Eine Sache der Religion - In Israel kann nicht heiraten, wer will

Jüdische Hochzeit

Die Einführung der Zivilehe ist in Israel seit langem ein Streitpunkt. Wie in fast allen Ländern des ehemaligen Osmanischen Reiches vermeidet der Staat hier jede Einmischung in die komplizierten Ehegesetze der verschiedenen Religionen: Den anerkannten Religionen wird völlige Hoheit in standesamtlichen Fragen wie Ehe und Begräbnissen belassen. Die von den Geistlichen der verschiedenen Religionsgemeinschaften vorgenommenen Eheschliessungen werden vom Staat anerkannt.

Solange fast jeder Mensch Mitglied einer Religionsgemeinschaft war - wie im 1917 zusammengebrochenen Osmanischen Reich - bedeutete diese Regelung grosse Religionsfreiheit. Doch im modernen Vielvölkerstaat Israel mit geringeren religiösen Bindungen lässt sich diese traditionelle Form der "Religionsfreiheit" kaum mehr aufrechterhalten. So sind heute interreligiöse Hochzeiten schlicht unmöglich, weil jede der drei grossen Gemeinschaften - Juden, Muslime und Christen - erwarten, dass beide Ehepartner der gleichen Religion angehören. Eine Eheschliessung ist erst dann möglich, wenn einer der Partner zur Religion des anderen konvertiert ist.

"Jüdische" Russen sind nicht Juden

Ein grosses Problem schuf die Masseneinwanderung von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion oder aus Äthiopien. Ein Drittel der russischen Einwanderer, also schätzungsweise 300.000, galten zwar dort als "Juden", etwa weil sie einen jüdischen Vater hatten. Nach herkömmlicher jüdischer Auffassung, wo allein die Mutter ausschlaggebend ist, ob jemand Jude ist oder nicht, sind sie es nicht. Diese "jüdischen" Russen werden von der israelischen jüdischen Orthodoxie nicht anerkannt, können also nicht heiraten, solange sie nicht formell zum Judentum konvertieren. Da sie aber auch nicht Mitglieder der russisch-orthodoxen Kirche sind, bleibt ihnen als Alternative nur die Hochzeit im Ausland.

Ähnlich verhält es sich mit den Äthiopiern. Problematisch ist auch deren Begräbnis, da alle Friedhöfe des Landes von den Religionsgemeinschaften verwaltet werden. Das Problem wurde akut, als unter Ministerpräsident Menachem Begin (1977-1983) mit einer humanitären Geste vietnamesische "Boat People" ins Land geholt wurden. Als einige von ihnen starben, stellte sich heraus, dass der Buddhismus in Israel keine anerkannte Religion ist. Kibbuzim boten als Notlösung Totenäcker gegen Geld an.

Rabbiner wollen Monopol nicht verlieren

Die Forderung nach Einführung staatlicher Friedhöfe und bürgerlicher Ehen soll vor allem jenen Menschen ein normales Leben ermöglichen, die nicht in die traditionellen Kategorien passen. Ebenso lehnen viele junge jüdische Israelis die alten Riten ab und wünschen deshalb die Freiheit, den Ehebund auch ohne die Anwesenheit eines Rabbiners schliessen zu können.

Die meisten orthodoxen Rabbiner sind freilich gegen eine Freigabe der standesamtlichen Aufgaben: Weil sie so einerseits ihr Monopol verlieren würden, aber auch, weil sie sich um den "Bestand des jüdischen Volkes" Sorgen machen. Denn durch eine Neuregelung, so ihre Argumentation, könne am Ende nicht mehr klar unterschieden werden, wer rituell als Jude anerkannt wird.

Autor: Ulrich W. Sahm

Datum: 17.08.2004
Quelle: Kipa

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