Glaube an Gott = engstirnige Rechthaberei?

Christen glauben an einen Gott, der sich in drei Personen offenbart: Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Ulrich Beck

„Gott ist gefährlich“: Das behauptet neben anderen der bekannte deutsche Soziologe Ulrich Beck. Religion habe stets einen „totalitären Kern“. Stimmt das?

Abschätzig spricht der Bestseller-Autor Ulrich Beck von den Drei-Tage-Christen, die zu Weihnachten, Ostern und Pfingsten die Kirchen füllen, um Religiöses zu konsumieren. Die Feierlichkeit könne nicht über die Schattenseiten hinwegtäuschen: „Aller Humanität der Religion wohnt eine totalitäre Versuchung inne“. So innig der Glaube Menschen verbinde, so tief sei anderseits der Abgrund, den jede Religion zwischen Glaubenden und Ungläubigen (oder Andersgläubigen) aufreisse, meint Beck in einem Essay, den die Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“ zu Weihnachten abdruckte.

Brücke für alle

Der Soziologe kann wie jeder gebildete Zeitgenosse die Berichte der Bibel über Jesus lesen. Der Mann aus Nazareth baute Juden und Nichtjuden Brücken zum Glauben, ohne religiöse Unterschiede zwischen den Völkern auszublenden (1). Und wenn Beck im Neuen Testament weiterblättert, wenn er die Briefe des Apostels Paulus überfliegt, mag sein Blick hängen bleiben an Sätzen, die für die Weltgeschichte eine enorme Bedeutung gewannen – überall dort, wo Christen sie praktizierten: „Ihr alle, die ihr auf Christus getauft wurdet, habt Christus angezogen. Da ist weder Jude noch Grieche, da ist weder Sklave noch Freier, da ist nicht Mann und Frau. Denn ihr seid alle eins in Christus Jesus“ (2).

Die einzigartige Bindekraft von Religionen kann Beck nicht bestreiten; so kritisiert er das in der Tat unheimliche Ausgrenzungspotenzial. Er behauptet, dass jede Religion jene, die ihr nicht angehören, verteufelt. Aus der Geschichte des Christentums könnte er ohne Mühe diverse Belege anführen. Dazu kommen die aktuellen radikalen Strömungen: Islamisten, fanatische Hindus, intolerante Buddhisten auf Sri Lanka.

Religionen verbinden nicht gleich

Doch wird beim näheren Hinsehen deutlich, dass man die Religionen wegen ihrer Verschiedenheit nicht über einen Leisten schlagen kann: Sie binden Menschen nicht in gleicher Weise zusammen. Für den Hindu ist sein Lebensgesetz (Dharma) in einer bestimmten Kaste mit seiner Geburt vorgegeben. Christen wissen sich von Gott geliebt und angenommen, unabhängig davon, was sie einst waren oder verübt haben (3).

Drei in einem: unbeschreiblich

Christen glauben an einen Gott, der sich in drei Personen offenbart: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Gott ist in sich Beziehung; er lebt und wirkt in einem unbeschreiblich vollkommenen Austausch zwischen den drei Personen. Menschen werden eingeladen, daran Anteil zu bekommen. „Ich bitte, dass sie alle eins seien, so wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, damit auch sie in uns seien…“: Als Jesus diese Worte betete (4), hatte er Gemeinschaft vor Augen, die einlädt und einschliesst, nicht ausgrenzt und ausschliesst. Dieser Grundzug des Christentums ist bei aller Trennung und Spaltung, die es zwischen Kirchen gibt, festzuhalten.

Demütiger Diener der Menschen

Dazu kommt, dass Jesus sich als Diener der Menschen verstand. Diakonia (das griechische Wort für den Dienst zu Tische) wurde für den Apostel Paulus zum Oberbegriff, wenn er seine Tätigkeit beschrieb (5). Für Paulus war klar – auch wenn er mit seiner Botschaft Christus als den Auferstandenen verkündigte, der nun über allen Mächten und allen Herren stand: Es geht nicht darum, mit Religion oder mit religiösem Anspruch zu herrschen, sondern durch die Verbindung mit Christus Glaube, Liebe und Hoffnung ins Leben der Menschen zu bringen (6).

Den Kern entdecken

Christen wie Juden wissen, dass man sich kein Bild von Gott machen darf (7). Man kann den Gott der Bibel nicht für seine Machtphantasien einspannen. Er ist immer grösser als was Menschen sich von ihm vorstellen.

Das Christentum lebt vom Kern her – und dieser Kern ist immer neu zu entdecken. Paulus schrieb von der Liebe (8): „Die Liebe hat den langen Atem, gütig ist die Liebe, sie eifert nicht. Die Liebe prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf, sie ist nicht taktlos, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht zum Zorn reizen, sie rechnet das Böse nicht zu… Sie trägt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie erduldet alles.“

Nicht jedermanns Sache

So entschieden Paulus den Menschen sagte, dass Jesus Christus über allen Herren dieser Welt steht, so weit weg war er von engstirniger Rechthaberei. Das lässt sich an seinen Briefen ablesen. Er fand sich damit ab, dass nicht alle nach seiner Pfeife tanzten (9). In manchen Fragen konnte man unterschiedlicher Meinung sein; das gehörte zum Leben (10). Paulus mühte sich ab, seine Hörer vom Evangelium – Jesus rettet alle, die an ihm als Retter vertrauen und ihm ihr Leben hingeben – zu überzeugen, damit sie sich in der Gemeinschaft der Gläubigen entfalten könnten und anderen dienen würden. Zugleich wusste er (11): „Der Glaube ist nicht jedermanns Sache“.

(1) Die Bibel, Matthäus, Kapitel 15, Verse 21-28; Johannes 4, 4-26; Johannes 19,33-38. Es fällt auf, dass manche Nichtjuden unbefangener auf Jesus reagierten als traditionsbewusste und fromme Juden.
(2) Brief an die Galater 3,27-28
(3) 1. Brief an die Korinther 6,9-11
(4) Johannes 17,21
(5) Dienst von Jesus bis zur Hingabe des Lebens: Markus 10,45. Dienst der Versöhnung: 2. Brief an die Korinther 5,18; vgl. 1. Brief an Timotheus 1,12
(6) 2. Brief an die Korinther 1,24
(7) 2. Mose 20,4 – das Zweite Gebot.
(8) 1. Brief an die Korinther, 13,4-7
(9) 1. Brief an die Korinther 3,5-9
(10) 2. Brief an die Korinther 8,10
(11) 2. Brief an die Thessalonicher 3,2

Datum: 15.02.2008
Autor: Peter Schmid
Quelle: Jesus.ch

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