Wer trägt die Schuld am Tod von Jesus?

Die Frage, wer Schuld am Tod von Jesus trägt, gehört zu den umstrittensten überhaupt. Über Jahrhunderte wurden in christlichen Ländern die Juden als Mörder von Jesus bezichtigt. Dieser Vorwurf war ein Motiv, sie zu diskriminieren und zu verfolgen; eine tiefe Kluft der Entfremdung trennte die Gemeinschaften. Doch Kirchengeschichte ist nicht Schicksal – ein unpolemischer Blick auf die biblischen Berichte ist möglich.
Pilatus
Jesus wird geschlagen
Verhör

Die Führungspersönlichkeiten des jüdischen Volkes in Jerusalem, die auch im Tempel das Sagen hatten, liessen Jesus im nahe gelegenen Garten Gethsemane verhaften. Während mehrerer Jahre hatte er in der Stadt und ihrer Umgebung, vor allem aber in Galiläa die Gelehrten, die die Heilige Schrift traditionell auslegten, provoziert. Abgesandte der Jerusalemer Oberen mussten vor seiner durchdringenden Weisheit und seinen träfen Pointen kapitulieren. Der Mann aus Nazareth überwand sie in öffentlichen Disputen mit einer staunenswerten Kenntnis der Schriften.

Zu diesen Rededuellen kamen die Heilungswunder, die ihn populär machten. „Ihr seht, dass ihr nichts ausrichtet; das ganze Volk läuft ihm nach“, kommentierten führende Vertreter der einflussreichen Pharisäer-Bewegung resigniert, als Jesus auf einem Esel in Jerusalem einritt (1). Das Fass zum Überlaufen brachte sein Eingriff in die Ordnung im Tempel. Er vertrieb die Händler und Geldwechsler. Denn der Vorhof sollte ein Ort zum Beten für alle Nationen sein; “ihr aber”, schleuderte er den Verantwortlichen entgegen, “ihr habt daraus eine Räuberhöhle gemacht!” (2). Eine unerhörte Provokation!

Von Neid genährte Rivalität

Es war Neid auf die Beliebtheit von Jesus, der zum Prozess gegen ihn führte (3). Die Rivalität um die geistliche Autorität im Volk spielte ebenfalls eine bedeutende Rolle (4). Der Sanhedrin, der Hohe Rat der Juden, verhörte ihn kurz nach der Verhaftung. Dabei konnten ihm keine gotteslästerlichen Aussagen nachgewiesen werden. Die Zeugen widersprachen sich.

Da er sich anscheinend nicht anders zu helfen wusste, nahm der Hohepriester selbst den zentralen Anklagepunkt in den Mund. Er beschwor Jesus zu sagen, ob er der Messias sei, „der Sohn Gottes“. Jesus bestätigte dies und fuhr fort, der Menschensohn werde „sitzen zur Rechten der Kraft und kommen auf den Wolken des Himmels“ (5). Darauf zerriss der Hohepriester seine Kleider. Für ihn war die Gotteslästerung erwiesen. Denn Jesus hatte sich als göttlich bezeichnet (obwohl er den Namen Gottes nicht ausgesprochen hatte). In den Augen des Hohenpriesters hatte er sein Leben verwirkt. Der Sanhedrin folgte ihm in diesem Urteil; jene Mitglieder, die anders mit Jesus verfahren wollten, kamen nicht mehr zu Wort (6).

Justizfarce

Da die Römer der jüdischen Führung die Befugnis für Hinrichtungen entzogen hatten, musste der Fall dem Statthalter Pontius Pilatus vorgelegt und ein Kapitalverbrechen geltend gemacht werden. Von ihm gefragt, ob er der König der Juden sei, antwortete Jesus mit Ja, verdeutlichte aber den geistlichen Charakters seines Reichs (7). Zu den Anklagen der führenden Juden schwieg er – zur Verwunderung des Statthalters. Dieser fand nach römischem Recht keine Schuld an ihm. „Was hat er denn Böses getan?“, fragte er die anwesenden Juden.

Pilatus betonte mehrfach, sie hätten ihm den Titel „Messias“ (Christus) angehängt. Schliesslich wusch er sich demonstrativ die Hände und erklärte, er sei an Jesu Blut unschuldig. Die von Anführern bestellte Menge im Hof des Statthalter-Palastes, die mit anhaltendem Geschrei seine Hinrichtung forderte, verstieg sich zum Ruf: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!“ (8). Pilatus gab widerwillig nach. Er sprach das Todesurteil, liess Jesus geisseln und zur Kreuzigung abführen.

Schuldverflochten

Kurz: Die Evangelien machen deutlich, dass die amtierenden Anführer der Juden in Jerusalem den Anspruch des Nazareners ablehnten, als mit Gott verbundener Messias das Volk geistlich zu leiten und zu erneuern. Der römische Statthalter sprach das Todesurteil und liess ihn hinrichten. Keiner ist allein schuld. Die Verantwortlichkeiten in dem ganzen Prozess sind unentwirrbar verflochten. Vom jüdischen Volk waren an der Verurteilung von Jesus einige führende Vertreter und ihre Anhänger beteiligt; eine Mehrheit der Juden bewunderte ihn.

Dass Juden und Nicht-Juden in dieser Weise bei der Hinrichtung dieses Schuldlosen zusammenwirkten, ist von christlichen Theologen als Hinweis auf eine viel weitere Urheberschaft von Jesu Leiden gedeutet worden. Der deutsche Liederdichter Paul Gerhardt gibt dem Bewusstsein Ausdruck, dass alle Menschen als Sünder den Tod von Jesus mitverschuldet haben. In seinem Passionslied „O Haupt voll Blut und Wunden“ dichtet Gerhardt:

„Was du, Herr, hast erduldet, ist alles meine Last.
Ich, ich hab es verschuldet, was du getragen hast.
Schau her, hier steh ich Armer, der Zorn verdienet hat.
Gib mir, o mein Erbarmer, den Anblick deiner Gnad.“
(GB 445,3)

Die Passion von Jesus wird in allen vier Evangelien der Bibel berichtet.
(1) Die Bibel, Johannes, Kapitel 12, Vers 19
(2) Lukas 19,46, mit den Worten, die schon der Prophet Jeremia brauchte 7,11.
(3) Matthäus 27,18
(4) Matthäus 7,28.29
(5) Matthäus 26,63.64
(6) Zu ihnen dürften Nikodemus, Gamaliel und Josef von Arimathia gehört haben.
(7) Johannes 18,36.37
(8) Matthäus 27,25

Das Oster-Magazin von Jesus.ch: www.jesus.ch/ostern

Datum: 06.04.2007
Autor: Peter Schmid
Quelle: Jesus.ch

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