5 am Tag-Kampagne

Wissenschaftliche Begründung

Die „5 am Tag“-Kampagne hat das Ziel, das Risiko für Krebserkrankungen durch die Steigerung des Gemüse- und Obstverzehrs zu senken. Die Kampagne hat die amerikanische Initiative des Nationalen Krebsforschungsinstituts der USA , "5 a day - for Better Health", als Vorbild. Diese Initiative wurde als öffentlich-private Partnerschaft zu Beginn der 90er Jahre begründet. Zu dieser Zeit erschienen die ersten Übersichtsarbeiten über die Ergebnisse aus Fall-Kontrollstudien, die erste Ergebnisse krebsrisikosenkender Effekte von Gemüse und Obst bei einigen Krebsformen ergaben.
Früchte
Prof. Dr. H.K. Biesalski

Einen weiteren Meilenstein für den Start der deutschen „5 am Tag“-Kampagne stellt der Bericht des "World Cancer Research Fund" und des "American Institute for Cancer Research" mit dem Titel: "Food, nutrition and the prevention of cancer: a global perspective" dar. Dieser Bericht, der von einem Gremium führender Krebsexperten wissenschaftlich betreut wurde, kam zu einer ähnlichen Einschätzung wie die ersten Übersichtsarbeiten von 1991/1992. Auch unter Berücksichtigung der neueren Arbeiten ergab sich die Schlussfolgerung, dass überzeugende Hinweise für eine Risikosenkung durch hohen Gemüse- und Obstverzehr bei 5 der 18 untersuchten Krebsformen (Krebs im Mund- und Rachenraum, Speiseröhre, Magen, Lunge, Kolorektum) bestehen und bei 4 von den 18 Erkrankungen eine risikosenkende Wirkung wahrscheinlich ist (Kehlkopf, Bauchspeicheldrüse, Brust, Blase). Bei 7 weiteren Krebsformen wird eine solche Beziehung als möglich angenommen. In ihren Empfehlungen zur Krebsprävention sprachen die Experten daher dem Gemüse- und Obstverzehr eine wichtige Rolle bei der Senkung des Krebsrisikos zu.

Der quantitative Effekt einer Anhebung des Gemüse- und Obstverzehrs auf 400-800 g pro Tag wurde weltweit mit einer Senkung des Krebsaufkommens um 23 % geschätzt. Dabei wurde die Spannweite des Effekts mit einer unteren Schätzung von 7 % und einer oberen von 31 % angegeben. Die Empfehlung, mehr als 5 Portionen Gemüse und Obst oder 400-800 g pro Tag aufzunehmen, wurde zusammen mit 12 anderen Ernährungsempfehlungen einschliesslich körperlicher Aktivität gegeben. Allen Empfehlungen zusammen wurde eine Senkung des Krebsaufkommens weltweit um 30 bis 40 % zugesprochen.Grundlage für die Einschätzung des WCRF, von einer überzeugenden bzw. wahrscheinlichen Beweislage für eine tumorrisikosenkende Wirkung auszugehen, war das Kriterium, dass neben gesicherten epidemiologischen Ergebnissen auch plausible biologische Begründungen für eine kausale Wirkung von Gemüse und Obst vorliegen. Im Falle von Gemüse und Obst gibt es eine Vielzahl von experimentellen Studien, die mit Inhaltsstoffen von Gemüse und Obst vorgenommen wurden und häufig in dem spezifischen experimentellen Kontext tumorsenkende Effekte aufwiesen. Es fehlen bisher jedoch Studien am Menschen, die eindeutig nachweisen konnten, dass ein einzelner Inhaltsstoff von Gemüse und Obst unmittelbar das Krebsrisiko senkt.

Die Experten des "World Cancer Research Fund" und auch andere Krebsepidemiologen erkennen daher die Bedeutung von Gemüse und Obst als Präventionsmassnahme als weitestgehend gesichert an, sind aber sehr zurückhaltend bei der Bewertung spezifischer Mechanismen. Dies gilt beispielsweise für die Bedeutung der gesenkten Bildung freier Radikale durch Antioxidantien oder den Nutzen einzelner sekundärer Pflanzenstoffe im Rahmen der Krebsprävention. Für den präventiven Nutzen einzelner Substanzen ist eine strenge Beweisführung notwendig. Neben einer eindeutigen Evidenz aus Beobachtungsstudien sind dabei auch risikosenkende Nachweise aus klinischen Studien und Interventionsstudien erforderlich.

Die wesentliche Begründung für die „5 am Tag“-Kampagne bezieht sich demnach zur Zeit auf die Beweiskraft beobachtender epidemiologischer Studien, unterlegt durch biologische Plausibilität. Diese Feststellung gilt auch für andere Krankheitsbilder, deren Erkrankungsrisiko mit steigendem Gemüse- und Obstverzehr abnimmt: kardiovaskuläre Erkrankungen, Katarakt. Eine weitere Erkrankung, für die vermehrt Hinweise über eine Risikominderung publiziert wurden, ist der Typ -2 -Diabetes mellitus. Ebenso konnte gezeigt werden, dass ein hoher Gemüseverzehr in Verbindung mit anderen Ernährungsumstellungen den Blutdruck bei Hypertonikern senkt. Für die genannten Krankheitsbilder muss jedoch einschränkend gesagt werden, dass eine derartige, systematische Zusammenfassung der vorhandenen Daten und deren Bewertung wie im Falle der Krebserkrankungen nicht vorliegt.

Einen unmittelbaren Nachweis, dass eine Intervention mit Gemüse und Obst das Risiko für Krebs oder auch andere chronische Erkrankungen senkt, gibt es derzeitig nicht. Ebenso fehlen beobachtende epidemiologische Daten, die belegen, dass eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten im Sinne einer Erhöhung des Gemüse- und Obstverzehrs im Erwachsenenalter das Erkrankungsrisiko für Krebs und andere chronische Erkrankungen zu senken vermag. Nach Expertenmeinung reicht die bisher vorgelegte Evidenz aber aus, um eine „5 am Tag“-Kampagne zu rechtfertigen. Für diese Einschätzung gibt es zwei Begründungen: Zum einen ist es zwar theoretisch möglich, dass sich die in den epidemiologischen Studien beobachteten Risikosenkungen durch hohen Gemüse- und Obstverzehr auf andere Faktoren zurückführen lassen, die mit dem Gemüse- und Obstverzehr verbunden sind; doch erscheint dies wenig wahrscheinlich, da die einzelnen Studienergebnisse häufig für solche Effekte kontrolliert wurden. Zum anderen lässt sich die Einschätzung damit begründen, dass von den vielen Ernährungsfaktoren, die potentiell für die Krebsprävention in Frage kommen, der Einfluss von Gemüse und Obst wissenschaftlich am besten abgesichert ist und nach der derzeitigen Datenlage den grössten Effekt erbringt.

Die „5 am Tag“- Initiative folgt der Erkenntnis, dass epidemiologische Studien bei keinem anderen Ernährungsaspekt ähnlich übereinstimmende Ergebnisse ergeben haben und daher die Anhebung des Gemüse- und Obstverzehrs wahrscheinlich eine der effektivsten Möglichkeiten zur Krebsprävention durch Ernährung darstellt.

Um Missverständnissen vorzubeugen, soll darauf hingewiesen werden, dass Präventionskonzepte auf der Anhebung von Erkrankungswahrscheinlichkeiten beruhen. Solche Erkrankungswahrscheinlichkeiten werden in grösseren Bevölkerungsgruppen abgeschätzt und stellen ein Durchschnittsmass für diese Bevölkerung dar. Sie können aber keine Aussage über das Auftreten einer Erkrankung bei einem Individuum machen. Es kann daher vorkommen, dass im Einzelfall auch bei Einhalten aller Regeln bestimmte Erkrankungen, darunter auch Krebserkrankungen, auftreten. Es wir auch das Gegenteil zu beobachten sein, dass trotz erhöhter Erkrankungswahrscheinlichkeit bei einer Person keine der Erkrankungen eintritt.

Eine andere Frage betrifft die Differenzierung der Aussagen nach einzelnen Krebslokalisationen und einzelnen, häufig konsumierten Gemüse- bzw. Obstarten. Die epidemiologische Datenlage beruht auf der Publikation einzelner Studienergebnisse zu einzelnen Erkrankungen bzw. Krebsformen. In solchen Einzelstudien finden sich häufig Hinweise darauf, dass einzelne Gemüse- und Obstarten bei bestimmten Krebsformen eine besonders starke vorbeugende Wirkung haben. Diese Studienergebnisse beruhen auf unterschiedlichen Untersuchungsansätzen und -methoden, so dass sich die Ergebnisse auch zum Teil widersprechen. Zudem gibt es theoretische Gründe, die zu der Annahme führen, dass nicht in jeder Studienpopulation ein Ernährungsfaktor die gleiche risikosenkende Stärke aufweisen muss. Daher wird nicht einzelnen Gemüse- und Obstarten, sondern der gesamten Gemüse- und Obstgruppe der positive Effekt zugesprochen.

Es ist weiterhin die allgemeine Auffassung, dass Krebs ein multifaktorielles Geschehen darstellt und das Erkrankungsrisiko sich aus vielen einzelnen Komponenten zusammensetzt. Es ist daher nicht unlogisch, bei Überlegungen zur Prävention einzelner Krebslokalisationen auch weitere Risikofaktoren heranzuziehen, die teilweise mit der Ernährung in einem korrelativen Zusammenhang stehen können. Die Betrachtung des Gesamtspektrums hilft, unter Heranziehung des Risikoprofils von Bevölkerungen mit sehr niedrigen Raten für eine bestimmte Krebsform, die Einflussfaktoren zu bestimmen, die jeweils das erhöhte Auftreten einer Krebsform begründen. Ein solches, auf die Umwelt des Menschen ausgerichtetes Konzept findet in den Befunden aus Migrationsstudien seine wissenschaftliche Begründung. Aus den Migrationsstudien wissen wir, dass das Auftreten von Krebs zum grossen Teil direkt von der jeweiligen Umwelt abhängt. Ebenso ist an der zeitlichen Entwicklung des Magen- und Lungenkrebs belegbar, dass eine Krebsprävention, die das Lebensumfeld des Menschen im weitesten Sinne verändert, überaus erfolgreich sein kann.

Eine gezielte Aufklärung über die Zusammenhänge zwischen Krebs und Ernährung erfordert ein gutes Zusammenwirken von Wissenschaft, gesundheitsbezogenen Organisationen und den Medien. In den gängigen Übersichten wie der des WCRF werden die bestehenden Informationen zusammengetragen und tabellarisch aufgearbeitet. Hierbei kommt es zunächst darauf an, sämtliche Studienergebnisse, die mit den verschiedenen Studientypen gewonnen wurden, heranzuziehen. Ein solches Verfahren ist aufgrund der komplexen Datenlage auch angezeigt. Aus der Bewertung dieser Daten werden schliesslich Empfehlungen abgeleitet. Dabei kommt den Ergebnissen der prospektiven Kohortenstudien bzw. der Interventionsstudien aufgrund des besseren methodischen Studiendesigns ein besonderes Gewicht zu.

Die Datenlage zum Zusammenhang von Ernährung und Krebs wird sich in den nächsten Jahren durch die Vielzahl von existierenden prospektiven Kohortenstudien wesentlich verbessern. Neue Erkenntnisse zu krankheitsreduzierenden Wirkungsprinzipien von Gemüse und Obst können durch die Strategie, biologische Materialien bei epidemiologischen Studien heranzuziehen, gewonnen werden. Grundsätzlich ist jedoch anzumerken, dass nur durch eine Interventionsstudie, die in dem Falle von Krebserkrankungen mehrere zehntausend Personen umfassen muss, eine genaue quantitative Abschätzung der gesundheitlichen Effekte einer Präventionsmassnahme vorgenommen werden kann. Solange solche Studien nicht vorliegen, sind wir auf die Aufbereitung der bisher vorliegenden und in den nächsten Jahren eingehenden Daten und deren Interpretation angewiesen. Diese Daten besagen heute eindeutig, dass im Bereich von Gemüse und Obst neben dem Verzicht auf das Rauchen das grösste Präventionspotential für Krebs zu sehen ist.

Quelle: Arbeitsgruppe Wissenschaft des „5 am Tag-Vereins“; Sprecher der AG: Prof. Dr. H.K. Biesalski, Universität Stuttgart-Hohenheim

Datum: 16.07.2005
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Ernährung

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