Jericho

„Manchmal fauchen die Scheichs noch“

Karen Dunham ist in Jericho beliebt. Denn sie kümmert sich um die Bedürftigen in den Flüchtlingslagern. Manchmal fauchen die Scheichs aber noch.
Karen Dunham.
Flüchtling in seiner Wohnung.
Palmen und hinten der Berg der Versuchung

Nicht immer wird am Freitag in der Moschee Toleranz und Nächstenliebe gepredigt. Zumindest nicht in Jericho. In der tiefstgelegenen Stadt der Welt rutscht manchmal auch der Nächstenliebe-Index in den Keller. Trotzdem: Es waren moslemische Gelehrte, die der amerikanischen Missionarin Karen Dunham den Start in Jericho erleichtert haben. Lesen Sie den dritten und letzten Teil unseres Exklusiv-Interviews, das wir mit Karen Dunham in der heissen Jordansenke führen konnten.

Livenet: Sie sind nun über ein Jahr hier in Jericho. Wettern die Scheichs in den Moscheen immer noch gegen Sie?
Karen Dunham: Vor ein paar Wochen war das wieder der Fall. Denn wir geben nun auch Buchtaschen weiter. In jeder dieser Taschen steckt ein Büchlein mit dem Evangelium in Farbe und in arabischer Sprache. Jedesmal, wenn wir etwas Neues machen, gibt es ein wenig Action.

Sie haben inzwischen tausende von Schriften und Reispäckchen abgegeben. Von den rund 16'000 Menschen hier in Jericho hat damit etwa jeder Dritte eine christliche Schrift ...
Ja, wir haben diese Schriften jetzt ein Jahr lang verteilt und geben seit kurzem auch ein Buch mit einem Evangelium weiter; zuerst eine Schrift über die Bibel, jetzt einen Teil der Bibel. Nach der Lektüre des Heftes haben die Leute selber uns darum gebeten. Darum legen wir nun direkt einen Bibelteil bei.

Und über diese Arbeit entstehen jetzt Gemeinden?
Wir erleben, dass manche zum christlichen Glauben übertreten und diese Leute sich treffen wollen. Manchmal kommen sie zu uns, und wir machen dann einfach Kirche: Wir beten, lesen aus der Bibel ... Diese Art Gemeinde findet im täglichen Leben statt. Gott tut Wunder und berührt so die Herzen. Das ist besser als stundenlang auf ein Meeting zu warten. Die Leute kommen ohnehin jeden Tag. Und es kommen immer mehr.

Darum also der Name «Living Bread Church». Sie haben auch eine Quelle hier in der Nähe, die «Elisa Spring» heisst ...
Das ist alte Quelle von Elisa; 2. Könige 2, 19-22. Ihr Wasser soll schlecht gewesen sein, weil Josua Jericho verflucht habe. Elisa streute dann Salz hinein und sagte: Kein Tod mehr und auch keine Fehlgeburten. Ja, das Wasser ist jetzt geheilt. Gott hat damit sehr viele Wunder vollbracht.

Was denn?
Man brachte einmal einen Beduinen von ausserhalb der Stadt hierher. Er war Diabetiker, und sein Fuss hätte amputiert werden müssen. Wir gingen zu der Quelle, wo er seinen Schuh auszog. Wir beteten für ihn, salbten ihn mit dem Quellwasser, und ich gab ihm eine Flasche davon. Gott hat ja verheissen, dass seine Güte bis ans Ende der Welt reicht und dass Jesus alle Lasten getragen hat. Sein Fuss wurde geheilt. Er musste ihn nicht amputieren lassen.

Eine Frau wollte wieder besser sehen. Das war in Kalifornien nach einer Predigt. Ich hatte eine Flasche mit diesem Wasser dabei, betete für sie und salbte ihre Augen damit. Danach brauchte ihre Brille nicht mehr. Immer wieder nehmen wir Flaschen mit. Am Zoll wurde ich mal gefragt, was da drin sei. Ich sagte: «Wasser aus der heiligen Quelle.» Es hiess, ich solle eine öffnen. Der Beamte sagte dann, ich solle ihn damit salben. Ich hab’s gemacht; die anderen Beamten waren geschockt. – Wir haben viel Freude an der Elisa-Quelle.

Wohin fliesst dieses Wasser genau?
Die Quelle liegt einen Block von uns entfernt. Ihr Wasser verwenden wir auch in unserer Wohnung zum Baden oder Duschen. Es ist also unser tägliches Wasser. Zur Quelle gehen wir dann für Taufen oder um uns zu erfrischen oder Gott zu begegnen.

Diese Quelle hat jahraus, jahrein Wasser geführt? Oder war das auch ’mal anders?
Nein, es hat nie aufgehört zu fliessen. Das ist ein grosses Wunder. Dieses Wasser reicht für ganz Jericho. Es ist die Quelle, in die Elisa Salz gekippt hatte, und sie hat aus der Stadt eine Oase gemacht, einen Garten des Herrn hier in der Wüste.

Das ist erstaunlich! Das Tote Meer hier in der Nähe hat ja immer weniger Wasser ...
Das ist ja das Wunderbare daran. Ich weiss nicht, wie viele Liter pro Minute oder Sekunde fliessen, aber jeder hat Wasser. Und das schmerzt in den Camps. Dort wird den Leuten manchmal der Hahn abgedreht. Dabei hat man ihnen zugesagt, dass sie dort immer mit Wasser versorgt würden. Als ich das erfahren und in einem Haus dann auch erlebt habe, bin ich zur Regierung und hab gefragt, warum die Leute kein Wasser haben. Schliesslich war das ja per Handschlag von ganz oben zugesagt, und trotzdem müssen die alten Frauen nun zur Quelle gehen und dort Wasser schöpfen. Bei den Behörden hat man ihnen das Wasser abgestellt, weil sie ihre Rechnungen nicht bezahlt hatten. Dabei war es Sommer und sehr, sehr heiss hier in der Wüste.

Oft sind die Menschen auch ohne Strom, ohne Essen, ohne Wasser; eine ganz verfahrene Situation. Von aussen schauen die Häuser gut aus, drinnen aber nicht.

War das dann auf Ihre Beschwerde hin besser geworden?
Nein. Aber wenn im Camp einer leidet, dann leiden alle. Und weil ich selber meine Rechnung bezahlt hatte, lief auch mein Wasserhahn. Wir haben das mit den Nachbarn geteilt. Für den Rest des Sommers liess die Regierung das Wasser dann von 10 bis 11.30 Uhr laufen, manchmal auch von 12 bis 13.30 Uhr. Dann wieder waren es zwei Stunden pro Tag oder zwei Tage lang überhaupt nichts.


Sie haben auch Fernsehsendungen hier in Jericho?

Wir dürfen ein 30minütiges christliches Programm machen. Eines Tages rief mich ein Mann von «Middle East TV» an. Sie hatten gehört, was ich im Flüchtlingslager mache, und er wollte sich mit mir in Jerusalem treffen. Ich war aber sehr beschäftigt mit Skorpione-Töten und Reissäcke-Verteilen. Ausserdem sah ich selber aus wie ein Flüchtling mit meinem viel zu grossen Hemd und so weiter. Aber ich ging hin und sass dann im «Dan Panorama Hotel» mit diesem wunderschönen Areal drum herum.

Der Mann hat mich nach meinen Vorstellungen für einen Fernsehauftritt gefragt. Nun, mir schwebte eine christliche Sendung mit den Flüchtlingen vor. Nebenbei sollten ein paar Worte Englisch gelehrt werden, alles in einer halben Stunde. Er fragte: «Wie schnell können Sie 150 Episoden für den Sender machen? Wir erreichen viele Leute in der Welt. Und die Sendung ist gratis für Sie!» Als er das gesagt hatte, fühlte ich mich wie Josef, der aus seinem Verlies kommt. Ich staune immer noch über die Güte Gottes. Bei einem Sender hier in Jericho können wir diese Einzelfolgen nun produzieren.

Was sieht man da?
Wir zeigen Flüchtlinge; zum Beispiel einen Mann, dessen Eltern invalid sind. Er trägt sie jeweils zum Essen, weil er keinen Rollstuhl hat. Es geht in dieser Episode um den barmherzigen Samariter. Oder wir zeigen eine Familie, die unter ganz schlimmen Bedingungen leben muss. Wir bitten dann um Spenden und stellen unsere Arbeit vor. Das Schöne ist, dass der moslemische arabisch-palästinensische Sender diese Filme überhaupt herstellt.

Was stellen Sie sich für die Zukunft vor?
Die meisten hier haben keinen Strom, weil sie die Rechnungen nicht bezahlen können. Darum wollen wir Suppenküchen aufstellen, wie man es in Amerika für Alkoholiker und Drogenabhängige macht. Wir würden dort in ein paar Minuten das Evangelium weitergeben, singen, und dann gibt es ein Essen.

Datum: 07.01.2005
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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