Die Vertrauensfrage:

Antworten sind nicht das Wichtigste im Glauben

Ob in sozialen Netzwerken oder in Büchern und Zeitschriften: Manche Christen verteidigen dort geistliche Prinzipien, widerlegen Argumente gegen den Glauben oder formulieren auf einen starken «Angriff» eine noch stärkere Antwort. Nur: Antworten sind nicht das Wichtigste. Es wird Zeit, dass Kirchen und Gemeinden sich damit anfreunden, nicht alles zu wissen.
Fragen / Fragezeichen (Bigstock: 51248065)

Gerade soziale Netzwerke lassen eine Kultur entstehen, die scharfe Antworten fördert und unmittelbare Reaktionen auf Fragen, über die man früher erst einmal in Ruhe nachgedacht hätte. Dazu kommt die – christliche – Sehnsucht: Je komplexer die Gesellschaft ist und je offener die Fragen, desto klarer wünscht man sich die Antworten.

Eine Frage der Prioritäten

Es ist schwer zu sagen, wann es geschah, aber Tatsache ist, dass etliche Christen heute mit ihren Prioritäten durcheinandergeraten sind. Was wir wissen, ist wichtiger geworden, als wen wir kennen. Die Gemeinde ist dadurch in der Gefahr, eher für ihre Angriffe als für ihre Liebe bekannt zu werden, ein Haus des Streites statt eines der Anbetung zu sein, verkopfte Debatten zu führen und Christus denen gegenüber nicht zu verkörpern, die ihn brauchen. Die Gefahr besteht nicht darin, dass wir nicht alle Antworten haben, sondern gerade darin, dass wir meinen, (fast) alles zu wissen. Denn Glaube fordert kaum Antworten. Er funktioniert auch trotz offener Fragen.

Glaube contra Überzeugung

Glaube und Überzeugung unterscheiden sich deutlich. («Du glaubst, dass es nur einen Gott gibt? Da hast du Recht! Das glauben auch die Dämonen …» Jakobus 2,19). Überzeugung ist ein Anerkennen von Fakten, die wir für wahr halten; Glaube ist das Vertrauen in etwas oder jemanden ausserhalb von uns, selbst wenn es unseren Verstand sprengt. Glaube in diesem Sinne ist das Vertrauen, dass Gott weiss, was er tut, selbst wenn wir es nicht verstehen – das müssen wir auch nicht. Etliche Christen feiern allerdings nicht länger das Wunder eines unendlichen Gottes, sie errichten lieber ein Gebäude an «absoluten Wahrheiten», das es ihnen erlaubt, Gott zu verstehen, und all diejenigen zu korrigieren, die hier ihrer Meinung nach einem «Irrglauben» anhängen. Dabei riskieren wir allerdings, den Glauben auf eine Überzeugung zu reduzieren, obwohl es weniger um unser Wissen als um das geht, was Gott uns offenbart.

Der Friede der Offenbarung

Diese Art Glaube lässt sich schlecht in einem kurzen Facebook-Kommentar darstellen. Die einzigen Worte, mit denen das möglich ist, sind: «Das weiss ich nicht!». Für die sozialen Netzwerke scheinen sie schlecht zu passen, auch wenn sie manchmal die einzig ehrliche Antwort sind. In seinem Buch «Orthodoxie» drückte G. K. Chesterton dies folgendermassen aus: «Mystik erhält den Menschen gesund. Solange man Geheimnisse hat, bleibt man gesund; wer das Geheimnis zerstört, schafft Krankheit.» Sobald wir aufhören Fragen zu stellen oder Unsicherheiten einzuräumen, und uns nur noch an Antworten festhalten, machen wir Gott zu etwas, das wir verstehen können. Doch volles Verstehen war nie eine Voraussetzung für Rettung. Gott fordert Vertrauen und Zuversicht. Als Hiob sich auf die menschliche Vorstellung von Gerechtigkeit verliess und sich fragte, warum ein liebender Gott ihm alles nehmen könnte, antwortete Gott, ohne eine Erklärung zu liefern: «Wo warst du, als ich die Grundfesten der Erde legte? Sag es mir, sofern du Bescheid weisst!» (Hiob 38,4) Die Geschichte von Hiob berichtet uns von einem gerechten Menschen, aber auch von einem Menschen, der Demut gelernt und herausgefunden hat, dass es Dinge gibt, die nur Gott versteht – unabhängig von seinem Glauben.

Bei Wahrheit geht es ums Vertrauen

Wir leben in einer Zeit leichter Antworten und schneller Lösungen. Unser Essen heisst «Fast Food» und unsere Nachrichten müssen in 15 Sekunden erzählt sein oder in einen Tweet passen. Aber wenn wir dem Gott der Wunder begegnen, verpassen wir so, worum es bei Wahrheit wirklich geht. Eben nicht nur um Antworten. Sondern auch darum, dass wir sie nicht immer erhalten können, aber Gott trotzdem vertrauen. Es gibt die Kernsätze des Glaubens, die absoluten Wahrheiten und die notwendigen Grundlagen, die Gott bereitstellt. Aber genauso gibt es Bereiche in seinem Wort, die mit voller Absicht über unser Verstehen hinausgehen. Gott wünscht sich, dass wir seine unendliche Wahrheit annehmen. Gleichzeitig sucht er Nachfolger, die keine Angst vor bedingungslosem Vertrauen haben – auch wenn dies unendlich viele Geheimnisse beinhaltet.

Datum: 28.06.2014
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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