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Spät in der Nacht sucht ein hoher Vertreter der Religionsbehörde den Kontakt mit Jesus. Was mag ihn dazu bewogen haben? Antworten darauf gibt Bernhard Ott in einem Interview in der Zeitschrift «Perspektiven».Perspektiven: Bernhard Ott, es ist anzunehmen, dass Nikodemus eher ein Intellektueller war, den es förmlich drängte, Jesus einige Verständnisfragen und vor allem auch theologische Fragen zu stellen. Trotzdem hat er ihn zumindest nicht gleich verstanden! Wie wichtig ist der Intellekt für den Glauben?
Bernhard Ott: Ja, Nikodemus kann man als den intellektuellen Typ bezeichnen – einer, der «es» ja «wissen» muss. Er beginnt das Gespräch mit Jesus ja so: «Rabbi, wir wissen…» (Die Bibel, Johannes Evangelium, Kapitel 3, Vers 2). Jesus fragt später kritisch: «Du bist Lehrer und verstehst das nicht…?» (3,10) Offensichtlich kann man wissen und doch nicht verstehen … Es wäre allerdings die falsche Schlussfolgerung, dass Denken deshalb grundsätzlich hinderlich sei für den Glauben. Wolfgang Dyck hat einmal gesagt: «Du brauchst deinen Verstand nicht bei der Garderobe zurückzulassen, wenn du glauben können willst, sonst wäre die Dummheit die sicherste Tür zum Himmel!»
Hätte Nikodemus mehr als sein Gehirn einschalten müssen, um Jesus besser zu verstehen?
Vielleicht hilft ein anderes Gespräch von Jesus weiter – das Gespräch mit dem Gesetzeslehrer, der nach dem grössten Gebot fragt (Matthäus-Evangelium, Kapitel 22, Verse 34-40). Jesus antwortet: «Du sollst den Herrn deinen Gott lieben mit deinem ganzen Herzen und deinem ganzen Gemüt und mit deiner ganzen Denkkraft … und deinen Nächsten, wie dich selbst.»
Hier werden die emotionale Seite des Menschen (Gemüt), seine Denkkraft und seine Willensentschlossenheit, die zur Tat führt (Herz) auf die Liebe ausgerichtet – zu Gott und zum Mitmenschen. Der Verstand gehört zum Menschen, so wie Gott ihn geschaffen hat – und das ist gut. Es geht nicht darum, ihn auszuschalten, sondern mit den anderen «Ausstattungen» zusammen auf Gott und die Mitmenschen auszurichten. Man könnte sagen: Der Verstand braucht Ergänzung und Ausrichtung.
Können Sie die Wissbegierde von Nikodemus nachvollziehen? In welchen Bereichen kann sie dich in Ihrer Theologie und Ihren Glaubensleben vorwärts bringen?
Ich fühle mich Nikodemus tatsächlich nahe. Ich habe immer wieder erlebt, dass mich klare intellektuelle Gedanken und überzeugende Argumente tief in meinem Leben berührt haben. Ich blühe auf wenn ich Karl Heim, C.S. Lewis, Dorothy Sayers, Dietrich Bonhoeffer oder Miroslav Volf lese. Das sind für mich nicht einfach abstrakte theologische Gedankengebilde, sondern Spiritualität des Denkens, die mein Herz erreicht.
Was ist zu tun, wenn Christen, die ihren Glauben eher auf der intellektuellen und Christen, die ihn auf der emotionalen Ebene ausleben, aufeinanderprallen?
Das kann tatsächlich spannungsvoll sein – ich habe das oft erlebt. Beide Personentypen können für den anderen bedrohlich sein. Für den intellektuellen Typ hat das Emotionale oft etwas Bedrohliches, weil Gefühle schlecht intellektuell unter Kontrolle genommen werden können. Für emotionale Typen ist das Denken oft etwas Bedrohliches, weil es die Emotionen diszipliniert. Es ist aber bereichernd wenn Personen mit unterschiedlichen Prägungen miteinander reden. Dazu braucht es Vertrauen und auch eine gute Portion Selbstwahrnehmung. Das oben erwähnte ‚Grösste Gebot’ kann dabei eine gemeinsame Basis sein: Mit Verstand und Emotionen Gott und den Nächsten lieben…
Was können wir von dem intellektuellen Nikodemus lernen?
Wir dürfen denken und Jesus auch intellektuelle Fragen stellen. Er kommt und hört zu. Er ist interessiert. Wir können aber damit rechnen, dass Jesus uns herausfordert und gelegentlich fragt: Du weisst das alles und hast doch nicht begriffen…? Das sind Chancen zum Wachstum – auf das Ziel hin, das der englische Schriftsteller C.S. Lewis einmal so formuliert hat: «Gott will das Herz eines Kindes, aber den Kopf eines Erwachsenen.»
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Weitere Informationen:
Jesus kennenlernen
Webseite:
Zeitschrift «Perspektiven» der Mennoniten