Partnerschaft

„Mein Mann ist arbeitslos“

„Mein Mann (42) ist seit zwei Jahren arbeitslos. Die Kündigung war für ihn wie ein Schock, aber er hat sich bald davon erholt und sich auf die Suche nach einer neuen Stelle gemacht. Als er nach ein paar Monaten noch nichts gefunden hatte, veränderte er sich. Er zog sich immer mehr zurück, kümmerte sich kaum noch um neue Bewerbungen, wurde leicht reizbar und fing an, zuviel zu trinken. Ich mache mir auch sonst Sorgen um seinen Gesundheitszustand und finde, dass das alles mittlerweile noch schlimmer geworden ist. Was kann er tun, damit es ihm wieder gut geht? Es gibt doch Schlimmeres, als arbeitslos zu sein!“
Schach

Sie fragen, was Ihr Mann tun kann, darum will ich auch für Ihren Mann die Antwort geben. Sie gilt aber auch Ihnen, damit Sie ihn so gut wie möglich unterstützen können. Da ich zu wenig über seine spezielle Situation weiss, werde ich einige allgemeine Hinweise geben, aus denen er sich heraussuchen muss, was für ihn besonders wichtig ist.

Die Initiative ergreifen

Durch Langzeitarbeitslosigkeit werden viele Menschen depressiv. Dadurch geraten sie in einen Teufelskreis. Das beste Mittel gegen die Arbeitslosigkeit selbst und ihre psychischen Folgen ist die Eigeninitiative. Aber wenn ein Mensch depressiv geworden ist, fehlt ihm diese. So geht es wahrscheinlich jetzt Ihrem Mann.

Da hilft nur eins: Wieder neu Eigeninitiative zu entwickeln. Psychologische Spezialisten haben erforscht, worum es dabei vor allem geht:

1. Entschliessen Sie sich, die Opferrolle zu verlassen. Übernehmen Sie neu die Verantwortung für sich selbst.

2. Entschliessen Sie sich, Ihre Arbeitslosigkeit nicht mehr als Niederlage und schon gar nicht als Katastrophe, sondern als Chance für Neues zu bewerten.

3. Wenden Sie sich sinnvollen Projekten zu, die Sie auch ohne Arbeitsplatz verwirklichen können. Engagieren Sie sich in der Kirchengemeinde, in einem Verein, in der Politik oder pflegen Sie ein befriedigendes Hobby.

4. Können Sie sich beruflich weiterbilden oder umschulen lassen? Informieren Sie sich über Ihre Möglichkeiten. Durch solche Massnahmen erhöhen Sie Ihre Chance auf eine neue Anstellung und stärken Ihr Selbstvertrauen.

5. Setzen Sie sich konkrete Ziele in einem überschaubaren Zeitraum (maximal zwei Jahre), die Sie auch erreichen können.

6. Gestalten und strukturieren Sie eigenständig Ihre Zeit. Setzen Sie sich feste Termine. Nehmen Sie diese genau so ernst wie Termine am Arbeitsplatz. Warum sollte Ihre Zeit durch die Arbeitslosigkeit weniger Wert bekommen haben? Sie ist genauso kostbar wie zuvor. Planen Sie verantwortungsbewusst jeden neuen Tag. Nehmen Sie ihn nicht als Fluch, sondern als Aufgabe.

7. Pflegen Sie Kontakte. Sprechen Sie dabei auch offen über Ihr Problem der Arbeitslosigkeit. Vertuschen trägt nur zur Isolation bei. Ein gutes Beziehungsgeflecht ist die beste Medizin gegen Depression als Folge der Arbeitslosigkeit.

„Richtig“ unterstützen lernen

Zuletzt möchte ich doch auch noch Ihnen als Ehefrau eine Empfehlung geben: Haben Sie Mitgefühl für Ihren Mann, aber achten Sie auch darauf, nicht gemeinsam in Pessimismus zu versinken. Dazu eine kleine Geschichte: Eine Sozialarbeiterin trat eine neue Stelle in einer Organisation an, die Langzeitarbeitslose unterstützte. Bald bemerkte sie, dass keiner von ihren neuen Klienten ernsthaft einen Job suchte. Wenn jemand etwas unternahm, dann nur mit halbem Herzen. „Da muss sich etwas ändern“, dachte sie und sie drohte damit, das Unterstützungsprogramm einzustellen, falls es weiterhin nicht zur Überwindung des Problems verhelfen würde. Das hatte eine erstaunliche Wirkung: Nach kurzer Zeit hatte sie einige Klienten „verloren“, weil sie Arbeit gefunden hatten. Zu ihrer Überraschung wurde sie dafür von ihrem Arbeitgeber aber nicht gelobt, sondern gemobbt. Dort hatte gar kein wirkliches Interesse daran bestanden, die Klienten loszuwerden! Man fühlte sich wohl in dieser Symbiose: „Wir kümmern euch ganz vorbildlich um euch und ihr lasst euch von uns ganz lieb versorgen.“ Das erschien sowohl den Arbeitslosen als auch den Helfer als prima Lösung. Aber natürlich gestand sich das niemand ein.

Ich will damit nicht sagen, dass Sie und Ihr Mann sich so verhalten – das wäre eine Anmassung von mir. Aber ich möchte auf diese Gefahr hinweisen, die oft bei depressiven Reaktionen auftritt. Sie sind die wahrscheinlich wichtigste Helferin Ihres Mannes. Werden Sie Ihrer Rolle gerecht, indem Sie selbst aktiv werden und bleiben und sich keinen Augenblick damit zufrieden geben, dass Ihr Mann in Hoffnungslosigkeit versinkt. Das kann Konfrontation bedeuten – aber vor allem ist es Liebe.

Autor: Hans-Arved Willberg ist Lebens- und Sozialberater, Theologe und Studienleiter der BTS Fachgesellschaft gGmbH ( www.bts-ips.de ).

Datum: 17.03.2005
Quelle: Neues Leben

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