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Lehrer, Guru, Gottes Sohn?
„Jesus ist mehr als ein Mensch“, glaubt der Heidelberger Professor Klaus Berger.
Seit 2000 Jahren lässt er die Menschen nicht los: Jesus Christus. Wer war er? Gottes Sohn oder doch bloss ein guter Mensch? Und wie steht es mit der Glaubwürdigkeit dessen, was wir über ihn wissen? Sind die neutestamentlichen Texte historisch zuverlässig? Professor Klaus Berger, Neutestamentler an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Heidelberg, ist sich sicher: „In Jesus Christus haben wir es mit Gott selber zu tun.“
Herr Professor Berger, wann immer ein christliches Fest ins Haus steht, findet man Jesus Christus auf den Titelseiten der grossen Magazine. Nicht selten werden Berichte über sein Leben und Wirken ins Reich der Märchen verbannt. Und doch scheint der Mann aus Nazareth auch die Menschen von heute nicht loszulassen. Warum ist da so?
Prof. Klaus Berger: Jesus lässt uns nicht los, weil die Begegnung mit ihm durch glaubwürdige Menschen von heute oder auch durch die Bibel zwingend den Eindruck hinterlässt, dass es sich hier um eine Begegnung mit Gott handelt. Jesus ist einfach mehr als ein Mensch. Schon bei den ersten Jüngern und Jüngerinnen kam der Eindruck auf: „Hier haben wir es mit Gott zu tun. So liebvoll, so herzlich, so verbindlich, so streng – das ist Gott selber!“ Dieses Element ist unverwüstlich und selbst hinter die unsäglichsten Missdeutungen flackert es immer wieder auf.
Einzigartiger Jesus
Ihr aktuelles Buch „Jesus“ ist mehr als 700 Seiten stark. Würden Sie sagen, dass es Ihnen gelungen ist, seine Person darin einigermassen „einzufangen“?
Nein, diesen Eindruck habe ich beileibe nicht. Bei jedem Hinsehen fördere ich Neues zutage. Und ich habe den dringenden Verdacht, dass man dieses Spiel bis in alle Ewigkeit fortsetzen könnte. Das gehört zu dem Faszinierenden an der Person Jesus: bei ihm entdeckt man immer neue Tiefen. Man kann ihn und seine Taten schlicht nicht ausschöpfen.
Vor allem das Weihnachtsgeheimnis fasziniert mich: dass mir in Jesus von Nazareth Gott begegnet, dass er wahrer Mensch und wahrer Gott zugleich ist. In ihm sahen die damaligen Menschen einerseits Gottes Herrlichkeit aufleuchten und dazu auf eine einmalige Weise die menschliche Natur glücklich vollendet.
Gerade der Anspruch, Jesus sei der Gottes Sohn, wird aber immer wieder in Frage gestellt. Stattdessen will man ihn auf einen grossen Morallehrer reduzieren. Kann man einfach so machen?
Nein, man kann Jesu Lehre nicht von seiner Person trennen. Ganz davon abgesehen findet man im Neuen Testament in der Tat gar nicht allzu viel konkrete Moral, die man anwenden könnte. Stattdessen stösst man immer wieder auf die Aufforderung zur Nachfolge. Das zeigt, dass es sich beim Christentum im Kern nicht einfach um Moral handelt, sondern um die „Verähnlichung“ mit Jesus. Interessanterweise geschieht das nicht, indem man bestimmte Regeln befolgt, sondern dadurch, dass man sich auf eine Beziehung mit ihm einlässt, ihm hinterher geht und das tut, was er tut. Es ist so ähnlich, als würde ich zu meinen Studenten sagen: „Ich halte Ihnen heute keinen Vortrag, stattdessen begleiten Sie mich einmal für einen Tag.“ Wenn man Jesus nachfolgt, lernt man, aus seiner Kraft zu leben.
Und man erfährt in der Nachahmung von aussen her, was Glaube im Inneren bedeutet. Es geht Jesus nicht darum, jemandem zuerst Pflichten und Moral beizubringen, sondern er ruft uns einfach in seine Nachfolge. Er erklärt sich nicht gross, sondern sagt: „Macht das mal, dann werdet ihr sehen, dass ihr glücklich werdet.“
Was unterscheidet ihn darüber hinaus von anderen Religionsstiftern wie Mohammed oder Buddha?
Wenn man die Frage einmal von dem her betrachtet, was die tiefe Sehnsucht der Menschen ist, dann fallen bei Jesus Christus zwei Dinge auf: Er vergibt Sünden und er ist auferstanden. Damit löst er zum einen die Frage der menschlichen Schuld und ebenso die Frage nach dem Tod. Diese beiden Aspekte machen ihn – auch religionsgeschichtlich – einzigartig.
Im Vergleich zu anderen Religionen kann man über das Christentum sagen, dass Gott sich in Jesus Christus ganz in unsere Nähe begibt. Der Sinn des gesamten Christentums scheint mir ohnehin der zu sein, dass wir von Gott in seine Nähe geholt werden. Er ist jemand, der uns entgegenkommt, in seine Arme schliesst und mitnimmt in sein Haus.
Die Glaubwürdigkeit der Augenzeugen
Nun haben einige wenige Zeitgenossen aber immer noch Zweifel daran, dass Jesus überhaupt gelebt hat. Inwiefern ist seine Person historisch gesichert?
Zum einen gibt es neben den vier neutestamentlichen Evangelien 68 weitere Evangelienschriften. Zum anderen eine Reihe von Autoren der Zeit unmittelbar nach Jesus wie Tacitus oder auch den jüdischen Historiker Flavius Josephus, die von Jesus berichten und ihn voraussetzen. Es gibt keine Figur der Antike, von der es auch nur annährend so viele Biografien gäbe. In der Regel sind Wissenschaftler schon glücklich, wenn sie zwei Biografien einer Person besitzen, wie zum Beispiel von Sokrates. Von daher ist es schlicht unmöglich zu sagen, Jesus habe überhaupt nicht gelebt.
Und warum steht genau dieser Punkt immer wieder zur Debatte?
Die geschichtliche Glaubwürdigkeit Jesu wird meines Erachtens so stark angegriffen, weil man sich im Falle seiner Nichtexistenz nicht mehr mit ihm auseinandersetzen müsste. Wenn es ihn nicht gegeben hat, dann muss man sich auch nicht inhaltlich mit ihm beschäftigen. Denn das könnte ja dazu führen, dass man gläubig wird. Hinter dieser Angst steckt immer noch das Bild eines finsteren und drohenden Christentums, wie es sich vor allem in nordischen Breitengeraden ausgebildet hat. Leider, denn die eigentliche Gemeinheit ist die, dass aus einem fröhlichen, heiteren Jesus eine finstere Person patriarchalischer Art gemacht.
Sie haben auf die Evangelien als früheste Quellen verwiesen. Doch auch die werden ja regelmässig als blosse Legenden hingestellt. Gibt es Beweise für ihre Glaubwürdigkeit?
Für Historiker geht es niemals um Beweise der Mathematik oder Physik, sondern es geht um die Wahrscheinlichkeitsfrage. Bei den Evangelien weiss man heute, dass man ihre Abfassung nicht zu spät ansetzen darf. Früher setzte man sie auf das Jahr 70–100. Heute werden sie in aller Regel früher datiert.
Man hat in den vier Evangelien vier sehr unterschiedliche Berichte. Doch gerade diese Unterschiedlichkeit ist ein Indiz dafür, dass es sich eben nicht um Absprachen handelt, sondern schlicht um verschiedene Wahrnehmungen einer anspruchsvollen Angelegenheit. Ein Richter hat mich einmal darauf hingewiesen, dass wenn in einem Prozess die Zeugenaussagen hundertprozentig übereinstimmen, genau das Grund für den Verdacht einer Absprache ist. Wohingegen unterschiedliche Darstellungen, wie sie auch in den Evangelien vorliegen, als glaubwürdige Zeugnisse von Menschen gelten.
Hinzu kommt als Argument, dass die Schreiber der Evangelien sich vor Gericht verantworten mussten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Menschen für Hirngespinste, die irgendein Schriftsteller am Schreibtisch erfunden hat, dieses Leid und diese Verfolgung auf sich genommen hätten, wie es grösstenteils die Apostel und auch spätere Märtyrer getan haben.
Unsachgemässe Kritik am Kreuz
Als im vergangenen Jahr „Die Passion Christi“ ins Kino kam, kritisierten viele – auch von Seiten der Kirchen – die Grausamkeit der Darstellung des Todes Jesu. War die Empörung berechtigt?
Die Empörung über diesen Film finde ich bedauerlich, denn er zeigt ja tatsächlich nur einen Ausschnitt der Grausamkeit der Passion Christi. In Wirklichkeit hat sein Leiden ja viel länger gedauert. Menschen die Grausamkeit des Kreuzestodes zu ersparen, ist der falsche Weg. Die Kirchen sollten keine Angst davor haben, die Realität zu schildern, anstatt zu sagen, Jesus sei an Schlaftabletten oder Altersschwäche gestorben, so wie es bereits einmal eine deutsche Theologin gefordert hat. Denn auch wir erleben Leid und Schmerz. Spätestens im Alter, aber auch in Krankheit oder bei Unfällen, werden wir genauso grausam mit unserer Erbärmlichkeit konfrontiert werden wie Jesus am Kreuz. Das darf man nicht ausblenden. Doch leider ist der Wunsch, zu verdrängen, sehr ausgeprägt. Darum fordert man von den Kirchen, den Ansprüchen der Menschen zu genügen. Und wenn sie das nicht tun, dann sucht man sich eben eine andere Religion, die nicht vom Kreuz redet.
Worin sehen Sie denn die grösste Herausforderung in der Verteidigung des christlichen Glaubens gegenüber anderen Religionen?
Vielerorts leidet das Christentum in Europa an einer bedauerlichen Knieerweichung. Und weil die Menschen hier die Orientierung verloren haben, heisst es dann: „Ich bin vom Islam fasziniert, weil er so schön einfach ist!“ Oder: „Ich will Buddhist werden, weil der Buddhismus so schön friedlich ist.“
Ich sage dazu: Jesu Beitrag zur interreligiösen Annährung besteht in seinem Taufbefehl! Darum müssen Christen wieder klar reden und keine Stammtischmeinung vertreten, nach dem Motto: Jesus war der Prototyp der Toleranz und was die Wahrheit betrifft, ist doch sowieso alles egal, Hauptsache: „Selig die Friedfertigen!“ Gerade diese Haltlosigkeit ist es, die von Fundamentalisten anderer Religionen, die scheinbar einfacher sind, ausgenutzt wird. Es geht darum, Profil zu zeigen. Denn man kann den Menschen nichts Schlimmeres antun, als ständig nur in Nebelworten zu reden.
Womit haben Menschen denn die grössten Probleme, wenn es um Jesus Christus und seine Lehre geht?
Das grösste Problem ist: in Jesus haben wir es mit Gott zu tun. Das verstehen viele Menschen nicht. Und dann heisst es, er war ein Weisheitslehrer oder ein freundlicher Jude. Vor allem aber macht man aus Jesus einen toleranten Menschen – wobei ich wirklich nicht weiss, woran sich das festmacht. Aber das scheint zurzeit nun einmal der modische Jesus zu sein. Doch mit diesen Aussagen schleicht man letztlich wie die Katze um den heissen Brei. Denn wer das Eigentliche – Jesu Gottessohnschaft – nicht im Zentrum stehen lässt, versteht auch die erstaunlichen Aussagen über ihn nicht. Und so treffen viele bei der Jungfrauengeburt, Kreuzigung, Auferstehung und Himmelfahrt schlicht auf theologische „Klötze“, die sie aus dem Weg zu räumen versuchen, es aber nicht schaffen. Man kann das Christentum eben nur als Paket begreifen und nicht, indem man zur Aufgabe einzelner Bastionen übergeht.
Mit dem Tod ist es nicht aus
Greifen wir trotzdem einmal eine solche „Bastion des Glaubens“ heraus: Ostern und die Auferstehung. Was spricht dafür, dass Christus wirklich den Tod hinter sich gelassen hat?
Der Gott der Bibel ist vom ersten Vers an ein Gott des Lebens, der Leben in Fülle schenkt und sich mit grossem Reichtum in der ganzen Schöpfung darstellt. Tolstoi schrieb in „Krieg und Frieden“: „Das Leben ist Gott und Gott ist das Leben. Und Gott ist die Quelle des Lebens.“ Das ist zunächst einmal die Basis.
Dass Christus den Tod überwindet ist einerseits unfasslich, andererseits gar nicht so unfasslich, wenn man auf diesen Gott schaut. Wenn Gott das Leben will und wenn er die Menschen liebt und wenn die Liebe stärker ist als der Tod, dann ist der Gedanke an die Auferstehung gar nicht absurd, sondern die letzte Konsequenz eines biblischen Gottesglaubens. In Jesu Auferstehung wird deutlich, dass nicht der Tod allmächtig ist, sondern dass er vergehen muss angesichts der Macht und der Herrlichkeit Gottes.
Welche Auswirkungen hat dies auf das Leben des Glaubenden?
Die Katastrophen, die den Menschen begegnen, wie die Tsunami-Katastrophe mit ihren unzähligen Opfern, bringen immer wieder Ratlosigkeit mit sich, weil viele keine Antwort auf den Tod haben. Doch gerade in solchen Unglücken wird der christliche Glaube greifbar. Denn die Auferstehung Jesu sagt uns unter anderem, dass es Gott immer auch um unsere Leiblichkeit geht. Er kennt keine künstliche Trennung zwischen Leib und Seele, sondern meint immer den ganzen Menschen. Und auch die Hoffnung auf das, was Gott nach unserem Tod für uns bereit hat, zielt nicht allein auf eine geistig-geistliche Existenz, sondern auch auf die Qualität der Leiblichkeit. Es geht nicht um ein blosses Fortleben, sondern um Seligkeit, in der wir auch einen Körper haben. Ich finde es wichtig, dass das Christentum auch hier nicht zu einer reinen Geistigkeit verdampft wird.
Das klingt sehr tröstlich, aber für viele eben auch zu schön, um wahr zu sein. Was sagen Sie einem Zweifler?
Ich würde ihn fragen: „Sind nicht alle wichtigen Dinge des Lebens erstens geschenkt und dazu geheimnisvoll?“ Auch sonst im Leben muss man sich auf Mysterien einlassen. Was für ungeheueres Wagnis ist zum Beispiel allein die Liebesbeziehung zu einem anderen Menschen. Und doch lässt man sich mit ihr auf Dinge ein, die man vorher nicht berechnet hat.
Ganz davon abgesehen: Handeln und entscheiden wir nicht generell in unserem Leben viel weniger wissenschaftlich als die Gegner des Christentums uns glauben machen wollen?
Wenn Sie als Anwalt Christi im Jahr 2005 ein Plädoyer für ihn halten müssten – wie würde das lauten?
Ich würde sagen: In Jesus haben wir einen Freund, so dass wir nicht allein sind. Wir haben in ihm einen Herrn, so dass wir nicht orientierungslos durch die Gegend laufen wie blinde Schafe. Und wir haben in Jesus den einen Mittler. Er ist unsere Brücke zu Gott.
Vielen Dank für das Gespräch.
Interview: Sabine Schmidt
Professor Klaus Berger (64) ist seit 1974 Professor für Neues Testament an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Heidelberg. Auch international gehört er zu den führenden Neutestamentlern und ist – trotz oder gerade wegen seiner theologisch scheinbar konservativen Standpunkte – einer der bekanntesten theologischen Publizisten („Darf man an Wunder glauben?“, „Wozu ist Jesus am Kreuz gestorben?“, „Wozu ist der Teufel da?“ u. a.). Mit seiner Frau, der bekannten Übersetzungswissenschaftlerin Christiane Nord (FH Magdeburg), hat er das Neue Testament übersetzt. Gemeinsam haben sie vier erwachsene Kinder.
Jesus-Kenner
In seinem aktuellen Buch „Jesus“ (Pattloch) hat der Wissenschaftler und gläubige Christ die Jesus-Forschungen seines bisherigen Lebens zusammengefasst. Herausgekommen ist ein leidenschaftliches Plädoyer für die Glaubwürdigkeit der Person Jesu und des Christentums.

Datum:
24.05.2005
Quelle: Neues Leben
Quelle: Neues Leben
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