Nicht wenige Familien haben in diesen Monaten
einen geliebten Menschen verloren. Trauern ist wichtig – aber wie überwinden wir
Hoffnungslosigkeit?
«Trauern ist ein tiefer
Schmerz. Es ist kein Zufall, dass im Spanischen das Wort für Trauern (duelo)
mit dem Wort für Schmerz (dolor) verwandt ist», erklärt der bekannte spanische
Psychotherapeut und Autor Dr. Pablo Martinez (Barcelona). In einem Interview mit
«Evangelical Focus» beschreibt er, warum richtiges Trauern so wichtig ist – und
wie trotzdem Hoffnung möglich ist.
Die
andere Seite der Liebe
«Trauer ist ein Ausdruck von
Liebe, es ist die andere Seite der Liebe. Wir weinen, weil wir lieben. Und je
mehr wir geliebt haben, um so mehr weinen wir. Trauer ist der schmerzhafte
Preis, den wir für das Ende einer lieben Beziehung zahlen» erklärt Martinez. Diese
Erkenntnis, dass Trauer eine Funktion der Liebe ist, kann unser negatives,
schwarzes Bild des Trauerprozesses verändern. «Das bedeutet: Liebe ist da. Und
das kann uns helfen, in der Trauer zu wachsen. Trauer verändert uns, wir sind
nicht mehr dieselben.»
Gegen
die lähmende Trauer: Gemeinschaft
Dr. Pablo Martinez
Trauer wird dann zum Problem
in sich selbst, wenn der Trauernde das Gefühl des Verlustes nicht akzeptieren
kann. Das Gefühl der Lähmung – «mein Leben hat auch aufgehört, als er/sie
starb» – ist ein komplizierterer Trauerprozess als normal. Zu den pathologischen
Trauerprozessen gehört es, wenn der Schmerz verdrängt oder auf später vertagt
oder immer wieder verlängert wird. Ein untrügliches Zeichen ist nach Dr.
Martinez die Unfähigkeit, zum Alltagsleben zurückzukehren.
Trauer ist nicht nur ein individueller, sondern viel mehr ein
Gemeinschaftsprozess; für Martinez ist es wichtig, als Familie zu trauern:
«Zusammen weinen ist heilend, allein weinen kann sehr bitter sein.» Auch die
erweiterte Familie – wie die Kirche oder christliche Gemeinschaft – sei ein
wichtiger Faktor im Trauerprozess. «Auch wenn man sich im Moment nicht
körperlich umarmen kann, sind Botschaften, Video- oder Telefonanrufe jetzt
besonders wichtig», erklärt Martinez. Eine gute Regel, Trauernde zu begleiten,
ist nach Martinez: «Sprich wenig, höre viel zu, hilf überall, wo du
kannst.»
Für
das Leben geschaffen
Gehört der Tod zum Leben, wie
man oft hört? Ja und nein: Das Sterben ist eine unleugbare Tatsache, aber nicht
unsere eigentliche Bestimmung. Im Gegensatz zur Behauptung von Existentialisten wie Heidegger
sind wir nicht für den Tod, sondern für das Leben geschaffen. Der Tod ist nach
der Bibel ein Fremdkörper in der Schöpfung, «der letzte Feind», wie Paulus es
ausdrückt (1. Korintherbrief, Kapitel 15, Vers 26). Dr. Martinez erklärt: «Wirklicher
Trost, Trost, der das Herz erreicht, ist untrennbar von der Person und dem Werk
von Jesus Christus. Die ultimative Antwort Gottes auf den Schmerz der Trauer
ist der Schmerz des leidenden Knechtes Gottes.»
Das Kreuz, das Millionen als
Schmuck um den Hals hängen haben, ist Ausdruck der Tatsache, dass Gott selbst
dem Tod nicht ausgewichen ist. Jesus ist mitten hineingegangen, hat diesen
«letzten Feind» von innen heraus besiegt und ist am anderen Ende siegreich
auferstanden.
Tröstet
mein Volk!
Was für ein Einstieg in Händels
«Messias»! Entgegen unseren Gefühlen ist Gott nicht der Urheber des Todes,
sondern seine ganze Absicht ist, den Schmerzenden zu trösten. Der Trauernde
soll wissen, dass Gott auf seiner Seite ist.
Der ultimative Trost in tiefer Trauer schliesslich ist die Tatsache, dass Schmerz
und Tod nicht das letzte Wort haben. Die Bibel beschreibt das Leben nach dem Tod so: «Gott wird abwischen alle Tränen von ihren
Augen. Und der Tod wird nicht mehr sein, weder Leid noch Geschrei noch
Schmerzen werden mehr sein; denn das Frühere ist vergangen.» (Offenbarung Kapitel 21, Vers
4) Trauer ist wichtig, aber das letzte Wort hat das Leben.