Kommunikation

Ich habe immer geschwiegen!

„Ich halte es nicht mehr aus!“, sagte sie am Telefon, als sie sich bei uns mit ihrem Ehemann zu einem Gespräch anmeldete. „Über zwanzig Jahre lang habe ich immer geschwiegen. Nun kann ich nicht mehr!“
Was wäre denn wohl
Beraten Paare miteinander: Ruth und Reinhard Egg.

Es war ein ganz normales Ehepaar, das uns gegenüber sass: Fred, 47 Jahre alt, leitender Angestellter in einer Elektrogerätefirma. Hanna, 45 Jahre alt, ausgebildete Pflegefachfrau, aber seit der Geburt ihres dritten Kindes vor 15 Jahren nicht mehr berufstätig. Drei Söhne und eine Tochter vervollständigen die Familie, die seit über zehn Jahren in einer Einfamilienhaus-Siedlung am Rande des Dorfes wohnt. Sie sind aktive Glieder der freikirchlichen Gemeinde im Nachbardorf, der Ehemann sogar Mitglied der Gemeindeleitung. So spielt der Glaube an Jesus Christus eine wichtige Rolle im Leben der Familie, und die Pflege der Gemeinschaft im Hauskreis ist den beiden ebenso ein Anliegen wie das gemeinsame Gebet vor dem Essen.

„Es mag sein, dass wir von aussen wie eine vorbildliche christliche Familie wirken“, sagte Hanna, „aber so stimmt es für mich einfach nicht mehr.“

In der Ehe schweigen…

Acht Jahre sind es her, seit die Gemeinde während eines Monats einen Gast beherbergte, der in Rumänien als Prediger wirkte. Fred hatte angeboten, dass der Gast während dieses Monats im Gastzimmer im Haus der Familie wohnen konnte, ein Angebot, das hauptsächlich für Hanna einige Mehrarbeit neben den vier Kindern bedeutete „aber das war eine Möglichkeit, wie wir unserer neuen Gemeinde dienen konnten“ (Hanna). Der Kontakt zwischen den beiden Gemeinden vertiefte sich, und vor sechs Jahren kam Fred von einer Gemeindeleitungs-Sitzung nach Hause und überraschte seine Frau mit der Nachricht, er sei zum Verantwortlichen für die Unterstützung der rumänischen Gemeinde gewählt worden. Hanna heute: „Ich konnte mir vorstellen, dass damit einiges an Arbeit auf mich zukommen würde, denn wo sollte Fred neben seinen übrigen Verpflichtungen im Beruf und in der Gemeinde noch Zeit für diese neue Aufgabe hernehmen? Aber ich sagte nichts – das war ein Fehler.“

…und aneinander vorbeireden

Ein Fehler, den Hanna im Laufe der zwanzig Ehejahre immer wieder beging. „Fred arbeitete ja so viel, und das tat er ja auch für unsere Familie, da wollte ich ihn nicht mit meinen Bedürfnissen noch zusätzlich belasten.“

„Was wäre denn wohl geschehen, wenn Sie Ihre Bedenken Ihrem Mann gegenüber zum Ausdruck gebracht hätten?“, fragten wir. „Das habe ich einige Male versucht“, antwortete Hanna, „aber Fred hatte dann immer sehr gute Argumente, denen ich nichts entgegenhalten konnte. Und ausserdem“, fügte sie hinzu, „müssen Sie wissen, dass ich in meiner Kindheit von meiner Mutter gelernt hatte, dass es in der Bibel heisse, die Frau solle sich dem Manne unterordnen. Für sie war dies selbstverständlich. Ich habe also eigentlich nicht gelernt, mich und was mir wichtig war einzubringen.“

Fred hatte bisher nur zugehört. Nun schaltete er sich ein und sagte: „Aber, Liebstes, wir haben doch immer über unsere verschiedenen Aufgaben miteinander geredet, und ich habe dich doch immer wieder gefragt, ob es dir nicht zu viel werde!“ – „Du hast geredet, das stimmt“, antwortete Hanna, „aber auf meine Bedenken bist du kaum je eingetreten.“ Freds Stimme verriet seine Betroffenheit: „Das habe ich so gar nicht gemerkt. Warum hast du dich denn nicht gewehrt?“

Kommunikation: Das Gemeinsame im Gespräch pflegen

Was Hanna und Fred soeben erzählt haben, erleben zahlreiche Ehepaare: Nicht, dass man nicht miteinander redet, aber das Miteinander-Reden ist noch keine eigentliche Kommunikation. Denn der Begriff „Kommunikation“ stammt vom lateinischen Wort „communicatio“ her, was auf Deutsch „Gemeinsamkeit“ heisst. Kommunikation in der Ehe bedeutet also die Pflege der Gemeinsamkeit im Gespräch.

Diese Gemeinsamkeit entsteht nicht von selbst. Sie muss immer wieder bewusst gesucht und gepflegt werden. Wie schwierig dies sein kann, zeigt die Ehe von Fred und Hanna. Dass die beiden sich in Liebe zugetan sind, daran besteht weder für ihn noch für sie der geringste Zweifel. Echte Kommunikation aber entsteht nur, wenn beide Partner sich im Wissen um ihre Gleichwertigkeit selbst einbringen und sich gegenseitig bewusst wahrnehmen.

Konkret heisst dies: Nicht nur Hanna muss liebevoll und nachdrücklich darauf achten, dass Fred ihre Fragen und Anliegen ernst nimmt und damit in seine Überlegungen einschliesst, sondern auch Fred ist verpflichtet, einfühlsam abzuklären, wie seine Frau zu seinen Vorschlägen steht und sich dies durch Rückfragen regelmässig bestätigen zu lassen.

Diese Gesprächsregeln ermöglichen Kommunikation

Fred und Hanna wollten von ihrem bisherigen Zu-Einander-Reden zu einer echten Kommunikation kommen, die auch den liebevollen und achtungsvollen Gefühlen entsprach, die sie für einander hatten. Wir versicherten sie, dass dies eingeübt werden kann und gaben ihnen folgende fünf Gesprächsregeln mit:

1. Sprich von deinen Gefühlen und Gedanken! (sogenannte „ICH-Botschaften“)
2. Äussere deine Bedürfnisse, beziehe eine Position!
3. Höre aufmerksam zu und versuche, die Sicht des andern zu verstehen!
4. Frage nach, um Missverständnisse zu vermeiden! („Habe ich das so richtig verstanden?“)
5. Gib dem andern das Gefühl, dass es dir ernst ist und er auch ernst genommen wird!

Dass diese bewusste Veränderung des Miteinander-Umgehens nach zwanzig Ehejahren nicht von einem Tag auf den andern erfolgen konnte, wurde Fred und Hanna bald klar. In den folgenden Gesprächen, die wir mit ihnen führten, ging es um die praktische Umsetzung dieser Regeln.

Die Veränderungen, die sich in ihrer Kommunikation ergaben, machen den beiden Mut, weiter daran zu arbeiten.

Literaturtipps:
Gary Chapman, Die fünf Sprachen der Liebe , Verlag Francke
Marshall B. Rosenberg, Gewaltfreie Kommunikation , Verlag Junfermann
Bill und Pam Farrel, Männer sind wie Waffeln, Frauen sind wie Spaghetti , Verlag Brockhaus

Autoren: Reinhard H. und Ruth Egg. Das Ehepaar führt eine biblisch-therapeutische Seelsorge-Praxis

Datum: 04.12.2007
Quelle: Jesus.ch

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