Von der Wüstenzeit einer jungen Frau

Dialog mit einem Seelsorger

Sie ist geistlich an einem Tiefpunkt angelangt, schlicht ausgepowert. Wie weiter? Ein Dialog zwischen Eva H. und dem Seelsorger Ernst Gassmann.
Wüste

Eva H. zu ihrer Situation: Mit 7 Jahren habe ich mich bewusst für Jesus entschieden. Die Teenagerjahre waren zweifellos die Blütezeit in meinem Christsein. Ich litt zwar unter einer körperlichen Einschränkung, aber meine Beziehung zu Gott wurde dadurch gestärkt. Ich arbeitete früh als Leiterin in der Jugendgruppe mit, das Vorbereiten von Andachten forderte mein geistliches Leben heraus, liess mich wachsen. Ich lebte und brannte für Jesus. Heute ist mein Christsein an einem Tiefpunkt angelangt! Ich bin verheiratet, habe Kinder - ich schaffe es einfach nicht, täglich in der Bibel zu lesen! Die Predigten, die ich höre, fordern mich nicht heraus, sie scheinen mir oberflächlich, nirgends kann ich auftanken!

Ernst Gassmann: Eva, du scheinst in einer Wüstenzeit zu stecken. Kannst du sagen, wann diese angefangen hat?

Eva H.: Ich denke, dass es schon in der Kleinkindphase meines Mutterseins angefangen hat. Aber richtig realisiert, dass ich mich geistlich ausgepowert, unterernährt fühle, habe ich erst nach unserem Umzug.

Ernst Gassmann: Ihr seid als Familie vor kurzer Zeit umgezogen?

Eva H.: Ja. Mein Mann hat eine neue Arbeitsstelle angetreten.

Ernst Gassmann: Ein Umzug ist ein ganz massiver Einschnitt im Leben eines Menschen. Umzug bedeutet Entwurzelung. Das aufgebaute Beziehungsnetz, das geistlich nährt, geht verloren. In deinem Fall, Eva, wurdest du durch den Wechsel der Gemeinde auch geistlich entwurzelt. Neue Wurzeln fassen braucht Zeit, neue Vertrautheit muss erst wachsen... Eva, was tust du, um die Beziehung zu Gott zu pflegen?

Eva H.: Ich versuche immer wieder, Stille Zeit zu machen, finde aber im Moment nur schwer Raum dafür. Ich höre manchmal Predigt- oder auch Vortragskassetten. Mit meinem Mann bete ich.

Ernst Gassmann: Ist meine Annahme richtig, dass du deine geistliche Nahrung fast ausschliesslich aus der Stillen Zeit und aus der Predigt erwartest?

Eva H: Eigentlich schon vor allem.

Ernst Gassmann: Eva, mir scheint, dass du unter einem gewissen geistlichen Druck stehst. Du teilst dein Leben in verschiedene Bereiche auf. Das Leben und die Beziehung zu Gott sind aber als eine Einheit zu verstehen. Gerade Frauen haben einen besondern Zugang zu einer Alltagsspiritualität. Sind deine Gedanken bei der Hausarbeit oder im Garten auch bei Gott oder in der Fürbitte, so pflegst du deine Beziehung zu Gott. So machst du den Alltag zum Gottesdienstraum.

Eva H.: Aber reicht das? Nage ich da geistlich nicht am Hungertuch?

Ernst Gassmann: Wenn du deinen Blick nur auf Gottesdienst und Bibellesen fixierst, nur dort Nahrung erwartest, dann lebst du wahrscheinlich jetzt verständlicherweise in der Wüste. Richte deine Augen auf andere Oasen: Auch das Bibellesen mit den Kindern, von dem du mir erzähltest, nährt dich doch. Du darfst nicht vergessen, dass sich die Art, wie wir unsere Beziehung zu Gott pflegen, im Laufe unseres Lebens verändert. Bedingt auch durch äussere Vorgaben, wie Kleinkindphase, extreme berufliche Belastung etc. Erwarte in der Gemeinde nicht nur Wort Gottes von der Kanzel - du gehörst zum Leib, und Gemeindeglieder ermutigen sich durch Begegnung und Gespräche auch gegenseitig.

Eva H.: Danke, eine solche Blickrichtung entlastet - Oase in Sicht!

Zusammenstellung: Helena Gysin

Datum: 22.04.2004
Quelle: Chrischona Magazin

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