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„Wie gehe ich mit Depressiven um?“

„Wir wohnen als Familie seit vielen Jahren mit meiner Tante zusammen in einem Haus. Vor zwei Monaten wurde eine schwere Depression bei ihr diagnostiziert, die behandelt wird. Die Krankheit hat sie sehr verändert und wir haben Schwierigkeiten, mit ihr umzugehen. Ständig macht sie uns Vorwürfe und klagt sich selbst an. Dazu verweigert sie oft jede Hilfe, wodurch auch wir uns manchmal verletzt fühlen. Wie können wir mit der Situation besser umgehen?“
Depressive, Depression




Das ist wirklich eine grosse Herausforderung für Sie. Ich gebe Ihnen ein paar Hinweise, wie Sie Ihrer Tante begegnen und sie unterstützen können. Wahrscheinlich beherzigen Sie schon manches davon, aber vielleicht sind auch noch neue Gedanken dabei:

- Machen Sie nicht Ihre Tante für das schwierige Verhalten verantwortlich, sondern die Depression.
- Verlangen Sie von ihr nicht, sich zusammenzureissen. Nehmen Sie ihr subjektives Leiden ernst. Sie können sich wahrscheinlich nicht vorstellen, wie schlimm der Zustand für sie ist.
- Behandeln Sie Ihre Tante als normalen Menschen und bilden Sie mit ihr zusammen ein Team, das gemeinsam gegen die Depression angeht.
- Begegnen Sie pauschalen Negativaussagen nicht mit pauschaler Abwehr, sondern mit taktvollen Rückfragen, die es Ihrer Tante ermöglichen, ihre negative Sichtweise selbst zu korrigieren.
- Verstecken Sie Ihre eigenen Gefühle nicht. Teile Sie Ihrer Tante mit, was Ihnen Sorge macht, ohne sie damit unter Druck zu setzen. - Achten Sie darauf, dass Ihre Tante nicht zuviel allein ist.
- Nehmen Sie Suizidandeutungen ernst und sprechen Sie offen mit ihr darüber, ohne ihr Vorhaltungen zu machen.
- Unterstützen Sie Ihre Tante bei angenehmen Aktivitäten. Seien Sie dankbar, wenn sie sich überhaupt zu etwas bewegen lässt. - Helfen Sie ihr bei der Strukturierung ihres Tagesablaufs.
- Lassen Sie sich selbst bei der Begleitung begleiten. Vereinbaren Sie zum Beispiel einen Termin mit dem Therapeuten Ihrer Tante.
- Überfordern Sie Ihre Tante nicht mit Appellen, mehr zu beten und zu glauben. Sprechen Sie ihr stattdessen – wenn sie dafür zugänglich ist – zu, dass sie von Gott geliebt ist und dass er ihr in ihrer depressiven Schwachheit ganz besonders nah ist, auch wenn sie gerade nichts davon spürt.

Autor: Hans-Arved Willberg, ist Theologe und Pastoraltherapeut. E-Mail: ha@willberg-karlsruhe.de

Datum: 29.01.2007
Quelle: Neues Leben

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