Raus aus den alten Klamotten - mit Gott

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Auch Gutmütigkeit kann zur Last werden, vor allem, wenn sie zur Selbstverständlichkeit wird. Doch lenkt man das Steuerrad in eine andere Richtung, wird man zum Spielverderber.

Ich war ein einfaches Kind - pflegeleicht, wie man so schön sagt, und immer lieb und nett. In Wirklichkeit hatten mich meine Eltern sehr streng erzogen, liessen mich nicht reden am Tisch, wenn die Erwachsenen sprachen. Fuhren mich an, wenn ich was sagen wollte und liessen mir wenig Freiheiten. Meine älteren Brüder nahmen mich nie ernst und sahen mich immer als kleine Schwester. Beim Spielen hiess es: "Klettere nicht auf den Baum, du könntest runterfallen!", "Lass das bitte liegen, du könntest dich verletzen". Mein Alltag bestand aus gutgemeinten Warnungen und Verboten. Es zog sich weiter in meine Pubertät hinein: "Du darfst nicht alleine in die Stadt, es könnte dir etwas zustossen", " Im Dunkeln darfst du nicht alleine nach Hause gehen" usw. Es ging sogar soweit, dass mich meine Freundinnen im Dunkeln nach Hause begleiten mussten, obwohl sie den Weg danach auch alleine gehen mussten. Wenn ich mit Freunden ausging, musste ich immer viel früher als die anderen nach Hause. Meine Eltern lebten in ständiger Angst um mich. Und diese Angst zerrüttete mein Selbstvertrauen.

Angst

Diese Angst lag mir stets im Nacken, sie liess mich nie los, bis ich mit 16 nach Amerika durfte, um dort ein Auslandaufenthalt zu absolvieren. Endlich fühlte ich mich frei und ungebunden. Und was ganz wichtig für mich war: ich wurde in der "Hostfamily" endlich für voll genommen. Ich musste nicht immer um jede Stunde, die ich länger wegbleiben wollte, feilschen. Meine Meinung wurde angehört und akzeptiert. Ich wurde ernst genommen. Das Endergebnis war ein aufblühendes Wesen, dass sich rundum wohl fühlte. Und meine Eltern waren weit weg und das war gut so.

Als ich mit 17 Jahren von Amerika zurückkehrte, versuchten mich meine Eltern erneut wieder mit der alten Methode an sich zu binden. Mein Alltag begann wieder aus Verboten und Warnungen zu bestehen. Dabei war ich ein ganzes Stück reifer, wollte mein Leben endlich selber in die Hand nehmen und erwartete sehnlichst ein bisschen mehr Vertrauen von meinen Eltern. Doch es blieb aus. Ihre Angst und ihr Unbehagen, es könnte mir etwas zustossen, begrub das nötige Vertrauen, dass man einem heranreifenden jungen Menschen entgegenbringen sollte, unter sich. Ich war tief enttäuscht und mein Geduldsfaden riss.

Kein Halten mehr

Sie konnten mich nicht halten. Trotz Warnungen und schwerstem Protest meiner Eltern zog ich einige Wochen später zu einem guten Freund. Eine grosse Last fiel mir von den Schulter. Der Weg für meine Zukunft war endlich frei und ohne belastenden Ängste.

Später lernte ich meinen heutigen Ehemann kennen. Er ist ein ganz anderer Typ als ich- frei, selbstbewusst und humorvoll. Er hatte mich von Anfang an fasziniert. Unsere Ehe – wir haben sehr jung geheiratet- verlief viele Jahre sehr gut. Wir verstanden uns immer ausgezeichnet, aber nur, weil er in unserer Beziehung immer dominierte. Immer hatte er das letzte Wort, liess sich nicht gerne in seine Angelegenheiten reden und Kritik ertrug er nur ganz schlecht. Ich habe das alles sehr gut hinnehmen können, weil ich auch dazu erzogen worden war.

Fehlendes Selbstvertrauen

Es war lange Zeit kein Problem für mich, nie das letzte Wort zu haben, denn ich war ja auch zu Hause zum Stillsein angehalten worden. Nie hat es mich gestört, dass er meine Ratschläge gar nicht ernst nahm, denn ich war es ja von meinen Eltern gewöhnt. Oder Kritik übte ich schon gar nicht, weil ich mich immer wahnsinnig gut anpassen konnte. Unsere Kinder kamen und ich wurde wieder Teilzeit berufstätig, wobei ich auch noch den ganzen Haushalt nebenbei schmiss. Mein Ziel war es, immer alles im Griff zu haben und meinem Mann zu beweisen, dass ich meinen Job gut mache. Meine Hilfsbereitschaft kannte keine Grenzen und ich war gänzlich unfähig, auch einmal "Nein" zu sagen. Eigene Bedürfnisse wurden immer hintangestellt. Ich wollte einfach unentbehrlich sein für meine Familie. Aber es lief schliesslich in eine ganz andere Richtung.

Stattdessen begann meine Familie zu kritisieren, was nicht erledigt war. Lob und Anerkennung war gar kein Thema und der Stress wurde für mich immer grösser, da ich immer mehr Pflichten übernehmen wollte, um endlich ein schwaches Lob zu erheischen. Ich drehte mich schon lange im sogenannten Teufelskreis und wurde dabei immer unglücklicher. Es begann mich zu stören, dass mein Mann immer das letzte Wort hatte, da ich ja gar keine Anerkennung bekam. Es begann mich zu nerven, dass er sich nie kritisieren liess, obwohl seine Kritik bei mir immer ankommen musste. Und es kränkte mich, dass er keine Ratschläge von mir wollte.

Ins eigene Fleisch geschnitten

Zudem stammte mein Mann aus einer zerrütteten Familie und sprach auch nur sehr negativ über seine Kindheitserlebnisse. Er tat mir immer sehr leid und ich nahm seine unglückliche Kindheit als Vorwand, ihn nicht mit meinen Problemen, die ich mit ihm hatte, zu konfrontieren. Ich wollte ihn schützen, schnitt mir dabei aber ins eigene Fleisch. Bis mir eine Freundin eines Tages sagte: Du kannst für ihn keine Verantwortung übernehmen!

Ich war wie vor den Kopf gestossen. Zudem wurde mir plötzlich bewusst, dass ich mir die ganze Suppe eben auch selber eingebrockt hatte. Ich begann Pläne zu schmieden, wie ich unsere Beziehung verändern konnte.

Von da an versuchte ich, nicht immer alles wortlos hinzunehmen. Mein Nein wurde kräftiger, stiess aber auch die Familie vor den Kopf. Es begann ein täglicher Kampf, aus den eingefahrenen Spuren herauszutreten. Die Familie war irritiert, sie empfanden mein Verhalten durchaus nicht als positiv. Sie waren eine Mutter und Ehefrau gewöhnt, die milde, immer freundlich und ausgeglichen war. Für meine Mitmenschen war ich ein idealer Lebenspartner.

Ich war Meister im Vermeiden von Konflikten gewesen und hatte Frieden gestiftet, wo es ging. Genaugenommen war ich manipulierbar im äussersten Masse und unglaublich angepasst. Ein Mensch ohne Ecken und Kanten, wie ich das in meiner Kindheit gelernt hatte, jemand, der nie etwas hinterfragt hatte. Natürlich hatte ich mir so eine Menge Verantwortung aufgeladen und mich hoffnungslos damit überfordert. Und nun dieser Wandel. Natürlich waren Probleme vorprogrammiert. Wir waren ja perfekt aufeinander abgespielt. Ich wurde zwangsläufig zum Spielverderber.

Selbstvertrauen und neue Regeln

Mit meinem Mann gab es öfters Krach, weil es nicht mehr so einfach für ihn war sich durchzusetzen. Meine Kinder wunderten sich über meine Veränderung und waren beleidigt, da sie mehr Pflichten übernehmen mussten. Die neuen Regeln irritierten alle, doch wusste ich, dass wir zwangsläufig alle zu Verlierern würden, ohne es konsequent durchzuziehen. Ich konnte nicht mehr im alten Trott weitermachen, sonst hätte ich mich und meine Familie belogen.

In dieser Zeit betete ich viel um die Kraft, dies alles durchzuhalten. Das Gebet stärkte mich und ich konnte mit neuer Energie an meine Arbeit gehen. In vielen intimen Momenten mit Jesus musste ich lernen, meinen Eltern zu vergeben und die vielen Ängste, die ich von der Kindheit her kannte, abzulegen. Hinzu kam, dass meine persönlichen Bedürfnisse in der Gegenwart Gottes endlich ernst genommen wurden und dass ich so im Alltag erstarkte. Ich spürte, dass ich mich Gott ganz anvertrauen und mit ihm meinen Weg gehen konnte. Es war eine unglaubliche Erleichterung.

Datum: 14.02.2003
Autor: B. Egli

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