Fiktives Interview mit Jesus zu Ostern

Jesus

Ich sass an einem kleinen runden Tisch. Draussen, im Garten. Gegen meine Gewohnheit war ich viel zu früh hier. Die frische Luft tat mir gut. Das Restaurant war noch fast leer. Nur ganz hinten unter den beiden Olivenbäumen sassen drei Männer an einer Tasse Kaffee. Drinnen diskutieren zwei Frauen. Sie sprachen mit vier Händen. Ich hätte sie nur aufmerksam beobachten müssen, dann wüsste ich heute ihre ganze Geschichte. Doch dazu fand ich keine Ruhe.

Heute war ich ungewöhnlich nervös. Sicherheitshalber wechselte ich die Batterien meines Tonbandes nochmals aus. "Es darf keine Panne geben", flüsterte ich vor mich hin. Als der Kellner kam, nahm ich unsere Worte auf und spulte sofort zurück. "... Bringen Sie mir bitte ein Glas Wasser. Ohne Kohlensäure!" Meine Bestellung war dokumentiert, das Tonband startklar. Heute wäre jeder Kaffee zu stark gewesen.

Plötzlich setzte sich ein junger Mann neben mich. Mitte dreissig, schlank. Er trug ein langes Kleid. Schlichtes beige, ohne Markenlabel! Seine Ausstrahlung kam vom Gesicht, nicht von der Kleidung. Einen Augenblick lang sass ich da, sah ihn an und sprach kein Wort.-Das war er nun! -- Ja, etwa so hab' ich ihn mir vorgestellt: intelligent, scharfsinnig und doch liebevoll. Er hatte grosse braune Augen, denen wohl nichts entging-Jesus von Nazareth. War er es tatsächlich?

Doch dann besann ich mich auf meine Aufgabe: "Danke, dass Sie gekommen sind..."-"Keine Ursache. Ich hab's Ihnen ja am Telefon versprochen!" Für ihn schien das Interview die normalste Sache der Welt zu sein. Dabei hing Jesus vor einigen Tagen noch am Marterpfahl in der prallen Sonne. Die berüchtigte Besatzungsmacht liess ihn nach einem undurchsichtigen juristisch-politischen Spiel draussen vor der Stadt hinrichten. Verspottet und verachtet hing er am Kreuz. Nach seinem Tod brachte man seine Leiche in das Grab eines reichen Mannes, ein Felsengrab mit einem grossen Stein verschlossen. Doch einige Tage später sahen ihn seine Freunde wieder lebendig-auferstanden von den Toten, sagen sie.

Darf ich aufnehmen? Ja, natürlich. Man sagt in der Stadt, Ihre Leiche sei von fanatischen Anhängern gestohlen worden. Ich erhielt den Auftrag für dieses Interview, weil bei unserer Agentur eine anonyme Meldung eintraf, dass Sie von verschiedenen Menschen lebendig gesehen worden seien. Meine Recherchen haben dies bestätigt. Frauen und Männer, die Sie kennen, haben mir berichtet, wie Sie mit Ihnen gesprochen und sogar gegessen haben. Das braucht eine Erklärung.

Da haben Sie natürlich recht. Die Ereignisse der vergangenen Tage waren für viele meiner Freunde eine Überforderung. Ich habe ihnen zwar oft gesagt, dass ich sterben werde. Sie wollten es nicht wahr haben! Auch dass ich den Tod besiegen werde, wussten sie. Nur überforderte ich damit wohl die meisten. Sie hatten sich alles anders vorgestellt. Meine Freunde dachten, ich sei eine grosse Führernatur, die die Welt verändern würde. Friede, Freiheit, Sorglosigkeit, das wünschten sie sich. Aber mein Auftrag hatte noch eine andere Dimension. Das war vom ersten Tag an klar. Es ging immer um die Beziehung zwischen Gott und Mensch. Eine Liebesbeziehung sollte es werden. Freunde, verstehen Sie, Gott wollte Freunde! Er schuf Menschen, damit er mit ihnen reden und leben kann. Aber seine Pläne gingen gründlich daneben. Die Menschen machten sich auf und davon. Sie dachten: "Das können wir auch selber!" Erst als sie merkten, dass das Leben doch meistens alles andere als angenehm war, wünschten sie sich Hilfe und Führung. Ich bin kein ‚Leader' zur Erfüllung eigener Träume.

Moment mal! Bevor es zu philosophisch wird, muss ich wissen, wie Sie aus dem Grab heraus kamen. Sie waren tot! Oder etwa nicht? Ja, ich war tot. Und glauben Sie mir, das was ich in den vergangenen Tagen ertragen musste, war grausam. Ich konnte es nur ertragen, weil ich eine Mission hatte: Alles, was die Menschen von Gott trennt, sollte ich auf mich nehmen-stellvertretend! Ich wurde gestraft, damit Gott die Menschen nicht strafen muss. Er selber liess mich auferstehen. Gott will Leben! Der Tod ist nicht sein Metier. Der Tod ist sein Feind. Der Tod sollte die Menschen endgültig von Gott trennen, sie ihm für immer entreissen. Ich habe diesen Tod besiegt. Deshalb konnte ich das Grab verlassen. Die Geschichte vom Diebstahl ist eine Lüge der Feinde Gottes. Eine gestohlene Leiche ist nie ein Sieg. Meine Auferstehung aber ist der grösste Sieg. Sie werden die Kraft dieses Ereignisses noch erleben.

Sie reden so selbstbewusst, als sei allen eindeutig klar, wer Sie sind. Das ist es aber nicht! Viele waren schon verunsichert, als Sie noch mit Ihren Anhängern durch die Gegend reisten. Das haben mir unzählige Menschen bestätigt. "Gut war er!", da sind sich die meisten einig: Kranke, die Sie geheilt haben, Hungrige, denen Sie Nahrung gaben, Aussenseiter, denen Sie liebevoll begegnet sind. Aber die Dimension vom Frieden zwischen Gott und Mensch ist vielen zu hochgegriffen. Das habe ich auch erlebt. Die Sorgen des Alltags nehmen die Menschen gefangen: überleben, essen, trinken, arbeiten, lernen, lieben... Oft reicht die Kraft nicht einmal, um mit den Nachbarn auszukommen. Aber der Mensch braucht mehr als das, was er gerade vor Augen hat. Ich habe immer wieder versucht, aufzuzeigen, dass Gott auch die alltäglichen Sorgen kennt. Es ist ihm nicht gleichgültig, wie es den Menschen geht. Gott leidet darunter, dass die Menschen nicht merken, wie sehr sie gefangen sind. Frieden mit Gott öffnet auch Türen für das tägliche Leben. Sie sollten den Oberzollmeister dort unten an der Grenze kennen lernen. Als der erkannte, wie sehr Gott seine Freundschaft am Herzen liegt, war er ein ganz neuer Mensch.

Ich hatte schon vor meiner Geburt den Auftrag, Gott und Mensch zu versöhnen. Man wird immer darüber streiten, wer ich bin. Das wird sich auch nicht ändern, wenn Sie in Ihrer Zeitung schreiben, dass Gott mich gesandt hat. Wissen Sie, man kann Gott und mich nicht voneinander trennen.

Wir sind eins. Wer mich sieht, der sieht auch Gott, meinen Vater. Die einen nennen mich Retter, andere Kronprinz Gottes, viele sagen ich sei der Sohn Gottes, auch Gott werde ich genannt-und keine dieser Aussagen ist falsch.

Das war ja der Vorwurf der Justiz. Sie gäben sich als Sohn Gottes aus. Sie nähmen die Macht Gottes in Anspruch. "Er führte sich auf, als wäre er selber Gott", hat mir ein In-formant berichtet. Und dies meinte er nicht als Kompliment. Ich kann es nicht leugnen. In der Nacht als ich als kleines Kind auf die Welt kam, berichteten die Engel den Hirten: "Euch ist heute der Retter geboren". Nur Gott kann retten. Menschen können helfen, aber retten können sie nicht. Der Tod steht immer wieder vor der Tür. Er kann hinausgezögert, aber nicht aufgehalten werden. Nur ich habe ihn besiegt. Ich kann Ihnen sagen, es wäre für mich viel einfacher gewesen, im hellen Schein der himmlischen Ewigkeit zu bleiben.

Meine Mission war kein Zuckerschlecken. Doch der Tod konnte nur von mir besiegt werden. Den grössten Kampf kann auch Gott nicht an irgend jemanden delegieren. Entweder müssen die Menschen ihre Strafe tragen oder er trägt sie selber. Ich bin von oben gekommen und ich werde dahin zurückkehren. Das war immer so geplant.

Kurz gefasst ‚göttlich'. Würde diese Bezeichnung Ihre Herkunft treffend beschreiben? Ja, die Herkunft schon. Mein Auftrag dagegen ist ‚menschlich'. Es ging immer um die Menschen. Besser gesagt, um die Menschen und Gott. Die einen werden in Zukunft meiner Mission vertrauen. Sie sagen: "Ja, dieser Jesus war wirklich göttlich im tiefsten Sinn des Wortes." Andere werden noch nach tausend Jahren behaupten, ich sei ein guter Führer, ein Rebell oder ein lieber Helfer gewesen. Sie liegen dabei auch nicht falsch. Nur die Dimension haben sie unterschätzt.

Was geschieht, wenn Menschen Ihr Anliegen wirklich ernst nehmen? Nehmen wir an, ich schreibe morgen in unserer Zeitung: "Jesus war tatsächlich der von Gott gesandte Retter für die Menschen. Ich habe persönlich mit ihm gesprochen". Das hätte Konsequenzen! Sie schätzen die Lage völlig richtig ein. Glauben hat Konsequenzen! Unglauben übrigens auch. In beiden Fällen kann man das Ergebnis im Voraus noch nicht endgültig erkennen. Es geht um eine Richtung: weg von Gott oder hin zu Gott. Ich denke, dass ich Ihnen deutlich genug erklärt habe, wohin beide Dimensionen führen: Tod oder Leben! Wenn die Konsequenzen nicht so dramatisch wären, hätte ich mich vor meiner Hinrichtung aus dem Staub gemacht, das kann ich Ihnen hier schon verraten. Sterben ist grausam! Erst wenn man auf den Tod zurückschauen kann, verliert er seine grausame Macht. Das wünsche ich mir für alle Menschen. Ich habe eine Tür aufgestossen, eine Brücke zum Leben gebaut, oder wie man meine Tat auch immer nennen will. Es bleibt nun am einzelnen Menschen, zu entscheiden, was er will. Mein Vater im Himmel wollte nur eines: Leben. Er zwingt niemanden.

Und Sie? Was werden Sie nun tun? Ich hab's schon gesagt. Ich gehe zurück zu meinem Vater, nur mein Geist wird da bleiben. Er wird meine Freunde erfüllen und ihnen Kraft geben. Sie werden aus der Kraft der Vergebung leben. Sie werden erkennen und verkünden, dass Gott neues, ewiges Leben geschaffen hat. Man wird sie Christen nennen, weil ich der Christus bin, der Gesalbte, der ‚Thronfolger' Gottes. Ich werde für diese Menschen Wohnraum im Himmel vorbereiten. Wenn sie sterben, werden sie mir folgen. Sie werden Gott anbeten, ständig in seiner Gegenwart bleiben. Nichts wird sie dann noch von Gott trennen können. Alle Tränen, alles Leid wird Gott von ihren Augen abwischen. Es wird keine Schmerzen mehr geben, keinen Krieg, keinen Hass! Rettung ist meine Mission. Leben statt Tod.

* Dieses Interview hat natürlich so nicht stattgefunden. Es fasst aber wichtige Aussagen der Bibel zusammen. Die Berichte über die Auferstehung von Jesus Christus sind in den vier Evangelien nachzulesen.

Datum: 29.03.2003
Autor: Hans Ueli Beereuter

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