zweite Chance für einen väterlichen Versager
Wahrscheinlich ist Samuel der Sohn, den sich
Eli gewünscht hätte. Seine beiden leiblichen Söhne sind eine Enttäuschung, eine
bittere Enttäuschung – für ihn als Vater und für Gott. Ehrlicherweise muss aber
gesagt werden, dass auch Eli als Vater gegenüber seinen beiden Söhnen schlicht
versagt hat (1. Samuel, Kapitel 3, Vers 13).
Durch Samuel erhält Eli als Vater gewissermassen
eine zweite Chance. Eine tiefe gegenseitige Vertrautheit zeichnet die beiden
aus. Eli ist fast blind, und Samuel wird zu seinem täglichen Begleiter, zu
seinem Auge und zu seiner Hand, die ihm zudient und ihn wohl öfters auch führt.
Dass die beiden gewissermassen im gleichen «Zimmer», in bequemer Rufdistanz im
Bundeszelt, schlafen, drückt Nähe, Geborgenheit und Vertrautheit aus. Ich stelle
mir vor, wie Samuel als kleines Kind vor Heimweh weint, und Eli mitten in der
Nacht aufsteht und ihn tröstet. Ja, die Stimme Gottes klang für Samuel wie die von
Eli.
Wenn
Gott spricht, bin ich sicher
In welcher Haltung und damit auch Tonlage
Gott uns beim Namen ruft, bestätigt uns auch der Prophet Jesaja. Dort sagt Gott
zu seinem Volk – und durch Jesus auch zu Ihnen und mir: «Ich habe dich bei
deinem Namen gerufen, du gehörst mir.» (Jesaja, Kapitel 43, Vers 1). Dieses «Du gehörst
mir!» meint nicht einen juristischen Besitzanspruch, sondern drückt
bedingungslose Zugehörigkeit, Liebe und darum auch (Bundes-)Treue aus. Wenn
Gott, der Vater, spricht und uns beim Namen ruft, dann dürfen wir wissen, dass
er zu uns hält. Hier sind wir sicher. Dafür ist Jesus gestorben: dass der Weg
zu Gott als Abba Vater frei wird.
Unsere
Aufgabe als Väter und Mütter
Die zentrale Aufgabe eines Vaters und einer
Mutter ist es nicht, die Stimme Gottes im Leben der Kinder zu ersetzen. Aber
den eigenen Kindern nur Tipps zu geben, wie man Gottes Stimme erkennt, ist auch
zu wenig. Das Bedeutsamste, das wir als Väter und Mütter unseren – auch
geistlichen – Söhnen und Töchtern mitgeben können, besteht darin, dass unsere
Stimme Annahme, Sicherheit und Bundestreue ausstrahlt – so wie die Stimme
Gottes, des Vaters aller Vaterschaft. Denn daran wird auch die Stimme Gottes
erkannt. Immer.
Dieser Artikel erschien zuerst im Magazin BewegungPlus