Wohin führt Meditieren mit dem Dalai Lama?

Dalai Lama
dhistisches ‚Mitgefühl’ ist nicht Barmherzigkeit: Martin Kamphuis
Auf dem Programm des Dalai Lama steht eine Schrift des Meditationslehrers Shantideva (8. Jahrhundert).
Träume von Weltherrschaft? Martin und Elke Kamphuis leuchten in ihrem Buch den tibetischen Buddhismus aus.
War Buddhist, vertraut heute auf Christus: Buchautor Martin Kamphuis

Die tibetischen Vorträge und Rituale, die der Dalai Lama in Zürich nächste Woche halten wird, sind im Zusammenhang der magischen Religion der Tibeter zu sehen, ebenso die attraktiven Kernbegriffe seiner Meditationslehre wie Mitgefühl. Der Ex-Buddhist Martin Kamphuis erläuterte in einem Vortrag im Volkshaus Zürich am 2. Juli Hintergründe des tibetischen Buddhismus.

Meditieren kommt Westeuropäern gelegen. Sie soll zur Wellness beitragen – „wir machen gerade so viel, wie es sich gut anfühlt“, kommentierte der gebürtige Holländer Kamphuis, der jahrelang in Indien gelebt hat und seither Christ geworden ist, in seinem Vortrag in Zürich.

Kamphuis, Co-Autor des Buchs „Buddhismus auf dem Weg zur Macht?“, konnte in Indien den Dalai Lama persönlich kennen lernen. Seine Präsenz und Lehre beeindruckten ihn tief. „Wenn man auf ihn ‚eingetuned’ ist und mit ihm eins ist, findet man alles, was er sagt, superweise und sehr gut und klatscht Beifall – ohne dass man seine Botschaft verstanden hat.“

„Sanfte Weltmacht“

Seine Darlegungen zum Buddhismus ordnete der Referent in den weiteren Zusammenhang der New Age-Bewegung ein, wie sie Marilyn Ferguson 1975 im Buch „Die sanfte Verschwörung“ skizziert hatte. Ferguson sprach damals von einem „noch führerlosen Netzwerk“. Kamphuis stellte die Frage, ob der Dalai Lama darin eine Rolle spiele (das Magazin GEO hat ihn als „sanfte Weltmacht“ bezeichnet).

Dann gewährte Kamphuis Einblicke in die geheimnisvolle Welt des tibetischen Buddhismus, der durch die Abgeschiedenheit des „Dachs der Welt“ in mittelalterlichen Formen weitgehend ungestört existierte, bis die Chinesen das Hochland 1950 besetzten.

Die Kraft, die vom Dalai Lama ausgeht

Im Unterschied zum ursprünglichen Theravada-Buddhismus, der Selbsterlösungslehre des Religionsgründers Gautama Buddha, sind Mahayana-Buddhisten nicht auf sich allein gestellt, sondern können „unsichtbare Buddha-Wesenheiten anbeten und von ihnen wesentliche Hilfe erfahren“. So wird geglaubt, „dass auch der Dalai Lama als Guru positive Energie übertragen kann. Deshalb fühlen sich Leute, die auf ihn eingetuned sind, sehr wohl in seiner Nähe. Auch neutrale Menschen sind hin und weg, spüren eine enorme Kraft von ihm ausgehen.“

Vajrayana-Buddhismus: sich mit Wesenheiten vereinigen…

Der Vajrayana-Buddhismus, die tibetische Spielart des Mahayana, geht laut Kamphuis davon aus, „dass über allem Buddhas stehen, Wesenheiten, die anzubeten sind und Macht in dieser Welt bekommen können und sollen. Dabei meditiert man nicht nur auf diese unsichtbaren Wesenheiten, sondern man vereinigt sich auch damit. Man will selbst Kalatschakra werden – oder andere Wesenheiten, die es in der tantrischen Richtung gibt. Man vergöttlicht sich so. Man setzt das, was die unsichtbaren Wesen haben, in dieser Welt um. Man will die Kraft des Kalatschakra umsetzen, sie hier zum Ausdruck bringen, um andere Menschen für den Buddhismus zu gewinnen.“

…mittels okkulter Phantasiereisen

Wie geschieht dies? Buddhisten praktizieren gemäss Kamphuis eine Form okkulter Phantasiereisen: „Sie visualieren. Die unsichtbare Welt hat bestimmte Formen. Diese soll man sich vorstellen. Indem man sich das vorstellt, wird man in sie hinein gezogen. Und man erfährt Dinge, die man normalerweise nie erfahren kann.“

Energiereiche Mandalas

Durch Mandalas, welche in die kosmische Realität mit ihren Geistern einweihen, und Rituale wie das Kalatschakra sollen Menschen weltweit sich geistig öffnen für diese unsichtbare Welt. Der Referent schilderte die magischen Praktiken bei der Erstellung eines Mandalas. Tibetische Buddhisten erwarteten davon „eine direkte Wirkung, zuerst in der unsichtbaren Welt, dann auch in der materiellen“.

Tibeter rechneten mit einer weltweiten Dominanz ihrer Wesenheiten in 400 Jahren, sagte Kamphuis weiter. Als Christ zitierte er den Apostel Paulus: Die Wesenheiten sind dämonische Geister; doch nur die durch den Geist Gottes Begabten könnten sie als solche erkennen (1. Korinther 2,14).

Was im Hallenstadion ausgelegt wird

Der Dalai Lama behandelt in seinen Vorträgen in Zürich ein Buch von Shantideva, einem Meister des 8. Jahrhunderts. Es ist gemäss Online-Programm eine „Einführung in den Weg des Bodhisattva“. Laut Kamphuis, der den Text in seiner buddhistischen Phase studierte, wird darin zum einen der Erleuchtungsgeist gezeigt, zweitens der Weg zur Überwindung der leidbringenden Emotionen.

Gier, Hass und Verblendung gelten den Buddhisten als die drei schlimmen leidbringenden Emotionen, welche die Menschen vom Zustand der Erleuchtung fernhalten. Dagegen soll man angehen, wie der Referent erläuterte. Mahayana-Buddhisten nehmen „Hilfe vom Geist Bodhicitta in Anspruch. Der Dalai Lama sagt, wie dieser Geist handeln wird – wie im Buch geschrieben: mittels Mitgefühl. Das hört sich sehr gut an.“

Mitgefühl: auf Selbstauslöschung hin meditieren…

Kamphuis legte dar, dass Buddhisten unter Mitgefühl etwas ganz Anderes verstehen als westliche Menschen. „Ich soll gute Gefühle für alle Wesen haben, um damit mich selbst völlig in dieses Mitgefühl aufzulösen. Der Buddhismus lehrt, dass ich eigentlich eine Illusion bin, dass ich niemand, nichts bin. Nur durch Verblendung, durch Hass und Begierde meine ich wer zu sein. Wenn das abgelegt wird, werde ich das als Illusion erkennen: ich bin niemand, nichts.“

„Wenn man Mitgefühl praktiziert, also andauernd an die leidenden Wesen denkt, verliert man sich dadran und wird selbst zu dem Punkt kommen: Ich bin nicht mehr da, bin aufgelöst und eins geworden mit allen Wesen. Das ist der letzte Sinn und Zweck des Praktizierens dieses Geistes Bodhicitta. Diesen Geist kann man nicht sehen, nur sich daran verlieren. Wenn man niemand mehr ist, also auch keine Wahrnehmung mehr hat, ist man eins mit dem Geist, man hat sich darin verloren – der Geist hat einen aufgefressen.“

…statt heilen und helfen aus Barmherzigkeit

Das buddhistische Mitgefühl hat nichts mit der Barmherzigkeit zu tun, die Jesus von Nazareth für Menschen empfand und die ihn zum heilenden, helfenden Handeln trieb. Denn, so Kamphuis, Barmherzigkeit „setzt voraus, dass ich jemand bin und jemand anderem, der in Not ist, helfe. … Ich übe nicht nur Mitgefühl aus, sondern tue etwas – löse mich nicht auf. Damit wäre ja der anderen Person nicht geholfen.“

Höllenstrafen für die falschen Emotionen

Kamphuis wies in seinem Vortrag auf die drohende Seite des Buchs von Shantideva hin: „Man soll sich auf diesen Geist einstellen. Aber wenn man in seinem Herzen gegen den Geist des Buddha oder seine mithelfenden unsichtbaren Wesen Zorn verspürt, hat man das auszubaden in äonenlangem Höllen-Leid. Immer wieder wird in dem Buch gedroht: Wenn du einen kleinen Fehler machst, einen Moment von Zorn, hast du äonenlang auszubaden, wirst als Höllenwesen wiedergeboren werden. Die Buddhisten sagen allerdings: Du kannst später auch wieder als Mensch geboren werden. Man kann sich herausarbeiten.“

Der Referent unterstrich, dass von Barmherzigkeit im Buddhismus nichts zu finden ist. „Sie hat gemäss der Bibel immer damit zu tun, dass jemand die Strafe für mich trägt. Das finden wir so im Buddhismus absolut nicht.“

Ritual zur Einweihung in Chenrezig

Mitten in seiner Vortragsreihe wird der Dalai Lama laut Programm ein Einweihungsritual abhalten – „nicht zu Kalatschakra, sondern zu einem viel interessanterem Wesen, Chenrezig. Das ist der Bodhisattva des Mitgefühls, der diesen Aspekt des Mitgefühls völlig austrägt, als Inbegriff des Geistes Bodhicitta.“

Es geht dabei darum, den Geist des Mitgefühls zu entwickeln und diesen Geist zu empfangen, wie Kamphuis sagte. Er brauchte zur Verdeutlichung den Ausdruck, der Dalai Lama werde die Teilnehmenden „in diesen Geist des Bodhicitta taufen – sie werden dadrin aufgenommen, von ihm verschluckt. Diesem Geist wird Wirksamkeit eingehaucht, damit er die Menschen in den Sog des Buddhismus zieht, was bedeutet, dass sie in eine Richtung kommen, wo sie zu verstehen anfangen: Sie sind eine Illusion, sie sind nicht da, im Wesen nichts, niemand.“

Tragisches Missverständnis

Für Kamphuis ist es tragisch, dass Menschen, die in der persönlichkeitsbejahenden Kultur des Westens aufgewachsen sind, dies missverstehen. „Es sieht zwar alles sehr schön aus und hört sich gut an: Der Dalai Lama ist sehr barmherzig – ist Bodhisattva, das heisst er kommt freiwillig zurück, verzichtet eine Weile auf die Erleuchtung, um allen Mitwesen zu helfen, zur Erleuchtung zu kommen. Glück aber ist für ihn die Erleuchtung, die Auslöschung des Selbst im Nichts, in der Leere (Nirwana).“

Der Bodhisattva steht über dem Gesetz

Abschliessend wies der Referent darauf hin, dass der Buddhismus ein Gesetz mit Hunderten von Geboten kennt, aber keinen Gesetzgeber. Der Dalai Lama könne als Inkarnation von Chenrezig und von Kalatschakra „aus einer höheren Perspektive diese Gebote auch einschätzen“ – und relativieren. Lüge sei erlaubt, wenn sie aus Mitgefühl für ein anderes Wesen geschieht und diesem hilft.

„So ist der Geist Bodhicitta ein höheres Prinzip. Wer diesen Geist empfangen hat, kann praktisch über die Gebote herrschen und alle Gebote, die es gibt, brechen mit der Sicht, dass er damit anderen Wesen hilft.“

Nach Jahren im Buddhismus Christ geworden

Martin Kamphuis erzählte, wie er selbst Christ wurde (vgl. sein Buch), und schloss mit dem Wunsch, dass westliche Menschen erkennen können, „dass es im Buddhismus wirklich keinen Gott gibt. Was der Dalai Lama sagt, hat mit Gott nichts zu tun.“

So sollten Menschen, die mit seiner Lehre liebäugeln, über die Hintergründe informiert werden – und die christliche Alternative sehen: „Als Christen verschwinden wir nicht in Gott, sondern kommen in ein Gegenüber zu ihm.“

Martin & Elke Kamphuis
Buddhismus auf dem Weg zur Macht?
Leuchtturm-Verlag, Schöffengrund, 2002, 159 Seiten
ISBN 3-9808634-0-9
Bestelladresse: http://www.shop.livenet.ch/index.html?nr=255296&f=0

Martin Kamphuis: Ich war Buddhist
Brunnen Basel
Best.Nr.: 195863, ISBN: 3-7655-5863-X, 208 Seiten
Bestelladresse: http://www.shop.livenet.ch/index.html?nr=195863&f=0

Mehr zum Thema Buddhismus und Dalai Lama:
http://www.livenet.ch/www/index.php/D/article/387/

Quelle: Livenet.ch, cft

Datum: 03.08.2005
Autor: Peter Schmid

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