Kolumne von Sam Urech

Wie mir die Angst fast meinen Sohn raubte

Gott hat Livenet-Kolumnist Sam Urech vor seinem schlimmsten Albtraum bewahrt. Es hätte aber gar nie gefährlich werden müssen, hätte nicht die Furcht das Kommando übernommen. Wer Angst Raum lässt, verliert.
Sam Urech (Bild: Sebastian Heeb)
Hier überquerte Sam Urech mit seinen Söhnen die Strasse. (Bild: zvg)

Normalerweise läuft es so: Mein dreijähriger Sohn und ich halten am Fussgängerstreifen, ich frage ihn: «Kommt etwas von links oder rechts?» Ist seine Antwort «Nein», überqueren wir die Strasse und alles ist gut.

Letzte Woche lief es anders, was uns beinahe in schlimmstes Elend gestürzt hätte.

Aber alles der Reihe nach: Der «Vers des Tages» in der Bibel-App meines Vertrauens war an jenem Tag Lukas Kapitel 9, Vers 24. Da steht, wer sich an sein Leben klammere, werde es verlieren.

Was bedeutet das? Da ich kein Theologe bin, interpretiere ich Bibelverse gerne so, wie ich sie verstehe. Sollte ich mich irren, hoffe ich auf Aufklärung des Geistes oder von anderen Menschen.

Freude weicht der Angst

Klammere ich mich an das Leben meiner Frau und meiner Kinder, verliere ich sie also. Werden sie sogleich sterben? Oder kommts zum Zerbruch der Familie?

Ich glaube, es passiert meist etwas anderes: Freude weicht der Angst. Klammere ich mich an etwas, heisse ich die Angst willkommen, die mich fortan mit dem Gedanken schwängert, ich würde dasjenige verlieren, an dem ich so sehr hänge.

Das kann in einen Teufelskreis führen: Je mehr Angst ich habe, etwas zu verlieren, desto mehr klammere ich mich daran. Irgendwann bestimmt nur noch die Verlustangst meine Gefühle. Was ist das für ein Leben, wenn wir uns täglich fürchten, dass unseren Liebsten etwas passieren könnte? Die Angst raubt uns alle Freude.

Nicht auf den Baum gucken

Wie gehe ich mit Angst um? So wie Jesus, der kurz vor seiner Festnahme Ermutigung und Trost im Gebet fand? Oder so wie ich oft, wenn ich der Angst das Steuer überlasse? Und sie als erstes sofort mein Gottvertrauen aus dem Cockpit verjagt?

Ein weiteres Problem der Angst ist leider, dass sie tatsächlich oft genau dahin führt, wovor man sich so fürchtet. Es ist wie beim Autofahren: Gucke ich auf den Baum, fahre ich in den Baum.

Das Herbeischwören einer Sache – hört sich verdächtig an wie Aberglauben. Kann das wirklich sein? Bin natürlich offen für Widerspruch. Was uns letzte Woche passiert ist, verstärkt aber meine Annahme.

Bei «Jetzt» loslaufen!

Mein Sohn und ich mussten in einem Wetziker Industrieviertel einen Strassenabschnitt überqueren, auf dem es hunderte Meter keinen Fussgängerstreifen gibt. Weil ich dabei noch den Kinderwagen mit dem jüngeren Sohn schieben musste und der Randstein da hoch ist, wurde ich nervös. Die Angst klopfte an.

Was tat ich? Leider kein Gebet. Leider kein Darauf-besinnen, wie gross Gott im Vergleich zu dieser Strasse ist. Nein, ich glaubte der Angst. Statt wie gewöhnlich vorzugehen, sagte ich meinem älteren Sohn: «Hör mir jetzt gut zu.» Er guckte mich mit grossen Augen an. Ich bückte mich zu ihm und kündigte an, was ich plane: «Wir laufen dann los, wenn ich 'Jetzt' sage!»

Ich wollte anschliessend links und rechts schauen, kräftig «Jetzt» sagen und rüberlaufen. Aber soweit kam es nicht, denn im Moment, als ich bei der Ankündigung das Wort «Jetzt» ausgesprochen hatte, war mein Sohn losgerannt. Mitten auf die Strasse.

Loslassen und Gott überlassen

Ich brauchte eine Sekunde, um mich zu fangen, rief: «Stopp! Stopp! Komm zurück!» Mein Sohn hielt an, drehte sich um und rannte zurück in meine Arme. Wenige Sekunden später fuhr ein Auto mit 50 km/h an uns vorbei.

Wir umarmten uns lange und zitterten. Er war einfach losgerannt, weil er mein «Jetzt» hörte. Er vertraute mir, trotz meines Übereifers. Was er noch nicht wusste: Wenn sein Papa der Angst folgt, ist er nicht vertrauenswürdig.

Wann Gott meine Liebsten oder mich zu sich holt, ist alleine seine Entscheidung. Bis dahin will ich mich als Vater mit aller Kraft um meine Kinder kümmern, sie beschützen und für sie kämpfen. Am besten gelingt mir das, wenn ich mich nicht mehr an sie klammere.

Zum Autor: Sam Urech ist 36-jährig, verheiratet und Vater von zwei Buben. Mit seiner Familie besucht er die Freikirche FEG Wetzikon. Sam hat viele Jahre beim Blick als Sportjournalist gearbeitet und ist heute Inhaber der Marketing Agentur «ratsam». Er schreibt jeden Freitag auf Nau.ch seine Halleluja-Kolumne. Sollten Sie mit ihm Kontakt aufnehmen wollen, machen Sie das am besten via Facebook.

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Datum: 24.02.2021
Autor: Sam Urech
Quelle: Livenet

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