Ein
Bauernbetrieb in Röthenbach im Emmental. Salome und Thomas Wieland halten
verschiedenste Tiere und bieten Gästen einzigartige Erlebnisse an. Und doch
dreht sich alles irgendwie um die Personen, die sie auf ihrem Betrieb
begleiten.
Die Familie Wieland (Bild: wielandleben.ch)
Es ist ein Ort, wo beeinträchtigte Menschen ein
Zuhause und eine Tagesstruktur finden. Es ist ein Bauernbetrieb mit Hoflädeli,
Bed & Breakfast und Massenlager, wo oft ein Brunch oder Apero für grössere
Gruppen durchgeführt wird. Hier leben Salome und Thomas Wieland und all jene,
die in irgendeiner Form Teil ihrer Familie sind.
Eine wachsende Leidenschaft
In verschiedenen Institutionen hatte Salome mit
beeinträchtigten Menschen gearbeitet. Auch Thomas machte als Beistand eines
Mannes erste Erfahrungen. Als die beiden ein Paar wurden, war bald klar, dass
sie sich gemeinsam in Menschen investieren wollten.
Bevor es konkret wurde, sagte ein Klient an Salomes
Arbeitsplatz: «Wenn du selbst einen Betrieb startest, werde ich zu dir kommen.»
Und tatsächlich: Als die Wielands ein Bauernhaus mit Umschwung mieteten, zog
besagter Mann ein. Viele andere Menschen suchten eine Zeitlang bei Wielands Zuflucht. Einige erholten sich von einem Burnout, andere litten unter
psychischen Problemen, hatten Beeinträchtigungen oder steckten in Lebenskrisen.
Schritte vorwärts
Der Bauernhof der Wielands
Nach ein paar erfahrungsreichen Jahren übernahmen
die Wielands einen Landwirtschaftsbetrieb in Röthenbach, wo sie ihre
Arbeitsbereiche weiter ausbauen konnten. Sie legten sich auf eine primäre
Menschengruppe fest: Menschen mit geistiger, kognitiver, punktuell auch mit
psychischer Beeinträchtigung. Neben den drei Männern, die fest bei ihnen leben,
stossen andere tagsüber dazu, um eine geregelte Tagesstruktur zu haben.
Die vielen Arbeitsbereiche ermöglichen den Leuten eine
sinnvolle Beschäftigung. Kühe, Schafe, Ziegen, aber auch Truthähne, Gänse,
Hühner oder Kaninchen müssen versorgt werden. Sie haben auch Bienen und sogar
Pfaue. Daneben gibt es auf einem Bauernhof natürlich viele andere Arbeiten,
dazu kommen Reinigungsarbeiten, Verkauf von Produkten oder Vorbereitungen für
Gäste und Veranstaltungen. Das Arbeitspensum ist enorm und die Wielands staunen
immer wieder, das Pensum überhaupt bewältigen zu können. «Eines ist sicher»,
ist Salome überzeugt. «Ohne Gottes Hilfe würden wir das unmöglich hinkriegen.» Dankbar
ist sie auch für oftmals unerwartete Unterstützung.
Geld ist wichtig – aber nicht das Wichtigste
Zum Leben braucht man Geld. Für ihre
Betreuungsaufgaben erhalten die Wielands Beiträge, welche deren Wohnung,
Verpflegung und betreuerische Verpflichtungen abdecken. Die Leute helfen auch
mit. Doch selbst an deren guten Tagen brauchen sie dauernde Unterstützung und
Anleitung. Oft scheinen die Arbeitstage von Salome und Thomas kein Ende zu
finden und sie fallen abends todmüde ins Bett.
«Lohnt sich das, was wir tun überhaupt?», fragen
sie sich zuweilen – besonders wenn ein grosser Aufwand wenig Ertrag abwirft.
Doch dann erinnern sie sich daran, dass sie in erster Linie Gott dienen, indem
sie anderen ein angenehmes Leben ermöglichen.
Menschen brauchen immer mal eine neue
Herausforderungen
«Kürzlich wollte einer unserer Männer lernen, wie man
Kühe melkt.» Es brauchte viel Zeit, um ihn dazu anzuleiten. «Zu sehen,
wie er sich über die Fortschritte freute, war aber aller Mühe wert.» Auch wenn
es darum geht, ihren Gästen zu dienen, wollen sich die Wielands von Gottes Liebe
leiten lassen. Und tatsächlich ist ihr ganzer Hof auffallend liebevoll
hergerichtet.
Es geht nicht darum, naiv zu sein in Bezug auf
die Finanzen. Aber das Geld darf nicht allein entscheidend sein, ob sie etwas
tun oder nicht. «Wir staunen dann immer wieder, wie Gott unseren Gehorsam
segnet und am Ende doch alles irgendwie aufgeht!»
Keine christliche Gemeinschaft – und trotzdem den
Glauben leben
Das gemeinschaftliche Leben bei den Wielands ist
keine christliche Gemeinschaft. Der Betrieb soll bewusst nicht nur überzeugten
Christen ein Zuhause bieten. Trotzdem wollen Salome und Thomas ihren Glauben
leben. Doch das ist eigentlich nie für jemanden ein Problem. Ein kurzes
Dankesgebet vor dem Essen gehört zum Leben dazu, genauso wie Wielands sonntäglicher
Gang zum Gottesdienst (obwohl sie dies längst nicht jede Woche schaffen). «Wir
fragen jeweils: Möchte jemand mit uns zum Gottesdienst kommen? Einige wollen,
andere nicht.»
Ein Mann, der dem Gottesdienst nicht viel abgewinnen kann, setzt
sich meist ins Restaurant direkt neben dem Gemeindegebäude und geniesst einen
Kaffee. «Ihm tut es gut, eine Zeitlang auf sich selbst gestellt zu sein», sagt
Salome, obwohl sie sich natürlich auch über seinen Besuch des Gottesdienstes freuen
würde. «Im Notfall kann er uns jederzeit übers Handy erreichen.»
Ohne Opferbereitschaft geht es nicht
«Wir versuchen, uns zehn Tage pro Jahr frei zu
nehmen», erzählt Salome. Das ist alles. Auch in Bezug auf Privatsphäre müssen
sie Abstriche machen. Es braucht eine grosse Motivation, ein solches Leben zu
führen – ein Preis, den viele nicht zu bezahlen bereit sind.
Die Wielands lernen von ihren Bewohnern, sich über
die kleinen Dinge im Leben zu freuen. Ein kleines Schokoladenherz auf dem
Mittagsteller schenkt Freude und eine Geburtstagsparty lässt die Stimmung durch
die Decke gehen. «Es gibt so vieles, das unser Leben bereichert: Die kindliche
Freude und die Fortschritte unserer Leute zu beobachten.» Die Erfüllung, die
sie in ihrer Aufgabe finden, scheint zu bestätigen: Wielands leben das Leben,
das Gott für sie vorgesehen hat.