Grossverteiler kooperieren

Genug gepresst: Palmöl-Produktion «unter Druck»

Palmöl hier, Palmöl dort – in einer globalen Welt, wo das Zusammenspiel von Produktion und Konsum ausländischer Artikel nachvollziehbar ist, wird dennoch Individualismus und Eigennutz grossgeschrieben. Aber was hat es nun mit dem Palmöl genau auf sich, weshalb ist dieses Schmiermittel zum Inbegriff bösartiger Produkte geworden?
Die Palmölproduktion führt nicht nur zur Rodung von Regenwald, sie verschmutzt auch die Luft: Palmölfabrik auf der indonesischen Insel Kalimantan
Die Ölpalme stammt aus Westafrika und wird dort traditionell angebaut: Palmölernte in Kamerun
Palmöl richtet in den Anbauländern grossen Schaden an: Industrielle Plantage in Indonesien
In Indonesien wird Palmöl auf riesigen Flächen in Monokulturen angebaut

In der Seife steckt es genauso wie im Bio-Diesel und haufenweise anderen Dingen des Alltags. Nun konnten Christliche Hilfswerke und Pro Natura zusammen Coop und Aldi zu einer Reduktion des äusserst umweltschädigenden Palmölverbrauchs bewegen. Ob auch andere Grossverteiler nachziehen und wie die Zukunft aussieht, erklärte Tina Goethe von «Brot für alle» gegenüber Livenet.

Livenet: Was wurde genau bei den zwei Grossverteilern erreicht?
Tina Goethe:
2017 hat Brot für alle gemeinsam mit Fastenopfer und Pro Natura eine Petition lanciert, die die Schweizer Grossverteiler dazu auffordert, ihren Palmölverbrauch um die Hälfte zu senken. Anlässlich der Übergabe der 12'500 Unterschriften haben wir im Frühjahr 2018 mit fünf Grossverteilern ausführliche Gespräche über unsere Forderungen geführt und dargelegt, warum das Label des RSPO ungenügend ist und nicht zu wirklicher Nachhaltigkeit in der Palmölproduktion führt.

Coop verwies dabei explizit darauf, dass das RSPO Label nicht mehr ausreicht. Für das weiterhin benötigte Palmöl wird Coop daher komplett auf Bio- und FairTrade Palmöl umstellen, auch für konventionelle Produkte. Dafür ist das Unternehmen gemeinsam mit dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau Fibl und BioSuisse daran, entsprechende Standards zu entwickeln, die auch soziale Aspekte berücksichtigen sollen. In einem informellen Gespräch hat Coop verlauten lassen, dass sie schlussendlich in Zukunft tatsächlich nur noch halb so viel Palmöl in ihren Lebensmittelprodukten einsetzen werden.

Aldi Suisse will das Öl in ihren Eigenmarken reduzieren und schreibt in ihrer Juni 2018 aktualisierten Palmölpolitik, bis Ende 2018 alle Bioprodukte palmölfrei anzubieten.

Sind auch andere Grossverteiler in Verhandlungen involviert?
Leider haben sich unseres Wissens nach weder Migros noch Denner oder Lidl dazu bewegen lassen, ihren Palmölverbrauch zu reduzieren. Sie setzen nach wie vor auf RSPO zertifiziertes Palmöl, das jedoch keines der gravierenden Probleme vor Ort lösen kann und lediglich Augenwischerei ist.

Weshalb ist gerade die Palmöl-Thematik so priorisiert, in all der Fülle von Problemen?
Palmöl ist das wichtigste Pflanzenöl weltweit. Die Nachfrage nach dem billigen Pflanzenöl wächst ungebrochen, sowohl für die Produktion industriell gefertigter Nahrungsmittel wie auch – vor allem in EU Ländern – für die Produktion von Biodiesel. Die Produktion wird von grossen internationalen Konzernen kontrolliert. Für die Monokultur-Plantagen werden ganze Dorfgemeinschaften in tropischen Ländern wie Indonesien, Nigeria oder Sierra Leone von ihrem Land vertrieben. Dörfer werden zerstört und riesige Flächen tropischer Wälder abgeholzt. Den Menschen bleibt kaum noch Land, um Lebensmittel zu produzieren. Der Einsatz von Pestiziden verschmutzt das Trinkwasser. Für die Rodung eingesetzte Waldbrände sowie die Zerstörung von Torfböden führen zu hohen CO2-Emissionen und verursachen damit auch einen immensen Schaden für das Klima.

Was ist weiter im Gange; nächste Ziele, Schritte, die angepeilt werden?
Am Montag, den 27. Mai hat «Brot für alle» als Teil einer Koalition von zehn internationalen NGOs eine Klage eingereicht. Dabei geht es um die OECD-Beschwerde in einem Fall von Landraub und anderen gravierenden Menschenrechtsverletzungen auf einer Palmölplantage der Socfin-Tochter Socapalm in Kamerun.

Nach der Beschwerde an den französischen OECD-Kontaktpunkt hatte die Bolloré-Gruppe eingewilligt, einen mit den betroffenen Gemeinschaften 2013 vereinbarten Aktionsplan umzusetzen, dies aber nie getan. Mit der Klage vor einem französischen Gericht wollen die NGOs den Mischkonzern nun zwingen, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Auch dieser Fall zeigt auf, dass unverbindliche Verfahren wie die OECD-Beschwerden wenig nützen, wenn keine Grundlagen bestehen, um die Einhaltung von Menschenrechten gesetzlich einzufordern.

Zahlen und Fakten (von «Brot für alle»)

Ein Öl für viele Zwecke

  • 1) Palmöl ist das bedeutendste Pflanzenöl weltweit: Mehr als ein Drittel des global produzierten Pflanzenöls stammt von Ölpalmen.
  • 2) Palmöl boomt wie kein anderes: 2001 wurden weltweit 25,6 Millionen Tonnen Palmöl produziert – im Jahr 2015 waren es bereits 60 Millionen Tonnen.
  • 3) Vom Shampoo zur Kerze bis zur Schokolade: In jedem zweiten Produkt, das wir heute im Supermarkt kaufen, hat es Palmöl.
  • 4) Indonesien verfügt nach Brasilien und dem Kongobecken über die weltweit grössten Regenwälder. 10 bis 15 Prozent aller bekannten Arten an Pflanzen, Säugetieren und Vögeln leben dort.

Weitere Informationen:

Bericht von «Brot für alle»
Palmöl in Indonesien

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Datum: 06.06.2019
Autor: Roland Streit
Quelle: Livenet

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