Medienexperte

Eltern müssen sich mehr Zeit nehmen

Der amerikanische Medienwissenschafter Ted Baehr ist mehr denn je überzeugt: Die Medien haben Einfluss auf die Gesellschaft, im Besonderen auf die Heranwachsenden. Und es ist ein grosser Fehler, wenn Eltern sich nicht über die Medienwirkung kundig machen und ihre Kinder auf diesem entscheidenden Gebiet kompetent begleiten.
Ted Baehr

Professor Ted Baehr sprach sprach am Montag auf Einladung der Schweizerischen Stiftung für die Familie (SSF) im Konferenzgebäude der UBS in Zürich. Dabei formulierte er folgende Grundthesen, die er mit neueren und ältern Studien unterlegte:

- Ein überwältigender Anteil der Medienwissenschafter unterstützt die Einsicht, dass Medien einen Einfluss auf die Jugend haben, zum Beispiel auf ihre Gewaltbereitschaft. Zahlreiche Gewaltakte wurden sogar direkt einzelnen Filmen oder Videos abgeschaut.

- Der Medienkonsum nimmt heute den ersten Platz bei der Beschäftigung der Jugend ein, mit 70 Prozent in den USA liegt er weit vor dem Anteil der Schule oder gar der Eltern.

- Die meisten Eltern überlassen ihre Kinder diesem Einfluss, weil sie zeitlich oder fachlich überfordert sind, ihre Kinder beim Medienkonsum zu begleiten und sie im Umgang damit anzuleiten.

- Der massive Zerfall von Moralvorstellungen, der sich in Gewalt, Raub und Erpressungen unter Jugendlichen manifestiert, steht in einem direkten Zusammenhang zu den Inhalten schlechter zeitgenössischer Filme, Videos und anderer Medienprodukte wie Games oder Handy-Pornografie und so weiter.

Gegensteuer geben mit Doppelstrategie

Ted Baehr hat eine zweifache Strategie gegen diese Entwicklung entworfen. Erstens hat der Medienwissenschafter in Hollywood die „Christliche Film- und TV-Kommission“ gegründet, die die Produktionen aufmerksam verfolgt, sie bei Erscheinen bewertet und die Resultate einem Millionenpublikum zugänglich macht. Zudem rechnet Baehr, der in einer jährlichen Gala den Teddy Baehr für die 10 besten Filme verleiht, den Produzenten vor, dass sie am erfolgreichsten sind, wenn sie gute Familienfilme mit christlichen Werten produzieren. Denn diese erreichen am meisten Zuschauer – seit Jahren. 2006 hatten zum Beispiel nach seinen Untersuchungen 95 Prozent der 21 besten Filme weltweit christliche Inhalte. Baehr räumte ein, dass in Europa dieser Wert etwas tiefer liegen dürfte.

Entwicklung der Kinder berücksichtigen

Zweitens hat Baehr den Movieguide geschaffen, ein Ausbildungsprogramm, das Eltern anleitet, ihre Kinder entsprechend ihrem Entwicklungsstand mit Medien vertraut zu machen und sie anzuleiten, die Inhalte der Filme, zum Beispiel den Charakter der Helden, zu verstehen und zu beurteilen. Sie sollen damit befähigt werden, selbst eine gute Auswahl zu treffen und gegenüber schlechten Produkten kritisch zu sein. Der Movieguide wird demnächst auch auf Deutsch unter www.movieguide.de abrufbar sein.

Das Problem: Laut Untersuchungen in den USA hat der Grossteil der Eltern durchschnittlich nur zwei Minuten Zeit pro Tag, um sich mit ihrem Nachwuchs auseinander zusetzen. Ein grosser Fehler, findet Ted Baehr. Das Problem dahinter: Den meisten fehlen grundlegende Erziehungskenntnisse. Viele tolerieren fast alles, andere schwanken zwischen Strenge und Tolerieren. Die wenigsten begleiten ihre Kinder echt.

Mal den Fernseher ausschalten

Baehr: Viele Eltern sollten einmal den Fernseher ausschalten, um wieder mal Kontakt zu ihren Kindern zu haben und mit ihnen sprechen zu können. Wer seine Kinder wirklich liebe, nehme sich die Zeit, um sie zu befähigen, sich kritisch mit den Medien auseinander zusetzen und dafür Kompetenzen zu entwickeln. Sie sollen zum Beispiel lernen, zu jedem Film die richtigen Fragen zu stellen. Dazu gehöre aber auch, dass liebende Eltern auch mal Nein sagen. Sie müssten zum Beispiel „die Lüge brechen, dass alle andern auch schlechte Filme sehen dürfen.“

Dass Eltern den Einfluss der audiovisuellen Medien in den Griff bekommen müssten, liege nicht nur an ihrem hohen Einfluss – „die Medien sind die eigentlichen Lehrer unserer Kinder“ – sondern auch daran, dass gerade das Bild eine viel grössere Wirkung als das Wort entfalte. Die Bilder verdrängten zum Beispiel angelernte moralische Prinzipien wie die 10 Gebote. Die Vorbildwirkung medialer Produkte könne so weit gehen, dass Jugendliche ein realitätsfremdes Weltbild entwickelten.

Verlorenes Unrechtsbewusstsein

Baehr wies auch darauf hin, dass ein zunehmender Anteil an kriminellen Taten in modernen Produktionen nicht mehr gesühnt oder bestraft werde. Dies habe das Rechtsbewusstsein vieler Heranwachsender nachhaltig beschädigt. Eine Beobachtung, die auch Rolf Stucker, Leiter des Jugenddienstes der Stadtpolizei Zürich macht, der am gleichen Abend über die aktuelle Jugendgewalt referierte. Jugendliche, vor allem in Gruppen, gingen mit viel grösserer Brutalität gegen Gleichaltrige und auch Erwachsene vor, zeigten danach aber keine Reue und kein Unrechtsbewusstsein.

Die Antwort: Echte Liebe statt falsche Toleranz

Ted Baehr sieht eigentlich nur eine Möglichkeit, die Entwicklung umzukehren, und er rief das Publikum leidenschaftlich zum Anpacken auf: „Mein Credo lautet: Dort wo sich das Gute zurückzieht, nimmt das Böse überhand, und dort müssen wir aktiv werden.“ Die meisten Menschen wollen laut Baehrs Erfahrung gute Werte, „aber sie stehen dafür nicht auf“. Er appelliert daher an die europäischen Eltern, Netzwerke von Menschen zu bilden, „die das Gute für die nachkommende Generation wollen“. Dies könnte zum Beispiel eine Medien-Erziehungsoffensive bedeuten. Baehr: „Liebe ist die Antwort – nicht das Tolerieren“! Es gelte, auch in der Filmwelt wieder die biblische Einsicht aufzurichten: „Der Star ist der, der andere Menschen lehrt, was gut und recht ist.“

Mehr zu Ted Baehr: Christen engagieren sich in Hollywood

Quelle: SSF/im.

Datum: 16.05.2007

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