Ostern auf der Osterinsel

Osterinsel

„Nicht eine Menschenseele war am Strand zu sehen. Vor uns lag eine verlassene, versteinerte Welt, in der uns regungslose Steinköpfe von einem entfernten Abhang anstarrten, während andere ebenso regungslose Steinfiguren umgestürzt in einer Reihe dalagen ...“

Für den norwegischen Forscher Thor Heyerdahl und seine Mannschaft muss der Anblick der Osterinsel ziemlich befremdend gewesen sein, als er 1947 mit einem Fischkutter dort ankerte. Steinfiguren in drei- bis fünffacher Mannesgrösse ragten aus dem Gras bewachsenen Hügelland empor; ihre leeren Augenhöhlen bewachten eine der einsamsten Inseln der Erde. Die jahrhundertealten Statuen – Denkmäler verstorbener Häuptlinge – wurden mit Steinäxten aus dem Fels gehauen. Über 800 Figuren findet man auf der 179 km2 grossen Pazifikinsel, die vulkanischen Ursprungs ist. Sie gehört zum 3.000 Kilometer entfernten Chile.

Die Repa Nui

Ihren Namen trägt sie, weil sie am Ostersonntag 1722 entdeckt wurde. Die Einwohner – nur etwa 2.300 – nennen sich Rapa Nui. Hilflos versuchen sie, mit einer sich rapide verändernden Welt Schritt zu halten. Früher waren sie ein Volk, das von Ackerbau und Fischfang lebte; heute wohnen die meisten von ihnen in Hanga Roa, der einzigen Stadt der Insel. Einige arbeiten für die chilenische Regierung, andere in den grossen Touristenhotels und Restaurants. Wieder andere fertigen Muschelketten, Grasröcke und aus Holz geschnitzte Nachbildungen der Steinfiguren an, die sie an die Besucher verkaufen.

Rapa Nui telefonieren heute von Hanga Roa aus in alle Welt. Abends sehen sie fern oder gehen zum Tanzen in eine Disko. Der extravagante Lebensstil, den sie bei den Touristen oder bei den Fernsehstars beobachten, verlockt viele zur Nachahmung. Die traurigen Folgen: Materialismus, Drogen- und Alkoholmissbrauch, Partnerwechsel, hohe Dosen von Beruhigungsmitteln.

Zuerst die Kultur

Über 120 Jahre lang hatten katholische Traditionen einen starken Einfluss auf die Inselbewohner. Aber nur wenige glauben wirklich an Jesus Christus. Die Macht der bösen Geister ist seit Jahrhunderten die stärkste Realität für die Rapa Nui. Kein Wunder, gab es in ihrer Sprache doch lange keine Bibel. Erst 1977 kamen die Wycliff-Bibelübersetzer Bob und Nancy Weber auf die Osterinsel, um das Neue Testament in die Sprache der Rapa Nui zu übersetzen.

Zunächst aber kümmerten sie sich um die Ausbildung der Kinder. Alle gingen in Hanga Roa zur Schule und wurden auf Spanisch unterrichtet. Doch viele beherrschten diese Sprache nicht gut genug, um dem Unterricht zu folgen. Da hatten chilenische Erziehungsexperten und eine Gruppe von Inselbewohnern die Idee, den Kindern in ihrer eigenen Sprache Leseunterricht zu geben. Das sollte ihnen helfen, ihre polynesische Sprache, Geschichte und Kultur zu bewahren. Die Wycliff-Mitarbeiter wurden von der Regierung gebeten, ein Alphabetisierungsprogramm durchzuführen. So lernten Webers die Sprache Rapa Nui, schrieben zwei Lesebücher für Anfänger und bildeten Lehrer aus. Ab 1979 begannen 240 Kinder, in ihrer eigenen Sprache zu lesen und zu schreiben.

Webers wollten auch die Erwachsenen zum Lesenlernen ermutigen, stiessen aber nur auf geringes Interesse. So entstand die Idee einer kleinen Arbeitsgemeinschaft für Autoren. Elf ältere Rapa Nui lernten, ihre Geschichten aufzuschreiben. Am Ende hatte jeder ein eigenes, 40 bis 50 Seiten starkes Buch hergestellt. Sie wussten, wie man die Geschichten tippt und vervielfältigt.

Die Chance

Die Autoren der ersten Osterinsel-Bücher waren begeistert, spornten andere Erwachsene dazu an, lesen zu lernen und die Bücher zu kaufen. Die Schulkinder nahmen sie mit nach Hause. Stetig wuchs das Interesse. Inzwischen besitzen die Rapa Nui mehr als 20 Bücher von einheimischen Autoren. Parallel dazu arbeiteten Webers an der Übersetzung neutestamentlicher Texte. Sie hoffen, dass alle Rapa Nui, die durch das Alphabetisierungsprogramm lesen und schreiben gelernt haben, die Heilige Schrift in ihrer Muttersprache lesen werden. Durch den Glauben an Christus können sie dann fester im Leben stehen als die alten Steinfiguren, die ihre Insel bewachen.

(leicht bearbeitet durch Livenet)

Datum: 29.03.2002
Autor: Andreas Holzhausen

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