Nachhaltigkeit - Der Nachholbedarf der Christen

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Die Erhaltung der Umwelt ist für die weitere Existenz der Menschheit ein zentrales Anliegen. Zwar befasst sich die WHO und UNO intensiv mit diesem Thema, doch mit der Umsetzung im täglichen Leben happert es. Wie stellen Christen sich dazu? Haben die heutigen Umweltprobleme wirklich nichts mit dem Evangelium zu tun?

Der Erhalt der Schöpfung erscheint vielen Christen eher unwichtig. Anders ist es nicht erklärbar, wie unbekümmert sie mit dem Auto herumfahren, Flugreisen unternehmen und energieintensive Vergnügungen konsumieren. In den USA hat mit der Wahl von Präsident Bush, welcher sich zu christlichen Werten bekennt, dieser Raubzug auf Gottes Schöpfung einen neuen Höhepunkt erfahren. Warum verhalten sich viele Christen so wenig schöpfungsorientiert?

Eine Antwort mag darin liegen, dass uns die Bibel nur minimale Aufforderungen zum Schutz und Bewahren der Schöpfung (1 Mo 1,28) gibt. In Römer 8,19.22 schreibt Paulus wohl davon, dass die Schöpfung unter der Sünde leidet und auf die völlige Wiederherstellung durch Jesus Christus wartet. Ein Aufruf an die Jünger Jesu zu einem schöpfungsgerechten Lebensstil fehlt aber weitgehend, was damals auch überflüssig gewesen wäre.

Solange wir uns nur mit den direkten Aussagen der Bibel zur Schöpfung befassen, werden wir uns weiterhin den weltweiten schweren Umweltproblemen entziehen. Sobald wir allerdings erkennen, dass Umweltprobleme letztlich soziale Probleme sind, bekommt das Thema brennende biblische Aktualität.

Entwicklungsnöte

Wenn wir in einem Entwicklungs- oder Schwellenland eintreffen, raubt uns zuerst das Verkehrschaos den Atem. Das grosse Gedränge der vielen, meist schlecht geschützten Verkehrsteilnehmer weckt in uns Angst vor Unfällen und Verletzungen - zu Recht, denn der Verkehr fordert einen hohen Blutzoll, in indischen Millionenstädten drei bis sechs Todesopfer pro Tag! Hinzu kommen Lärm und Luftverschmutzung, die schwere Gesundheitsschäden bei Mensch und Tier verursachen.

Neben dem Verkehr fällt die allgegenwärtige Armut auf. An Rotlicht-Ampeln warten in Lumpen gehüllte, verkrüppelte Menschen mit flehenden Blicken, die Autofahrer um eine Gabe bittend. Viele haben kein Bett oder Haus, in welches sie sich zurückziehen könnten. Das kleine Einkommen - gemäss UNO gilt ein Einkommen von weniger als einem Dollar pro Tag als Armutsgrenze - setzt diese Menschen buchstäblich in die modernen Grossstädte aus: Kein Schutz vor dem gefährlichen Verkehr, kein Rückzug in eine stillere Umgebung, keine Ruhe oder Entspannung.

Wer der stinkenden Grossstadt eines Entwicklungslandes nicht entflieht, wird noch anderes feststellen: Wasser ist Mangelware. Falls Wasser gesichtet wird, ist es oft unansehnlich, stinkend und nicht trinkbar. Als westlicher Besucher kann man sich genügend Wasser in gewünschter Qualität kaufen, aber was macht die lokale Bevölkerung? Die schlechte Wasserverfügbarkeit führt zu vielen gesundheitlichen Problemen.

Die Reichen verseuchen, die Armen leiden

Meine Feststellung: Arme Menschen in Grossstädten sind vor allem durch Umweltprobleme drangsaliert: Lärm, giftige Luft, Gestank, Staub und Rauch, minimale Flora und Fauna, fehlende Landschaft, mangelndes Wasser, alles Umweltprobleme, die von Menschen verursacht sind. Es ist ungerecht, dass diejenigen, welche die grösste Umweltverschmutzung verursachen, am wenigsten davon betroffen sind. Wohlhabende Menschen konsumieren industrielle Güter, die in teilweise sehr schmutzigen Industrien produziert werden, während die Armen in den Abwassern derselben ihre Wäsche und sich selber waschen müssen! Diese Industrien produzieren auch für die reiche Schweiz. Wenn wir Güter made in China, made in India usw. kaufen, machen wir uns an solchen Verschmutzungen mitverantwortlich! Wo bleibt da die Gerechtigkeit? Barmherzigkeit und Gerechtigkeit, welche die Bibel so oft erwähnt, werden von Christen weder auf die Umwelt bezogen noch gelebt!

Stellen wir uns vor: Praktisch alle Gewässer sind stark gesundheitsschädlich, und dies in Ländern, wo Wasser ohnehin knapp ist und die wirtschaftliche Not vielen Menschen nur dieses ungesunde Wasser übrig lässt. Das Bewahren der Schöpfung bedeutet nicht nur den Erhalt einiger Tier- und Pflanzenarten, es geht um Leben und Tod von Menschen. Wir überlassen die Armen nicht nur dem Kampf um das Einkommen, sondern bürden ihnen auch noch den Schmutz der für uns produzierenden Industrien auf.

Auf dem Land ist Armut am ehesten mit unserer vorindustriellen Zeit vergleichbar. Man spricht da richtigerweise von Unterentwicklung. Umweltverschmutzungen sind hier meistens noch keine Ursache von Problemen. Aber das Leben ist hier derart beschwerlich und aussichtslos, dass viele Menschen in die Städte ziehen.

Entwicklung: nicht einseitig und nicht zu schnell

Kann eine zweckmässige Entwicklung diese Probleme lösen? Der Kurs "Technologie und nachhaltige Entwicklung", welchen ich während 4 Monaten in Südindien besuchte, brachte eine erste, sehr ernüchternde Erkenntnis: Entwicklung führt tendenziell zu weniger Nachhaltigkeit. Dies ist etwa am Ersatz der Jutetasche durch Plastiktaschen zu beobachten. Eine zweite Feststellung: Niemand möchte letztlich auf Entwicklung verzichten. Folglich ist entscheidend: Entwicklungen dürfen nicht einseitig (unvernetzt) und nicht zu schnell erfolgen. Also nicht so, wie heute Entwicklungen in liberalen Marktwirtschaften erfolgen. Bedürfnisse werden möglichst rasch und günstig mit einem Produkt abgedeckt. Falls nur schwache Gesetze und Regulierungen vorhanden sind, dabei ohne Rücksicht auf soziale und ökologische Ansprüche.

In einem Entwicklungsland wie Indien denkt eigentlich noch niemand ernsthaft an Umweltschutz. Im Gegenteil, zurzeit werden 3000 Autobahnkilometer geplant! Zudem gilt bis hinauf zu Professoren: Was der Westen hat, wollen wir auch. Doch eine schnelle und einseitige Entwicklung wird noch mehr Ungerechtigkeit, noch mehr soziale Not, noch mehr Belästigung durch Umweltverschmutzungen bringen. Aus meiner Sicht gibt es nur einen Ausweg aus der Sackgasse: einen Wertewandel. Dieser muss in den reichen Ländern und bei den wohlhabenden Menschen beginnen, insbesondere bei den Christen.

Sünden der Wohlstandsgesellschaft

Westler sind von einer dreifachen Illusion, verbunden mit einem Drang nach immer mehr, besessen:

Konsum: Ich bin glücklicher, je mehr ich konsumiere.
Mobilität: Ich bin glücklicher, je mehr Orte ich besuche.
Individualismus: Ich bin glücklicher, je mehr ich meine Zeit selbst gestalten kann.

Die Botschaften von mehr Konsum, mehr Mobilität und mehr Individualität sind tief in uns verankert und werden täglich genährt, durch unsere Freunde und Familienmitglieder sowie unsere eigenen Gedanken! Diese Botschaften sind aber keineswegs biblisch. Die Bibel beschreibt das Glück als die Liebe zu Gott Vater, zu Jesus Christus und zum Heiligen Geist. Und in der Liebe zum Nächsten. Wir verkürzen dieses zentrale erste Gebot auf das ... liebe dich selbst.

Es gilt, diese "Lügen" zu erkennen, bekennen und um Vergebung zu bitten. Wir müssen uns verändern lassen und lernen:

Weniger Konsum macht uns freier, wir haben mehr Zeit und werden kreativer. Sprechen wir mit unseren Freunden doch darüber, was wir in Gemeinschaft, beim Werken, Spielen und beim Sport oder in der Natur erleben, statt von unseren neusten Anschaffungen.
Vieles in der Nähe ist spannend und muss noch entdeckt werden. Weshalb sollten nur Ferien im Ausland wirklich Ferien sein?
Der Mensch ist für die Gemeinschaft geschaffen. Warum leben viele Christen so individualistisch und egozentrisch?
Mit meiner überschüssigen Kaufkraft kann ich wirkungsvoll Menschen in Entwicklungsländern helfen: mit dem Geld, das für ein Kind in der Schweiz aufgewendet wird, können 25-30 Kinder in Indien aufgezogen werden.
Qualität kaufen. Darauf achten, dass soziale und ökologische Kriterien bei der Herstellung erfüllt werden und dass das Produkt langlebig ist. Die indische Industrie kümmert sich vermehrt um Umweltverschmutzung, seit die Kunden im Westen das verlangen.
Oft stelle ich bei unseren Kindern fest, dass sie keinen Konsum suchen. Das Nahe, Ruhende und die Gemeinschaft mit Menschen und Tieren ist das Schönste für sie.
Als einfacher Massstab für mehr Umweltverträglichkeit lassen sich folgende Regeln anwenden:
- Transporte: wenige vor allem nur über kurze Distanzen und mit wenig Energie.
- Materialien: minimaler Aufwand bei Herstellung und Transport sowie gut biologisch abbaubare.
- Raum/Anlagen: wenig Heizenergie für Räume und Warmwasser sowie wenig Betriebsenergie.

Evangelisch ausgedrückt bedeutet es "Wertewandel": Ein neues Leben mit Jesus Christus beginnen. Zuerst aber müssen wir uns vom Mammon lossagen (Mt 6,24). Oder wollen wir Gottes Erwartung an unsere Liebe, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit weiterhin ignorieren und uns "Bequemerem" zuwenden? Sich vor der Verantwortung zu verstecken, hat sich bei Gott noch nie gelohnt (Mt 23,23).
Wie wäre es, wenn wir in unseren Gemeinden in kleinen Gruppen damit beginnen würden? Spannende Familiennachmittage im Wald gestalten, Tiere in einem Naturschutzgebiet beobachten, Baden im Moorsee, Mountain-Bike-Touren mit Freunden oder Nachbarn, gemeinsam etwas werken, Gastfreundschaft üben usw. Es gibt viele attraktive Möglichkeiten, das Evangelium ganzheitlich zu leben.

Leichte Überarbeitung durch Livenet.ch, Antoinette Lüchinger

Datum: 04.02.2003
Autor: Werner Hässig
Quelle: Bausteine/VBG

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