Die stille Tragik
DIE ANNAHMENWELT DES SÜCHTIGEN
Unsere Annahmenwelt ist der Filter, mit dem wir unser Leben gestalten und Entscheidungen treffen.
Die Sucht baut auf einem tiefen Gefühl der Minderwertigkeit auf: "Keiner liebt mich, so wie ich bin". "Keiner kann mir geben, was ich wirklich brauche". "Sex (oder Alkohol etc.) gibt mir ein gutes Gefühl, hilft mir, das Leben besser zu ertragen".
EINGESCHRÄNKTES DENKEN
Es kommt zu einer Verschiebung des Wertesystems. Online-Süchtige merken, dass sie die Werte aufgeben, die ihnen einst wichtig waren:
- Respekt vor dem sexuellen Gegenüber.
- Verabscheuung von Gewalt und Zwang.
- Christliche Werte der Reinheit und der Selbstdisziplin.
Es kommt zu einer Umdeutung und Bagatellisierung:
- "Es sind nur Bilder!"
- "Ich habe so viel Stress, das entspannt mich!"
- "Andere tun es auch, wieso ich nicht!"
- "Würde meine Frau mir mehr geben, hätte ich das nicht nötig!"
STÄNDIGE VEREINNAHMUNG UND GETRIEBENHEIT
Die betroffene Person kommt in eine Trance oder Stimmung, wo sie nur noch auf die sexuellen Gedanken ausgerichtet ist. Dieser mentale Zustand führt zu einer obsessiven / zwanghaften Suche nach sexueller Stimulation. Es ist die ständige Suche nach dem elektrisierenden Zustand erster Liebe, nach dem berauschenden Gefühl des Ungewöhnlichen, nach der Spannung des Verbotenen. Diese Getriebenheit blendet jeden Schmerz, jedes Mitgefühl und jedes Bedauern aus.
RITUALISIERUNG
Die Person entwickelt spezielle Handlungsroutinen, die zum sexuellen Verhalten führen. Das Ritual verstärkt die Getriebenheit und erhöht die Erregung. Rituale sind (ähnlich wie das Vorspiel in echten Beziehungen) manchmal gerade so erregend wie der Höhepunkt selbst. Für den Online-Süchtigen ist das vielleicht der Lieblingsstuhl, in dem er sitzt, die Beleuchtung des Raumes, das Bereitstellen alkoholischer Getränke, die Lieblings-Websites, das Heranpirschen an einen neuen Kontakt im Chat.
SEXUELLE SUCHT
Der eigentliche sexuelle Akt, der das Ziel von Getriebenheit und Ritualisierung ist. Die Person ist nicht mehr in der Lage, das Verhalten zu stoppen. Die Betroffenen versuchen immer wieder aufzuhören. Sie setzen sich ein Ziel, sie nehmen sich vor, zwei Wochen nicht auf die suchterzeugenden Websites zu gehen, doch dann ist die Sucht wieder stärker und "es" passiert wieder.
VERZWEIFLUNG UND UNBEHERRSCHBARKEIT
Das Gefühl äusserster Hoffnungslosigkeit und Machtlosigkeit in Bezug auf das sexuelle Verhalten. Das ständige Versagen führt zu einem tiefen Selbsthass, dem Gefühl der Machtlosigkeit und des Ausgeliefertsein. Sie verurteilen ihre eigene moralische Schwäche, gerade dann, wenn sie wieder ihre eigenen Werte verletzt haben, oder besonders entwürdigende Szenen konsumiert haben. Die Verzweiflung geht oft bis zur Suizidalität.
DIE TRAGIK
Erneute sexuelle Stimulation lässt die Verzweiflung für kurze Zeit wieder vergessen. Der Kreislauf geht weiter.
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Datum: 17.09.2004
Autor: Dr. med. Samuel Pfeifer
Quelle: Internetsucht