Sexualität unter Anklage?

Es könnte heute sein: Man sieht, wie eine Handvoll "Saubermänner" mit rotem Kopf und hitzigem Gemüt die Frau zur Verantwortung ziehen. Und doch ist es eine Geschichte aus dem Neuen Testament. Jesus ist im Tempel und lehrt (lesen Sie bitte Johannes 8,1-11). Da tauchen sie auf, die Frommen jener Zeit, die es mit dem Wort Gottes ganz ernst nahmen - so ernst wie wir heute. Mit sich zerren sie eine Frau. Schnell ist ihr Anliegen erklärt. Sie wurde beim Ehebruch erwischt, und nun wollen sie von Jesus eine Beurteilung der Situation. Ihre Art der Beurteilung mit Verweis auf das mosaische Gesetz haben sie schon abgegeben: Steinigung.

Thema in Variationen

Diese Szene hat viel zu tun mit dem heutigen Umgang vieler Christen mit dem Thema "Sexualität". Die ernsthaften Gläubigen damals wie heute erheben mit Recht ihr Wort gegen eine falsch ausgelebte Sexualität. Das Thema "Ehebruch" ist doch ein Thema mit vielen Variationen in unserer Zeit. Fast kein Fernsehtag vergeht, der nicht dieses Thema traktiert. Seien es die Bordell-Reportage, Sex am PC oder Cybersex per Maschine - die Welt liebt es, alles ein wenig pornographisch anzurichten. In unendlich vielen Talk-Shows wird das Thema wieder und wieder ausgewalzt. Unsere Gesellschaft stellt sich dar mit ihrem Lieblingsproblem, mit dem sie je länger desto weniger umgehen kann. Die Antworten werden dabei immer flacher und weniger hilfreich. Promiskuität (Geschlechtsverkehr mit wechselnden Partnern) ist selbstverständlich geworden (nur mit Kondom natürlich!). Welchem Christen würde es da nicht ähnlich gehen wie den Schriftgelehrten damaliger Zeiten?

Klare Positionen

Und doch ist es mit dem reinen Verurteilen unserer heutigen Zeiten nicht getan! Auch Jesus reagiert darauf nicht. Er tut so, als würde ihn die Sache nichts angehen. Er schreibt mit dem Finger auf den Boden. Als wollte er sagen: Verurteilung ist zu wenig. Wir können uns keine pauschalen Verurteilungen leisten. Wir würden einen grossen Teil der Menschen um uns herum, mit denen wir ständig zu tun haben, mit verurteilen. Wir brauchen keine Negationen, sondern Positionen. An dieser Stelle tun sich Christen in unserer Gesellschaft erheblich schwer. Was brauchen wir?

Offener Umgang

In vielen christlichen Kreisen ist dieses Thema nach wie vor vernachlässigt. Würden Christen gefragt, sie sollten einmal ihre Einstellung zur Sexualität darstellen und begründen, würde das bei vielen eine grosse Hilflosigkeit auslösen! In Gemeindeveranstaltungen müsste dies Thema werden! Es müsste noch viel mehr an unseren Familientischen über dieses Thema gesprochen werden! Nichts Besseres können wir für unsere jungen Leute tun, als wenn wir sie in solche Tischgespräche miteinbeziehen. Am besten können wir sie von der Obersensibilisierung der Sexualität in den Medien herunterholen, indem wir als Eltern von der eigenen erlebten Sexualität reden, von der Freude, wie auch von den Grenzen. Denn Vorbilder zählen immer mehr als das, was die sexualisierte Werbe- und Medienindustrie den Jungen vorgaukelt. Ein eingeladenes Ehepaar, das in einem Kreis einmal offen über seine Sexualität spricht, kann sehr viel Positives bewirken.

Zu einem offenen Umgang mit dem Thema "Sexualität" gehört auch eine ehrliche Auseinandersetzung mit der eigenen, erlebten Sexualität. Jesus sagt den Frommen damals: "Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein." (Vers 7) Manche pauschale Verurteilung der heutigen Sexszene ist ein Ablenkungsmanöver von den eigenen Problemen mit der Sexualität. Viele Christen machen sich hier etwas vor, verheimlichen ihre Probleme und Sehnsüchte, sind zutiefst unzufrieden mit ihrer erlebten Sexualität. Viele Paare bleiben mit ihren Problemen lieber allein, als jemanden anzusprechen, vielleicht weil sie denken, dass sie als Christen diese Probleme gar nicht haben dürften. Erfreulicherweise gibt es immer mehr Veranstaltungen in der christlichen Szene, in denen Paare in diesen Fragen Antworten und Hilfen finden können.

Erfrischende, biblische Lehre

Wenn wir heute über Sexualität reden, müssen wir klare Positionen beziehen und überzeugende Begründungen bringen. Sie sollen hilfreich sein im Umgang mit Menschen, die diese Dinge ganz anders sehen. Wir brauchen eine klare biblische Lehre, die vor allen Dingen das Geschenk der Sexualität betont. Der prüde warnende Zeigefinger des 19. Jahrhunderts darf nicht wieder durchkommen - wie oft tut er das noch! Sexualität und Erotik sind etwas durch und durch Schönes und Gottgewolltes. Sie sind Gottes Erfindung und deshalb durch nichts in ein negatives Licht zu ziehen! Christen haben es vielfach verlernt, diese Lehre "erfrischend" an den Mann oder die Frau zu bringen. Dabei hätten, wenn schon, dann wir etwas Gutes dazu zu sagen.

Sobald es jedoch um dieses Thema geht, werden die "Vorsicht-Schilder" hoch- gehalten. Kein Wunder, wenn sich junge Leute abwenden und sagen: "Ihr habt uns nichts zu sagen." Erfrischend von Sexualität reden heisst auch, den Ton, in dem die Bibel darüber spricht, aufzunehmen. In unserer heutigen Zeit wird sehr platt, sehr voyeuristisch-blosslegend von Sexualität gesprochen. Die Bibel spricht jedoch sehr "reizvoll" darüber. Ein gewisser poetischer Charme und ein Hauch von Erotik liegt über den Texten im Hohelied und den Sprüchen Salomos zum Thema. Etwas vom "Zauber" der intimen Beziehung zwischen zwei Liebenden wird deutlich. Wir sprechen heute alles so technisch und machbar aus und übersehen dabei das göttliche Kunstwerk Sexualität, das aus Filigran besteht und kein Holzklotz ist.

Verantwortlich leben

Christen müssen lernen, in ihrer Umgebung glaubwürdig über ihre Sexualität mit ihren guten Seiten, aber auch mit ihren sinnvollen Begrenzungen zu reden. Dabei reicht es heutzutage nicht, dass wir einige Bibelstellen zitieren. Wir müssen den Menschen Rechenschaft darüber geben, warum diese Ordnungen Gottes - vor Tausenden von Jahren schon niedergeschrieben - auch heute und gerade heute sinnvoll und hilfreich für Beziehungen sind. Also warum nicht eine Bibelwoche über Sexualität und die Bibel!?

Jesus verurteilt die Ehebrecherin nicht. Er fordert sie jedoch zu anderem Verhalten auf. Dieser Aufforderung müssen auch wir nachkommen. Was wir heute brauchen sind Antworten, die uns und unseren Mitmenschen helfen, Sexualität verantwortlich zu leben.

Wann darf man "es"?

Sex ohne Trauschein, Homosexualität, Selbstbefriedigung, Frust im Ehebett - zwei Prediger äussern sich zu Fragen aus ihrem Alltag.

"Kribbeln im Bauch"

Bernhard Kuhl. Jugendreferent. Mücke:"Ich rede gerne mit jungen Leuten über Fragen der Sexualität und Partnerschaft. Auf Freizeiten oder in Jugendkreisen ist das gewisse 'Kribbeln im Bauch' immer wieder zu spüren, wenn wir darüber ins Gespräch kommen.

Eine der Standardfragen lautet: Wann ist man alt genug für eine Beziehung? Ich spreche dann gerne die persönliche Reife an: Wie sieht es mit der Bereitschaft und Fähigkeit zur Verantwortung aus? Was erwartest Du eigentlich vom anderen? Worauf kannst Du verzichten? Wer den Umgang mit dem anderen nicht nur als Nehmen, sondern auch als Geben verstehen gelernt hat, der hat viel kapiert. Das gilt auch für die Frage: Wann darf man miteinander schlafen? Mit einer plumpen Antwort gibt sich keiner mehr zufrieden. Grundregel: Die Frage immer vom anderen her beantworten lernen!

Eher in der persönlichen Seelsorge werden dann Fragen zur Homosexualität oder Selbstbefriedigung gestellt. Grundsätzlich gilt für mich: Vorsicht vor Allgemeinregeln! Das meiste an guten Ratschlägen gehört in das persönliche Gespräch!"

Versöhnung im Bett?

Eberhard Wallmeroth Prediger: "In der Seelsorge taucht immer wieder folgende oder ähnliche Situation auf: Ein Ehepaar streitet heftig. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Abends will der Mann als Zeichen der Versöhnung "schnell" zur Frau. Sie ist innerlich nicht bereit und lässt "es"über sich ergehen. Anschliessend dreht sich der Mann um und schläft, die Frau aber bleibt mit ihrem Frust allein. Für ihn ist jetzt alles in Ordnung, für sie aber nicht. Später greift sie das Thema wieder auf, doch der Partner meint: 'Das ist doch jetzt gut!' Für ihn ja, für sie nicht. Was läuft falsch? Ich versuche, dem Ehepaar aufzuzeigen, dass eheliche Gemeinschaft für den Mann als Versöhnung gelten kann, für die Frau aber muss die Versöhnung vorher geschehen sein. Die Frau braucht das Gespräch. Ohne Gespräch fühlt sie sich missbraucht und "vergewaltigt". Sie kann sich erst dann geborgen fühlen, wenn die trennende Mauer weggeräumt ist. Wichtig ist, über konkrete Probleme muss auch ganz konkret geredet werden. Als Krönung der Versöhnung ist die Frau nachher auch bereit zu einem "Abschlussfest". Die körperliche Vereinigung kann aber nur zu einem "Fest" werden, wenn auch die innere Einheit da ist."

Datum: 29.03.2002
Autor: Horst Scharfenberg
Quelle: Chrischona Magazin

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