Schweizer Presserat: Satire zu religiösen Themen darf sein

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Interlaken. Auch gegenüber Kirchen und Glaubensüberzeugungen gilt die Freiheit von Kommentar und Kritik. Nach Ansicht des Schweizer Presserates sind satirische Beiträge zu religiösen Themen durchaus zulässig, "sofern sie nicht religiöse Symbole verunglimpfen und lächerlich machen oder die Gefühle von Gläubigen verletzen". Der Presserat wies eine Beschwerde der Reformierten Kirchen Bern-Jura über Beiträge in der jurassischen Tageszeitung "Journal du Jura" ab.

In der Satire-Rubrik "Impertinences" (Unverschämtheiten) erschienen Ende letzten Jahres im "Journal du Jura" (Biel/Bienne) zwei Beiträge zu religiösen Themen. Im ersten Text wollte der Autor mit einem Bibelzitat beweisen, dass nicht bloss der Islam, sondern auch Christentum und Judentum Gewalt rechtfertigen.

Der zweite Beitrag beklagte sich darüber, dass ausgerechnet an Weihnachten, dem Fest der Nächstenliebe, alleinstehende und einsame Menschen wegen der Schliessung eines grossen Teils der Geschäfte und öffentlichen Lokale allein gelassen würden.

Beide Beiträge hätten viele Angehörige des christlichen Glaubens verletzt, rügten die Reformierten Kirchen Bern-Jura in ihrer Beschwerde an den Schweizer Presserat; auch seien in den Texten unterschwellige antisemitische Formulierungen enthalten.

Keine berufsethischen Regeln verletzt

In seiner Abweisung der Beschwerde kommt der Presserat zum Schluss, dass die Kommentarfreiheit es durchaus erlaube, die Christen zur Hinterfragung ihrer eigenen, zum Teil gewalttätigen Tradition aufzufordern, bevor der Islam generell für die Terror-Attentate vom 11. September 2001 verantwortlich gemacht werde.

An der "Grenze des Zulässigen" hat sich nach Meinung des Presserates hingegen der zweite beanstandete Text bewegt. Er nehme nämlich "keine Rücksicht auf die besondere Sensibilität gläubiger Christen in der Weihnachtszeit". Andererseits meint der Presserat, dass Satire zu religiösen Themen verunmöglicht würde, wenn Medienschaffende "allzu weit auf die subjektive Betroffenheit Gläubiger Rücksicht nehmen" müssten. Das aber sei eine weit reichende Einschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit, die nicht hingenommen werden könne. Fazit: Auch beim zweiten Beitrag seien die berufsethischen Regeln nicht verletzt worden.

Der Schweizer Presserat steht dem Medienpublikum und auch den Medienschaffenden als "Beschwerdeinstanz für medienethische Fragen" zur Verfügung. Sein Sekretariat ist in Interlaken angesiedelt.

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Datum: 07.06.2002
Quelle: Kipa

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