Wenn Weihnachten an Glanz verliert

Christbaumkugel

Weihnachten kommt mir wie eine alte Christbaumkugel vor. Sie hat einmal strahlend geglänzt und geglitzert. Mit den Jahren aber hat sie immer mehr an Glanz eingebüsst.

Als Kind war Weihnachten bei uns zu Hause voller Rituale. Das begann schon am 1. Advent mit einem bunten Kalender, an dem 24 geheimnisvolle Beutelchen hingen, in die unsere Mutter Leckeres eingepackt hatte. Jeden Tag öffneten wir dann eines und freuten uns königlich über den seltenen Genuss. Am Abend des 5. Dezember stellten wir unsere Stiefel vor die Türe, und am nächsten Morgen waren sie voller Süssigkeiten, die uns der Nikolaus hinein gesteckt hatte. Manchmal kam er aber auch persönlich vorbei. Unsere Kinderherzen klopften vor Aufregung wie wild, und ein ganz klein wenig hatten wir natürlich auch Angst vor dem mächtigen Mann, der so erstaunlich viel über uns wusste.

Alle Herrlichkeiten

Unsere Mutter verstand es, die Adventszeit besonders schön zu gestalten. Es gab Geschichten, sie backte herrliches Weihnachtsgebäck, wir übten auf unseren Instrumenten Weihnachtslieder, und in der Sonntagsschule gab es aufregende Vorbereitungen aufs Krippenspiel.

Am Heiligen Abend schliesslich feierten wir als Familie - und unsere Tante und dann und wann sonst noch ein einsamer Mensch war auch dabei. Doch das ist ein anderes Kapitel. Jedenfalls ging diese Feier immer gleich vor sich: Vater las die Weihnachtsgeschichte, wir sangen Lieder und musizierten, dann betete der Vater lange und ausführlich. Die Spannung auf die Geschenke wurde so gewissermassen auf die Spitze getrieben. Wie wunderbar erlösend war es dann, wenn wir endlich auspacken durften! Uns schien es, dass wir alle Herrlichkeiten dieser Welt bekamen.

Ja, so glitzernd war bei uns Weihnachten.

Im Weihnachtsstress

Im Laufe der Jahre, mit zunehmenden Verpflichtungen, hat diese "glitzernde Kugel" für mich an Glanz verloren. Ich wurde Mutter und versuchte, meinen Kindern die Adventszeit ebenso schön zu gestalten. Ich glaube, sie haben das auch so erlebt. Doch ich habe mich nicht mehr so gut gefühlt, wie damals als Kind. Arbeit, Aufgaben und Verpflichtungen liessen meine Gefühle für Weihnachten auf der Strecke bleiben. Dabei wusste ich doch: "Jesus ist geboren. Freue dich Welt! Dein König kommt." Und ich wollte mich ja freuen! Doch die vielen zusätzlichen Verpflichtungen im Dezember erdrückten diese Freude.

Schlanke Weihnachten

Sie kennen das auch, oder? Nebst dem gewohnten randvollen Programm sind da noch all die Verpflichtungen wie Geschenke einkaufen, Backen, Kochen, lächelnd Einladungen verteilen, Verwandte empfangen, Jahresabschlussarbeiten im Geschäft, Weihnachtsessen in der Firma, Kinder irgendwohin fahren, damit auch sie all ihren Verpflichtungen nachkommen, Basteln, Schultheater, Extraprogramm in der Gemeinde...

Es ist einfach alles zuviel geworden. Zu diesem Schluss kam ich vor ein paar Jahren, und seither ist mein Augenmerk auf möglichst "schlanke Weihnachten" gerichtet.

"Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude..." singe ich im Gottesdienst wieder aus vollem Herzen mit, denn ich mache manches so einfach wie möglich und lasse Jesus, dem Grund meiner Weihnachsfreude, wieder mehr Raum. Praktisch heisst das, dass wir ein einfaches Weihnachtsessen haben, mit unserem Besuch gemütlich vor dem Kamin sitzen, ohne Christbaum (weil sowieso kein Platz dafür ist), uns austauschen und auf Geschenke verzichten - denn wir haben ja schon alles. Beim Kamin stehen unsere schönen Tonfiguren, die wir einst aus Südamerika heimgebracht haben und die uns jedes Jahr auf Weihnachten einstimmen.


Schatz im Herzen bewahren

Ist da noch etwas von dieser kindlichen Weihnachtsspannung von damals? Eigentlich nicht - muss ich zugeben, doch das, was damals für uns Kinder wichtiges Rahmenprogramm war, das brauche ich heute nicht mehr. Ich habe es noch immer als Schatz in meinem Herzen, und es ist, wie wenn die einst glitzernde Kugel heute ehrlicher, wahrer, ohne äusseren Schein ganz gut zurecht käme.

Es ist schön, zu erleben, wie sich auch Weihnachten im Laufe eines Lebens in seiner Form und Farbe verändert. In jedem Alter sind andere Aspekte wichtig. Wichtig ist mir, dass ich immer wieder die geeignete Form finden, wie ich dem Wunder der Menschwerdung von Jesus neu begegnen kann, damit er mit mir sein Ziel erreicht!

Datum: 24.12.2004
Autor: Esther Reutimann
Quelle: Chrischona Magazin

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