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Überall, wo Menschen zusammen sind, entstehen auch Konflikte und seelische Verletzungen. Kaum jemand findet sich, der nicht mindestens eine Story auf Lager hat, wie und wo er verletzt worden ist. Seit dem Sündenfall läuft es nicht mehr so harmonisch ab wie im Paradies, sondern Menschen verletzen und werden verletzt.
Wenn ich verletzt worden bin, so ist das sehr schmerzhaft. Es schmerzt, dass Vertrauen missbraucht worden ist. Ich fühle mich nicht respektiert. Ich fühle mich abgewertet. Meine Erwartungen sind enttäuscht worden. Grenzen wurden überschritten, und so weiter.
Egal, ob wir die Verletzung wahrnehmen oder verdrängen, sie ist da und hat eine Wunde geschlagen. Ignorieren wir sie einfach und schieben sie auf die Seite, so kann es sein, dass sie im übertragenen Sinne weiter vor sich hin wuchert, sich entzündet und zu eitern beginnt. Deshalb ist der erste Schritt hin zur Heilung wichtig: Ich werde mir bewusst, dass mich etwas verletzt hat. Ich verdränge nicht, was das in mir ausgelöst hat. Im Gegenteil, es lohnt sich, mir darüber Gedanken zu machen, warum mich etwas so getroffen hat. Was steckt dahinter? Was tut denn genau weh? Es braucht Mut, den Blick auf das zu richten, was in mir abgeht, auf meine Gefühle, mein Erleben. Doch es ist sehr aufschlussreich und notwendig, um heil zu werden.
Leider ist es so, dass verletzte Menschen stark dazu neigen, auch andere Menschen zu verletzen. Gerade deshalb ist eine «Wundbehandlung» wichtig, damit der Schmerz und der Groll uns nicht selber zu verletzenden Menschen werden lassen. Wenn wir den Mut zu diesen herausfordernden Fragen aufbringen, führt uns das an einen neuen Punkt. Plötzlich wird uns auch unser eigener Anteil bewusst. Wir stellen fest: Es hat auch mit mir zu tun, wenn mich etwas verletzt hat.
Dieses relativ harmlose Beispiel zeigt, welcher Prozess in Gang kommt, wenn ich den Mut habe, hinzuschauen: Angenommen, ich bewege schon länger etwas, was mich wirklich beschäftigt. Ich würde es gerne mit jemandem teilen. Ich schreibe einem Freund eine belanglose SMS. Darauf erhalte ich keine Antwort. Etwas später schreibe ich ihm wieder eine SMS und frage, ob er Zeit für mich hat, ob wir vielleicht gemeinsam etwas unternehmen könnten. Nach zwei Tagen kommt die Antwort: «Bin gerade im Stress. Ein andermal gerne.» Meine Reaktion: «Schon wieder hat er keine Zeit. Ich bin ihm egal.» Ich fühle mich verletzt. Warum? Ich fühle mich zurückgestossen. Welches Gefühl steckt dahinter? Ich fühle mich nicht geliebt. Ich bin enttäuscht, weil meine Erwartungen an meinen Freund nicht erfüllt worden sind. Stopp. Meine Erwartungen? Ich habe ihm gar nicht gesagt, dass mich etwas beschäftigt und ich das dringende Bedürfnis habe, mit ihm darüber zu reden. Ich bin also sauer, weil meine unausgesprochenen Bedürfnisse nicht erfüllt worden sind. Da merke ich plötzlich: Oh, für diese Verletzung ist nicht einfach mein Freund schuld. Ich habe selber einen grossen Anteil daran. Da bin ich genau beim Punkt meiner eigenen Verantwortung.
Was uns widerfährt, können wir nicht beeinflussen. Aber wir haben es in der Hand, wie wir es bewerten. Wie wir damit umgehen. Wie wir darauf reagieren. Wie wir darüber denken. Es geht nicht darum, das Verhalten des andern schön zu reden oder gar zu entschuldigen. Es geht alleine darum, den Teil des Konflikts zu betrachten, über den ich bestimmen kann. Es geht darum, wie ich darüber denke. Es geht um meine Bewertung der Ereignisse.
Angenommen, ein Vorgesetzter kritisiert auf sehr verletzende Art die Arbeit seiner Angestellten. Er ist nicht zufrieden mit der Quantität und macht ihnen massive Vorwürfe, dass sie viel zu langsam arbeiten. Diese Ausgangslage ist für jede Person gleich. Das sind Fakten. Doch die Reaktion darauf kann ganz unterschiedlich ausfallen:
Vier Frauen, vier Reaktionen. An diesem Beispiel sehen wir, welch grossen Einfluss die Bewertung eines Ereignisses hat. Alle vier reagieren auf das gleiche Ereignis. Das zeigt, dass wir zu einem grossen Stück mitbestimmen können, ob uns etwas verletzen darf oder nicht. Natürlich haben auch frühere Erfahrungen und Persönlichkeitsmerkmale einen Einfluss auf die Reaktion. Und doch ist ein Teil der Reaktion immer beeinflussbar und somit auch veränderbar.
Der Versuch, andere zu verändern, ist reine Zeitverschwendung. Auch Schuldzuweisungen ändern nichts an der Situation. Aber ich habe es in der Hand, meinen Anteil zu betrachten und an mir zu arbeiten. Ich kann beeinflussen, wie ich auf den andern reagiere. Ist das nicht eine gute Nachricht? Die entscheidende Frage ist: Bin ich bereit, die Verantwortung für mein Denken und Handeln zu übernehmen?
Die Bibel fordert uns dazu auf, bei uns selber anzufangen: «Wie kommt es, dass du den Splitter im Auge deines Bruders siehst, aber den Balken in deinem eigenen Auge nicht bemerkst? Wie kannst du zu deinem Bruder sagen: 'Halt still! Ich will dir den Splitter aus dem Auge ziehen' – und dabei sitzt ein Balken in deinem eigenen Auge? Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem eigenen Auge; dann wirst du klar sehen und kannst den Splitter aus dem Auge deines Bruders ziehen.» (Matthäusevangelium, Kapitel 7, Verse 3-5, NGÜ)
Diese Weisheit ist heute unpopulär. Befolgen wir sie aber, erleben wir Freiheit. Freiheit, weil wir nicht handlungsunfähig sind. Weil wir nicht den Launen des Gegenübers ausgeliefert sind. Freiheit, weil wir mit Gottes Hilfe Veränderungen in Angriff nehmen dürfen.
Jesus bleibt aber nicht bei dieser Aufforderung stehen. Er geht viel weiter. Er lässt uns nicht alleine auf diesem Weg, er bietet uns seine Unterstützung an. Er war damals für die Menschen mit all ihren Sorgen und Schwierigkeiten da und ist dies auch heute noch!
Achtung: Es geht in diesem Artikel nicht um traumatische Erlebnisse, massive Grenzverletzungen und ähnliches. Um massiv lebensbeeinträchtigende Verletzungen aufzuarbeiten, ist immer professionelle, therapeutische Hilfe angezeigt. Es geht hier vielmehr um durchschnittliche Konflikte und Verletzungen, wie wir alle sie tagtäglich erleben.
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