Auf Weihnachten zugehen ohne Stress?

Weihnachten funktioniert auch ohne Stress.

Die Geburt des Jesuskindes vor rund 2000 Jahren in dem von den römischen Truppen besetzten Palästina fand in einem friedlosen politischen und gesellschaftlichen Umfeld statt. Und den Stress des jungen Joseph können wir nur erahnen, als er nach einer mehrtägigen, von den Römern befohlenen beschwerlichen Reise mit seiner hochschwangeren Frau nicht einmal eine passende Unterkunft finden konnte - nachdem er einige Zeit zuvor erfahren hatte, dass das Kind, welches seine Frau erwartete, nicht von ihm, sondern "vom heiligen Geiste" stammte (Matthäus 1,20).

Gewiss, es war ein Engel gewesen, der dies dem Joseph mitgeteilt hatte, wie es auch Engel waren, die den Hirten die Friedens-Verheissung gegeben hatten. Aber das machte die Situation für Joseph wie für die Hirten nur noch "stressiger": Waren diese Engel wirklich Boten von Gott oder am Ende nur das Ergebnis von Halluzinationen?

Stress hat auch mit mir zu tun

Von Joseph lesen wir, dass er die Mitteilung des Engels ernst genommen und seine Frau nicht verstossen habe. Ob ihm dies leicht gefallen ist, wird uns in der Bibel nicht erzählt. Und einige der Hirten (denn einige mussten auch zum Schutz der Tiere zurückbleiben) liessen sich von der Engel-Erscheinung in Bewegung setzen und kamen noch in der gleichen Nacht nach Bethlehem.

Die Weihnachtsberichte zeigen uns, was Psychologen und Ärzte heute bestätigen: Es hängt auch von uns ab, wie wir mit belastenden Situationen umgehen. In unserem Land sind es nicht, wie in Palästina damals, die politischen Verhältnisse, die unser Leben beeinträchtigen, sondern Streit, finanzielle Not, Schuld oder Ängste aller Art. Und gerade in der Vorweihnachtszeit stellen sich die "stressigen" Fragen: Wie kann man mit Familienangehörigen zusammen ein Fest feiern, mit denen man das ganze Jahr über in Streit oder auch nur in Sprachlosigkeit lebt? Wie kann über Schuld und ungelöste Konflikte hinweg gesehen werden, nur weil eine gesellschaftliche Konvention es verlangt, dass man am so genannten "Heiligen Abend" "lieb" zueinander und fröhlich sei? Wie kann man das Fest der Liebe und Zuneigung feiern, wenn man allein ist?

Das 3-Punkte-Programm: Was erwarte ich eigentlich von Weihnachten?

Stress kann entstehen, wenn ich in eine Situation gerate, auf die ich nicht vorbereitet bin, oder von der ich weiss, dass sie mir widerstrebt. Das folgende 3-Punkte-Programm soll Ihnen helfen, dem Weihnachts-Stress vorzubeugen:

1. Überlegen Sie sich so frühzeitig als möglich: Was erwarte ich eigentlich von Weihnachten und was macht mir Angst davor? Nehmen Sie sich Zeit für dieses Nachdenken und schreiben Sie Ihre Gedanken auf.

2. Fragen Sie sich: Wie müsste meine Weihnachten aussehen, dass ich ganz zufrieden wäre? Notieren Sie sich auch diese Überlegungen.

3. Stellen Sie nun eine Liste auf, die einerseits enthält, was Ihnen an Ihrer Art, Weihnachten zu feiern, zusagt und andererseits, was Sie unbedingt ändern möchten.

Mit diesem kleinen Programm erreichen Sie bei sich selbst eine gewisse Übersicht über Ihre "Weihnachts-Stressoren". Und das erleichtert es Ihnen, den einen oder anderen darunter zu eliminieren und mit solchen, die nicht zu beseitigen sind, besser umzugehen.

Hier einige Anti-Stress-Tipps:

1. Nicht Friede, aber Waffenstillstand

Streit und Konflikte können nicht einfach vergessen werden, nur weil der Kalender den 24. Dezember anzeigt. Aber dass zeitlich begrenzter Waffenstillstand vereinbar ist, haben uns nicht nur die beiden Weltkriege gezeigt.

Für das Gelingen wichtig ist die klare Vereinbarung, die von allen Beteiligten (gleichberechtigt!) mindestens einen Tag im voraus getroffen wird. Sie soll folgende Punkte enthalten, die auch schriftlich festgehalten werden können:

1. Beteiligte
2. Dauer
3. Verpflichtung zum respektvollen Umgang miteinander.
4. Aufzählung der Themen, die während der Vereinbarungsdauer nicht erwähnt werden dürfen.
5. Programm während der Vereinbarungsdauer.
6. Warnsignal, d.h. ein Zeichen, das jede/jeder Beteiligte benutzen kann, wenn sie/er den Eindruck hat, ein Punkt der Vereinbarung werde nicht eingehalten (z.B. eine Glocke oder ein Kärtchen mit der Aufschrift "STOPP!")

Auf diese Weise kann man doch gemeinsam den Abend verbringen und kommt sich vielleicht sogar etwas näher.

2. Geschenke müssen nicht sein

Arm wie sie waren, brachten die ersten Besucher an der Krippe, die Hirten, sicher nichts an Geschenken mit.

Können wir nicht auch einmal den Hirten gleich sein, anstatt immer den schenkenden Weisen gleichen zu wollen? Und wenn schon Geschenke, weshalb dann nicht eben symbolische Geschenke? Also beispielsweise eine besondere Geschichte zum Vorlesen am Abend, etwas zum Dessert, eine schöne Postkarte oder eine Ihrer CDs (die Sie dann wieder mitnehmen) mit einem Musikstück, das Ihrer Meinung nach zum Abend passt.

3. Bleiben Sie nicht allein

Auch wenn Sie sich das Alleinsein gewöhnt sind: Die Gefahr ist gross, dass Sie an Weihnachten mehr als sonst trüben Gedanken nachhängen. Wie wär's, wenn Sie einen oder auch mehrere Menschen aus Ihrem Freundes- oder Bekanntenkreis, die wie Sie allein stehend sind, zu einem einfachen gemeinsamen "Hirten-Nachtessen" zu sich einladen würden?

So wird Weihnachten gehaltvoll

Wenn Sie frühzeitig an Ihren möglichen Weihnachts-Stressoren arbeiten, werden Sie den einen oder anderen davon vielleicht ganz eliminieren können, andere zumindest reduzieren. Damit öffnen Sie sich für das, was Gott uns mit der Geburt Jesu schenken will: den Frieden der Seele.

Autor: Pfr. Reinhard H. Egg, Dipl. Psychologe

Webseite des Autors: www.egg-praxis.ch