Erlebt

Wenn das Leben Haken schlägt...

Krisen und Suchen gehören zusammen. Wer in eine erschütternde Lebenssituation geraten ist, verliert den Faden. Er weiss nicht mehr, woher er kommt und wohin er geht. Oft können auch Freunde und Verwandte den Veränderungen nicht folgen. Sie verstehen nicht, was da vor sich geht. Dann wird der Suchende einsam, verliert den Halt noch mehr und wird nicht selten depressiv. Der Mensch braucht einen Lebenssinn. Dieser muss nicht philosophisch sein. Er muss auch nicht in die ferne Zukunft reichen. Handfest, umsetzbar, ein kleiner Faden, der sichtbar wird und etwas Halt und Freude schenkt. Das reicht für den Anfang. Es ist deshalb nicht zufällig, dass viele Menschen in der Krise nach den Angeboten der Esoterik greifen. Sie sind oft handfest: Biorhythmen, die Gefühle erklären; Übungen, die befreien; Steine, die heilen; Tropfen, die riechen und lindern; Karten, die ‘reden’; Pendel, die verraten was kommt; Sterne, die den Weg zeigen... Wenn ich an die Esoterikmesse in Zürich denke, sehe ich die bunten Angebote noch alle vor mir. Da finden die Menschen garantiert etwas, das ihre suchenden Sinne anspricht. Sie greifen danach. Fast jeder ’Faden’ ist ihnen lieb, wenn er nur ein wenig Sinn und Licht in die Sinnlosigkeit des Lebens bringt. Therese Krieg war mitten in ihrer grössten Lebenskrise, als sie sich der Esoterik zuwandte: Frisch geschieden, depressiv, voller Angst. Sie suchte. Sie machte Fortschritte. Sie tastete sich immer weiter vorwärts. Doch die Depressionen blieben, auch die unerträgliche Angst. Was nach Sinn aussah, führte noch mehr in die Isolation. Aus Lichtblicken wurden neue Schatten, die ihr Leben noch wertloser erscheinen liessen. Dann begann Gott zu ihr zu reden... Sechs Jahre lang beschäftigte sich Therese Krieg intensiv mit Esoterik. Auslöser war ihre Scheidung. Sie suchte neuen Sinn und Inhalt für ihr Leben, denn sie litt an schweren Angstzuständen und Depressionen. Zusammen mit ihrer Schwägerin aus Luzern suchte sie in vielen Bereichen der Esoterik: Autogenes Training, Meditation, Pendeln, Bachblütentherapie, Geisterbefragung. Der Erfolg blieb weitgehend aus. Auch die neue Liebe konnte ihre Angst nicht besiegen. Sie blieb suchend und liess sich vom neuen Glauben ihrer Schwägerin anstecken. Nicht ohne Auswirkungen. Schakra Therese wurde gewarnt, dass Schakra gefährlich sei. Sie glaubte es nicht, bis sie beim Öffnen der sieben Schakra den Teufel sah. Sie begann ihre Meditation mit der Wurzelschakra und meditierte stufenweise nach oben. Plötzlich sah sie ihn: rot, mit Hufen und Hörnern. «Vielleicht sah ich ein Bild, das aus meiner Kindheit in mir schlummerte. Jedenfalls erschrak ich fürchterlich und verliess den Raum. Ich realisierte, dass Mächte im Spiel waren, die ich nicht suchte. Mit Schakra wollte ich nichts mehr zu tun haben. Ich suchte den Kontakt zu guten Kräften. Die Beziehung zu den Mächten der Finsternis suchte ich nicht.» Ich In den wöchentlichen Treffs erlebte Therese auch positivere Seiten der Esoterik. Die Gruppe sandte damals immer ein ‘Licht’ in den Platzspitz zu den Drogensüchtigen. Sie wollen damit Gutes bewirken. «Die guten Wünsche waren wie Gebete für diese Menschen.» Dieses An-Andere-Denken riss Therese für kurze Zeit aus ihrer Isolation. «Das Leben drehte sich endlich einmal nicht mehr nur um mich. Ich war damals ganz mit mir selber beschäftigt. Ausser mir und meinen Problemen schien es nichts und niemanden zu geben.» Doch diese Treffen waren die einzigen Momente in denen der egoistische Kreis, in dem Therese gefangen war, etwas geöffnet wurde. Sonst wurde sie, beeinflusst vom esoterischen Gedankengut, immer egoistischer und agressiver. Sie wollte vorwärts kommen, die Beste und die Grösste sein. Esoterik ist zu einem grossen Teil spirituelle Leistung. Sie sucht letztlich den eigenen Vorteil, die persönliche Erlösung aus dem Kreislauf des Lebens. Angstschmerz Therese litt in dieser Zeit an schlimmen Angstzuständen. Sie konnte kaum allein sein. Mitten in der Nacht bestellte sie ein Taxi und gab dem Fahrer immer wieder ein anderes Ziel vor - nur damit sie nicht aussteigen musste. Mehr als drei Stunden dauerte die Fahrt durch Zürich. «Ich weiss nicht mehr, was ich bezahlen musste. Ich wollte einfach nicht allein sein. Ich befürchtete immer einen Herzinfarkt. Allein in meiner Wohnung sah ich keine Chance, im Ernstfall zu überleben. Und sterben wollte ich keinesfalls.» Therese konsultierte viele Ärzte, liess eine Untersuchung nach der anderen über sich ergehen. Erfolglos. Man fand nichts. Ihre Herzschmerzen schienen keine Ursache zu haben. Auf einer Reise nach Paris war die Angst im Hotelzimmer wieder unerträglich. Sie weckte ihren Chef, der auch im Hotel übernachtete und bat ihn bei ihr im Zimmer zu schlafen. Ihre Angst war grösser als jede Peinlichkeit. Sekte Eines Tages wurde Therese von ihrer Mutter gewarnt: «Du, deine Schwägerin Margrit ist in eine Sekte geraten. Sei vorsichtig, die will dich bestimmt bekehren!» Therese sah das nicht so eng. «Lasst sie doch. Wenn sie nur etwas gefunden hat, woran sie glauben kann.» Doch selber liess sie sich nicht beeinflussen, auch wenn Margrit dies manchmal versuchte. Tonbandkassetten mit Predigten, die sie ihr gab, hörte sich Therese nicht an. Es ging ihr auch wieder besser. Sie heiratete ihre neue Liebe: Jeano, den Coiffeurmeister von der Friedensgasse 1 in Zürich. Sie fuhren in die Ferien. Margrit lud die beiden ein, nach den Ferien doch zu einem Essen nach Luzern zu kommen. Luzern Bei diesem Besuch spürte Therese wie sich Margrit verändert hatte. Sie sprach von Jesus und ihrem Glauben an den Sohn Gottes und von einem ewigen Leben. Ihre Gedanken waren Therese neu und fremd. Sie war durch ihren ersten Mann geprägt, der felsenfest überzeugt war, dass es keinen Gott gibt. Für ihn war der Tod das Ende allen Seins. Auch ihr Psychologe sagte ihr: «Das Leben spielt sich jetzt und hier ab. Nach dem Tod gibt es nichts mehr.» Ganz glauben wollte sie dies nicht. Der Mensch hat doch eine Seele, die nicht einfach vergeht. Therese war nach diesem Abend irritiert. Aber gleichzeitig wurde sie vom veränderten Leben ihrer Schwägerin angezogen. Sie wollte auch erleben, was Margrit erlebt hatte. «Ich glaubte, dies sei die Erfüllung. Jedenfalls eine höhere Stufe, die ich auch erreichen wollte. Bis dahin waren wir immer etwa auf demselben Level. Unsere Fortschritte in der Esoterik verliefen parallel. Doch nun hatte Margrit eindeutig mehr als ich.» In der Esoterik will der Mensch vorwärtskommen, höhere Stufen erreichen. Jeder will weiter sein als der andere. Therese war von diesem Leistungsdenken stark geprägt. Blut Auf der Heimfahrt schlief Jeano. Therese hörte die Tonbandkassette, die ihr Margrit mitgegeben hatte. In ihr entstand ein grosses Verlangen. Sie wollte mehr von Jesus wissen. Am nächsten Tag rief Therese in Luzern an. Margrit sagte ihr am Telefon: «Du musst dich durch das Blut von Jesus reinigen lassen.» Therese schauderte bei dieser Vorstellung. Was soll das Blut von Jesus? «Du musst dich nicht fürchten. Jesus befreit dich von deinen Sünden und Lasten.» Die Schwägerin versuchte zu erklären, wer Jesus war und was dieser durch sein Sterben am Kreuz von Golgatha für die Menschen getan hatte. «Ich dachte, wenn Margrit das so sieht, ist es bestimmt gut. Deshalb wollte ich es auch haben.» Die beiden Frauen telefonierten am Donnerstag. Am folgenden Mittwoch fuhr Therese mit der festen Absicht sich zu bekehren nach Luzern. «Nach dem Telefongespräch spürte ich eine grosse Freude in mir. Bereits mein Vorentscheid hatte positive Auswirkungen.» Therese fuhr nach Luzern. Jeano ging mit. Aber beim Gespräch mit Margrit war er dann nicht dabei. «Wir beteten. Ich entschied mich für Jesus - eigentlich ohne richtig zu wissen, was ich tat. Am nächsten Tag rief ich meine Mutter an und teilte ihr mit, dass ich mich bekehrt habe.» Kirche «Wiedergeboren war ich noch nicht.» Therese wollte auch nicht in die Kirche gehen. Das sagte sie ihrer Schwägerin deutlich. Aber sie hatte einen Anfang gemacht. Ihr Leben veränderte sich nach diesem Mittwoch stark: Die Ängste waren weg. Sie begann Jeano mehr zu achten und lieben. Und schon nach einer Woche wollte sie Gemeinschaft mit anderen Christen haben. «Ich suchte in der Zeitung. Dort las ich den Namen Chrischona-Gemeinde. Ich erkundigte mich. Meine Schwester fand heraus, dass diese Freikirche gut sei. Ich könne dort ohne Sorge mal reinschauen.» Therese fragte den Seelsorger dieser Freikirche, ob sie mit ihm reden könne. Er erklärte ihr, wie sie auf dem breiten Weg ohne Gott zum ewigen Tod unterwegs gewesen sei - wie alle Menschen, die Jesus nicht kennen. Sie habe sich nun zur Umkehr zurück zu Gott entschieden. «Er zeichnete diesen Weg auf ein Blatt Papier. Auf dem Blatt gab es auch einen schmalen Weg, der zurück zu Gott führte. Die Verbindung vom breiten zum schmalen Weg war ein Kreuz mit einem Tor. Das Kreuz, an dem Jesus starb.» Kreuzung Dann fragte er Therese, wo auf der Skizze sie nun unterwegs sei. «Ich stehe da mitten auf dem Kreuz - vor der Tür.» Therese wusste, dass sie das Kreuz von Jesus als Brücke zu Gott annehmen wollte. Sie nannte im Gebet alles, was mit dem bisherigen Leben ohne Gott zu tun hatte und ihr Herz belastete: Ihre Gottlosigkeit, die Ehescheidung, alle Sünden. Wie Bäche flossen die Lasten von ihr. Die Tränen waren Ausdruck der tiefen Reinigung ihrer Seele. «Danach war mir ganz leicht. Ich fühlte mich wie junge Kälber auf der Frühjahrswiese. Ich erlebte, was der Prophet Maleachi geschrieben hat: ‘Ihr werdet hinausgehen und springen wie Mastkälber’ Mal 3,20.» Therese wusste, dass sie nun ein neues Leben bekommen hatte. Ihr Erlebnis war die Wiedergeburt im biblischen Sinn. Sie wurde an diesem Tag zu einem Kind Gottes. «Nun hatte ich eine feste Hoffnung. Diese Wiedergeburt hatte nichts mit der mir vertrauten Reinkarnationslehre zu tun. Gott hat mir Vergebung und ein neues, ewiges Leben geschenkt. Ich werde nicht als Mensch oder gar als Tier reinkarniert. Ich lebe, weil Jesus den Tod überwunden hat.» Jeano Jeano liess sich nicht beeindrucken. Als Therese guten Freunden, die zu Besuch waren, ihre Geschichte erzählte und die Zeichnung des Seelsorgers nachzeichnete, reagierten diese negativ. Sie spotteten: «Du glaubst tatsächlich an dieses Männchen am Holzkreuz? Nun willst du wohl mit Sandalen und hochgesteckten Haaren durch die Gegend laufen.» Jeano war verärgert. «Wenn du so weiter machst, dauert es nicht mehr lange bis zu deiner zweiten Scheidung», drohte er. Therese blieb fest. Sie weinte und betete viel für ihren Mann. Sie wünschte sich so sehr, dass auch er Jesus als Retter erleben könnte. Ihr Umgang mit Jeano hinterliess Spuren. «Ich fiel ihm nicht mehr immer ins Wort. Früher war ich frech. Ich liess ihn nicht ausreden, hatte immer das letzte Wort. Nun lernte ich von der Bibel. Ich begann meinen Mann zu achten und seine Meinung zu respektieren.» Die Veränderungen seiner Frau gingen nicht spurlos an Jeano vorbei. Aber er blieb kritisch. Manchmal begleitete er Therese dennoch in den Gottesdienst. Es dauerte ein Jahr, dann entschied sich auch Jeano für ein Leben mit Gott. «Jeano war schon immer ein guter Mensch. Er hätte eigentlich keine Umkehr gebraucht. Aber er merkte, dass auch er ohne Gott das wirkliche Leben verpassen würde.» frieden. Bei meinem Besuch im Coiffeursalon an der Friedensgasse 1 spürte ich den Frieden, den die beiden gefunden haben. «Das Leben ist nicht einfacher geworden. Manchmal sogar schwerer, weil uns die Welt nicht mehr so gleichgültig ist. Menschen und ihre Sorgen beschäftigen uns mehr als früher. Aber Gottes Gegenwart gibt uns Kraft und macht uns froh.» Therese erzählt mir, wie sie gelernt hat in jeder Situation mit Gott zu rechnen. «Das ist so anders als in der Esoterik. Ich muss nicht warten, bis ich Zeit und Ruhe zum Meditieren finde. Ich kann immer und überall mit Jesus reden. Er ist da wo ich bin.» - Eine Kundin will zahlen. Das Telefon klingelt. Ich bekomme noch einen Kaffee und einen Haarschnitt. Im Salon wird fleissig gearbeitet. Aber Hektik kommt keine auf. Er ist eine kleine Oase in der stressigen Stadt. Zum Dossier: www.depression.jesus.ch
Therese Krieg
Therese Krieg war 27 Jahre lang Einkäuferin und Geschäftsführerin einer Kleiderboutique. Seit März 1999 ist sie die gute Seele im Coiffeursalon Jeano. Dekoration, Empfang, Kasse und viele kleine Dienstleistungen für die elf MitarbeiterInnen und Lehrlinge gehören zu ihrem Alltag. «Manchmal setze ich mich zu einer Kundin und höre zu. Oft geht es nicht nur ums Wetter, sondern um wichtige Fragen des Lebens.»
Therese und Jeano
Haara waschen
Frisierköpfe
telefonieren
Jeano

Datum: 09.12.2004
Autor: Hans Ueli Beereuter
Quelle: Bordzeitung - Texte zum Leben

Verwandte News
Werbung
Werbung
Livenet Service