Dem Herrn zur Ehre

Kann man Geld gut ausgeben?

Bedeutet Geld-Ausgeben nach den Geboten Jesu nur Verzicht und Askese? Heisst es, dass ich nur das absolut Nötige kaufe und den Rest weitergebe und spende? Der Gedanke liegt nahe. Der Theologe Paul Kleiner will es aber nicht dabei bewenden lassen.
Geld ausgeben
Kann man Geld gut ausgeben

„Ich konsumiere, also bin ich.“ Bisweilen schleicht sich dieser Satz in meine Gedanken ein, wenn ich Werbung betrachte oder wenn ich mich in einem Einkaufszentrum inmitten des Gedränges befinde. In der Schweiz gehört jeder dazu, der an der Konsumgesellschaft teilhat oder teilhaben kann. Manchmal komme ich mir richtig komisch vor, wenn ich nur Geld verdiene und es kaum ausgebe. Sabotiere ich damit das viel beschworene Wirtschaftswachstum? Man kann sich auch fragen: Kann man Geld gut ausgeben? Gibt es ethische Überlegungen in der Bibel bezüglich Konsum?

Jesus von Nazareth fasste einmal das ganze Alte Testament in eine einzige Weisung zusammen, in das Doppelgebot der Liebe: „Liebe Gott… und liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst. Grösser als dieses ist kein anderes Gebot.“ Daran anschliessend hat der Kirchenvater Augustin seine Ethik in einen Satz gefasst: „Liebe, und tue, was Du willst.“ In dieser Tradition stehen folgende zehn Fragen zum Geld-Ausgeben.

1. Steht Gott an erster Stelle bei dieser Ausgabe?
Jesus begründet die Gottesliebe mit der Einzigkeit Gottes: Er ist der einzige Herr, der das Sagen hat, auch zu den Geldausgaben. Gott zu lieben heisst, ihm die erste Priorität im Leben zu geben, auch wenn man das Portemonnaie, die Kreditkarte oder einen Einzahlungsschein zückt. „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes“, lehrt Jesus seine Leute. Geben wir für Gott Geld aus, in erster Linie, mit Priorität? Gott zu lieben, kann manchmal heissen: Ich faste, ich konsumiere nicht, ich verzichte. Ich liebe Gott, und darum kaufe ich jetzt eben keine Mahlzeit, ich miete keinen DVD zur Zerstreuung und Entspannung, sondern verbringe die Zeit ungeteilt mit ihm. – Übrigens: Wenn jemand sagt „Das muss ich haben oder kaufen“, dann erhebt sich die Frage nach dem Stellenwert Gottes. Gemäss Jesus soll Gott die erste, die grosse Liebe sein. Gott soll Priorität haben. Gott ist der Herr, der von anderen Herren, Zwängen und Mächten befreit, die einem zum Müssen versklaven.

2. Ehrt diese Ausgabe Gott?
Wer Gott liebt, ehrt ihn. Dies ist auch mit Geld möglich: „Wer sich des Armen erbarmt, ehrt Gott.“ Wer Geld ausgibt, um mit einem Bedürftigen zu teilen, liebt nicht nur seinen Nächsten (siehe Frage 6), sondern ehrt auch Gott, den Schöpfer dieses bedürftigen Menschen! Ebenso ehren wir Gott, wenn wir unser Menschsein anerkennen und akzeptieren, wenn wir nicht selber wie Gott sein wollen und darum genügsam Geld für Nahrung und Kleidung ausgeben. Und eben nicht für Selbstdarstellung, Selbstvergrösserung, Selbstbestätigung oder gar Selbstvergötterung!

3. Fördert diese Ausgabe das Vertrauen in Gott?
Der Apostel Paulus kann Geld ausgeben oder es nicht ausgeben „durch den, der mich stark macht“. Die Beziehung zu Gott, die Liebe und das Vertrauen bestimmen die Ausgaben. Die Liebe zu Gott lässt auch vertrauen, dass er für uns sorgt. Darum können wir genügsam leben und müssen nicht mit Geldausgaben Güter zur eigenen Sicherheit horten. Wer Gott vertraut, lebt dankbar in allem, auch beim Geld-Ausgeben.

4. Führt diese Ausgabe dazu, Gott und seine Schöpfung zu geniessen?
Wir lieben Gott, wenn wir uns an ihm und an seiner Schöpfung freuen. Ein kurzer Blick in die Bibel zeigt, wie wichtig Gott unsere Lebensfreude ist, wie sehr er als unser grosser Liebhaber sich an unserer Freude, unserer Wonne, unserem Ergötzen, unserer Lust freut. Ein Ausflug in die Berge oder Ferien am Meer kosten Geld. Geniessen wir damit Gott und seine Schöpfung? Der Mensch ist dazu geschaffen, Gott zu verherrlichen und sich ewig seiner zu erfreuen. Beginnen wir doch schon jetzt damit, auch wenn wir Geld ausgeben!

5. Trägt diese Ausgabe Gottes Schöpfung Sorge?
Wer Gott liebt, trägt dem von ihm Geschaffenen Sorge. Dazu gehört auch der eigene Leib, den man hegen und pflegen darf und soll. Der Leib wird auch als Tempel des Heiligen Geistes bezeichnet und soll entsprechend sorgsam behandelt werden. Das kostet auch Geld. Natürlich kann man das übertreiben und in der heutigen Wellness-Welle den Körper vergöttern. Aber bevor wir das Kind mit dem Bad ausschütten: Unsere Ausgaben für Hygiene, Kosmetik, gesundes Essen und einen gesunden Lebensstil (z.B. Sport!) könnten doch etwas mit dem Gebot Jesu zu tun haben: „Liebe Gott!“ Denn darum lieben wir auch den wunderbaren Leib, den er geschaffen und uns für eine Weile anvertraut hat.

6. Lindert diese Ausgabe die Not des Nächsten?
Jesus hat die Nächstenliebe zugespitzt: Sie ist einseitig oder kann es zumindest sein: Liebe gegenüber den Feinden, die sie nicht erwidern wollen, und Liebe gegenüber den Bedürftigen, die sie nicht erwidern können. Die christliche Existenz ist ganz grundsätzlich exzentrisch: Nicht der Mensch steht im Mittelpunkt, sondern Gott. Für die Ethik heisst das dann eben: Nicht ich stehe im Mittelpunkt, sondern ich soll Gott und den Nächsten ins Zentrum stellen. Manchmal wird gesagt, Jesus habe den Nächsten zu lieben geboten „… wie Dich selbst“. Das heisse doch, der Nächste und ich seien gleichberechtigt, es dürfe keine Nächstenliebe auf Kosten der Selbstliebe geben. Dies scheint mir aber die Aussageabsicht zu verdunkeln und die Spitze solcher Texte zu brechen. Auf dem Untergrund der selbstverständlichen Selbstliebe und gegen den starken Sog der Selbstsucht und Egozentrik befreit Gottes Gnade den Menschen zur Exzentrik und weist Gottes Geist und Wort in ein Leben der Selbstlosigkeit ein: Nicht zuerst ich, sondern zuerst Du – Du, o Gott, und Du, o Nächster! Diese Nächstenliebe lässt grosszügig Geld für die Bedürftigen fliessen. Gerade wir materiell reichen Schweizer sind noch recht arm im Blick auf das von Paulus propagierte „Liebeswerk“ des Teilens, das auf Gleichheit zielte. Das Mass unserer Nächstenliebe und unserer Grosszügigkeit ist mehr durch die materialistische, selbstsüchtige Gesellschaft, zu der wir gehören, als durch die Bedürftigkeit unserer Nächsten auf diesem Erdball bestimmt. Wir geben noch viel Geld egozentrisch und nicht exzentrisch aus.

7. Nimmt diese Ausgabe Rücksicht auf den Nächsten?
Nächstenliebe beinhaltet Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse und Rechte des andern. Hier öffnet sich ein weites, unübersichtliches Feld für Konsumentinnen und Konsumenten. Unsere arbeitsteilige, komplexe, globalisierte Wirtschaftsweise gibt uns Milliarden von Nächsten. Nehmen wir Rücksicht auf diejenigen, deren Produkte oder Dienstleistungen wir mit unserem Geld erstehen? Die Aussage von Jesus „Der Arbeiter ist seines Lohns wert“ würde ich auch auf sie anwenden und in den „Lohn“ durchaus auch Arbeitsbedingungen und Sozialleistungen einbeziehen. Das einfache Gebot der Nächstenliebe und Rücksichtnahme ist eine grosse Herausforderung. Nicht-Wissen beim Geld-Ausgeben könnte plötzlich in Gleichgültigkeit und Lieblosigkeit umschlagen! – Bei den Nächsten sollten wir auch an die nächste Generation denken. Nächstenliebe nimmt Rücksicht auf die Ungeborenen, die auf der Erde leben und wirtschaften werden, die wir ihnen hinterlassen. – Rücksichtnahme leitet wieder an zur Genügsamkeit: Nicht die Kaufkraft, sondern die Nächstenliebe bestimmt das Geld-Ausgeben. Die Macht des Gelds soll nicht gewalttätig das Recht anderer mit Füssen treten.

8. Fördert diese Ausgabe die Gemeinschaft mit den Nächsten?
Ich gehe mit jemandem auswärts essen. „Verschwendung! Spende es den Armen!“, sagt meine innere Stimme. Aber die Ausgabe schafft den Rahmen für die Gemeinschaft. Wie kann ich den Nächsten lieben ohne Gemeinschaft?! Jesus wurde als Festbruder verschrieen. Feiern gehörte zu seinem Lebensstil, und dies sogar mit Spendengeldern! Rauschende Feste stehen nicht zwingend im Gegensatz zum Teilen mit den Armen. Sie können sogar aus derselben Quelle gespiesen sein: Nächstenliebe! Diese leitet das Ausgeben von Geld! Die Bibel ist voll von Berichten über gutes Essen und fröhliche Feste, was nicht gratis zu haben ist. Mit Nächstenliebe im Blick auf die Gemeinschaft sollen solche Ausgaben getätigt werden – und andere gerade nicht: Wenn die Ausgabe zu Neid oder Streit führt und die Gemeinschaft zerstört, dann gilt wieder Verzicht und Genügsamkeit! Ausgaben zum Protzen, zum Zeigen, zum Beweisen, zum „Auch-Haben“ vergiften Beziehungen und fördern die Gemeinschaft nicht.

9. Macht diese Ausgabe dem Nächsten Freude?
Nächstenliebe äussert sich auch in Geschenken, und Geschenke sind häufig mit Geldausgaben verbunden. Nächstenliebe will andern Freude bereiten, und das kann mit Ausgaben verbunden sein: Ein Überraschungsbesuch, ein Telefongespräch, ein Blumenstrauss, ein aufmerksames Ohr und ein gutes Wort (Zeit ist ja bekanntlich Geld!)… Liebe und Freude stehen unmittelbar nebeneinander zu Beginn der Frucht des Heiligen Geistes: Liebe macht dem Nächsten Freude.

10. Fördert diese Ausgabe den Nächsten?
Die Liebe setzt nicht nur bei der Bedürftigkeit des Nächsten an, sondern fragt danach, wie sie fördern, zu Wachstum und Gedeihen beitragen kann.

Datum: 27.04.2007
Autor: Paul Kleiner
Quelle: Bausteine/VBG

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