„Eigentlich“ würde ich ja etwas ganz anderes machen

Hausfrau

Mein Beruf? Mutter und Hausfrau. Zurzeit jedenfalls. Denn eigentlich bin ich ja Apothekerin und Journalistin. – Da ist es wieder, dieses „Eigentlich“.

In letzter Zeit ertappe ich mich immer öfter bei diesem Wort, obwohl ich es mir abgewöhnen wollte: „Eigentlich” habe ich ja einen anderen, einen „richtigen“ Beruf, und „eigentlich” wollte ich heute wieder so viele Dinge erledigen, und hatte dann wieder ständig nur ein Kind auf dem Arm.

„Eigentlich” ist so ein kleines harmloses Wort, aber es ist in der Zwischenzeit für mich zu einem Symbol für etwas gar nicht Harmloses geworden. Das erste kleine «Eigentlich» – irgendwo in einem Nebensatz am Telefon gesagt – zeigt mir, dass ich wieder anfange, unzufrieden zu werden. Unzufrieden mit dem, was ich gerade tue, sage, denke. Dann kommt dieser sehnsüchtige Blick in die Vergangenheit oder auf andere Leute – obwohl ich genau weiss, dass ich in einer anderen Position auch nicht glücklicher wäre. Und der ersten Unzufriedenheit folgt ein stärkeres Jammern auf dem Fuss: Ich bin sooo müde, weil ich wieder sooo oft aufgestanden bin heute Nacht. Mir tut schon wieder der Rücken weh, weil ich Tanja so viel getragen habe... Ich arme Mutter – und eigentlich wollte ich doch...

Vom Selbstmitleid zum Zorn

Nach der Phase des intensiven Selbstmitleides kommt dann von irgendwo ganz tief unten ein ordentlicher Zorn herauf: auf die Kinder, auf Gegenstände, die immer zur falschen Zeit kaputtgehen, und leider auch immer wieder auf meinen Mann. Warum ist er jetzt nicht hier, er könnte doch schliesslich einmal – nur einmal! – früher Schluss machen. Wenn er nur einmal eine Woche alleine die Kinder hätte, wüsste er mal zu schätzen, was ich hier für ihn und die Kinder leiste. Er fährt ständig weg, und ich hocke dann hier mit den Kindern. So habe ich mir das eigentlich nicht vorgestellt!

Zum Glück weiss ich mittlerweile: Spätestens jetzt muss etwas geschehen. Denn diese negativen Gedanken können eine kaum vorstellbare Eigendynamik entwickeln. Da kann eine Lawine ins Rollen kommen, die eine ganze Familie platt walzt. Die negativen „Eigentlich”-Argumente lassen keinen Raum mehr für positive Gedanken, Gefühle, Handlungen. Wenn man sich darin vergräbt, bleibt in solchen Momenten von meiner Liebe zu meinen Kindern und zu meinem Mann kaum noch etwas übrig.

Liebevolle Bremsen

Bisher hat Gott diese Lawine bei mir immer wieder gestoppt. Zum Beispiel durch einen Tränenausbruch, der immer sehr heilsam ist für mein emotionales Gleichgewicht. Oder durch etwas, was meine Kinder tun. Da strahlt Tanja mich an: «Du, Mama...» Oder wenn ich in absoluter Verzweiflung ein Stossgebet loslasse. Plötzlich erweitert sich dann wieder der Horizont, und ich kann wieder mit einer anderen Perspektive sehen. Nicht mehr nur aus meiner Richtung, sondern auch ein wenig aus der Richtung meiner Kinder, meines Mannes oder anderer Menschen. Und auch ein wenig aus Gottes Perspektive.

Dann habe ich das Gefühl, er schaut mich an, lächelnd, aber mit einem Kopfschütteln und sagt: «Ursula, warum regst du dich so auf? Ich bin doch da!». Und das reicht. Das reicht aus, damit ich mir wieder bewusst werde, ich gehöre mitten in meine Familie. Hier ist mein Platz, wo Gott mich jetzt hingestellt hat.

Gott ist immer ein Gott der Überraschungen: Nicht nur in der Art, wie er mir hilft – denn auch die Hilfe Gottes kommt ja ständig aus ganz anderen Richtungen, als ich es vermute –, sondern auch in der Art, wie er mir Aufgaben stellt und Menschen über den Weg schickt.

Datum: 21.12.2004

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