Was im Leben wirklich zählt

Karfreitag erinnert an Tod und Sterben

Hat der Tod einen Sinn? Der Blick auf die eigene Endlichkeit kann das Leben zumindest intensiver und leidenschaftlicher machen, sagt der Autor Uwe Schulz. Er hat für ein Buch viele Menschen interviewt, die selbst dem Tod ins Gesicht sehen oder Wegbegleiter Sterbender waren.
Schwarzes Kreuz vor stimmunsvollem Himmel
Uwe Schulz
Wilhelm Schmied

Genug Zeit für Familie und gute Freunde: Das ist das, was im Leben wirklich zählt. Auf diese Formel bringt der WDR-Journalist und Sachbuchautor Uwe Schulz («Nur noch eine Tür – Letzte Gespräche an der Schwelle des Todes») seine Interviews mit Menschen, die selbst dem Tod ins Gesicht sehen oder Wegbegleiter Sterbender waren. Tod und Sterben könnten lehren, die eigene Vergänglichkeit zu akzeptieren und intensiver im Augenblick zu leben, sagte er dem Evangelischen Pressedienst.

Erfolg, Beruf und Geld spielen kaum eine Rolle

Menschen, mit denen er sprach, bedauerten am meisten, wichtige Interessen, Neigungen oder Leidenschaften vernachlässigt zu haben. Sie hätten sich aus ihrer Sicht auch mehr um Mitmenschen kümmern sollen, die ihre Zuwendung verdienten. Schulz zufolge lassen sich die Lebensbilanzen immer zurückführen auf schlichte Fragen: «Hast Du intakte Beziehungen, gibt es Menschen, die dir etwas bedeuten? Gibt es Erinnerungen und Kontakte, die dich aufrecht halten und dich von innen wärmen?»

Das Thema trifft den Zeitgeist: Die australische Autorin und ehemalige Palliativkrankenschwester Bronnie Ware landete 2013 einen Bestseller mit ihrer Liste von fünf Dingen, die von ihr betreute Sterbende am meisten bereuten. Die Themen Erfolg, Beruf und Geld spielten dabei kaum eine Rolle. Am häufigsten bedauerten ihre Patienten dagegen, nicht den Mut gefunden zu haben, ihre Träume zu leben.

Achtsamkeit für den Moment

Die Frage, wie man aus der Sterblichkeit Lehren für ein gelingendes Leben ziehen kann, ist so alt wie die Philosophie. Das Leben derer sei kurz und sorgenvoll, die «das Vergangene vergessen, die Gegenwart verträumen und vor der Zukunft Angst haben», erklärte der antike Philosoph Seneca. In dem Essay «Von der Kürze des Lebens» ermutigt er seine Leser zum Leben in der Gegenwart, also im Hier und Jetzt. Nicht den Tod solle man fürchten, schrieb der römische Kaiser und Philosoph Marc Aurel (121-180) in seinen «Selbstbetrachtungen»: Schlimmer sei es, wenn man nie damit beginne zu leben.

Das bekannteste Symbol für das Sterben ist der Tod Jesu am Kreuz, an den die Kirchen am heutigen Karfreitag erinnern. Die Gesellschaft brauche einen Tag, «an dem die Verdrängung überwunden wird, an dem unser Blick auf diese Dimension des Lebens gelenkt wird, die wir gerne zur Seite schieben und die doch so real für jeden Einzelnen von uns ist», sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Heinrich Bedford-Strohm, in seiner vergangenen Karfreitags-Predigt.

Begrenzung des Lebens: Segen oder Fluch?

Mit Blick auf Anstrengungen von Wissenschaftlern, etwa durch gentechnische Verfahren den Tod irgendwann einmal zu besiegen zu können, fragt der Berliner Philosoph Wilhelm Schmid: «Und was machen Sie, was mache ich, wenn es wirklich keinen Tod mehr gibt? Hand aufs Herz, wie lange halten wir das ewige Leben aus?» Irgendwann könnte die Menschheit dann zur Einsicht kommen, auf den Tod als Grenze des Lebens gar nicht verzichten zu können. Schmid ist der Meinung, die Begrenzung des Lebens mache tatsächlich Sinn, «weil sie es ist, die das Leben wertvoll macht.»

Zurück zu Uwe Schulz, dem Autoren des Buches «Nur noch eine Tür - Letzte Gespräche an der Schwelle des Todes». Auf die Frage, ob die Beschäftigung mit dem Tod seiner Meinung nach zu einer positiveren Lebenseinstellung führen kann, sagte er: «Das glaube ich schon, obwohl eine zu starke Beschäftigung mit dem Tod ja durchaus auch krankhafte Strukturen bekommen kann. Aber wenn man dem Tod als Realität der eigenen Existenz ins Auge sieht, ihn weder überhöht noch panisch verdrängt, ihn also als Teil des Lebens akzeptiert, kann das zu einer grossen Wertschätzung und Liebe zum Leben führen.»

Zum Thema:
Dossier «Ostern»
Ostern ist heute: Inszenierte Kreuzigung in Langenthal polarisiert

Ostersamstag: Der Tag von Gottes Schweigen
Karfreitag: Jesus am Kreuz

Datum: 03.04.2015
Autor: Florian Wüthrich / Stphan Cezanne
Quelle: Livenet / epd

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