Ernste Besinnung am jüdischen Neujahrsfest Rosch Ha-Schana

Rosch HaSchana
Schofar Bläser

Für die Juden beginnt mit dem Neujahrsfest Rosch Ha-Schana die grosse Festzeit des Herbstes. Es folgen der Versöhnungstag Jom Kippur, das Laubhüttenfest und – als sein Abschluss – Simchat Thora. Livenet bringt Artikel zur Bedeutung dieser Feste in der jüdischen Tradition, verfasst vom evangelischen Israel-Kenner Hanspeter Obrist. Obrist leitet die Arbeitsgemeinschaft für das messianische Zeugnis an Israel (amzi) in Reinach bei Basel. Die Texte, ursprünglich in der amzi-Zeitschrift erschienen, wurden leicht gekürzt.

Mit dem Ende des jüdischen Jahres erinnert sich der rabbinisch orientierte Jude an die Vergänglichkeit seines Lebens. Im letzten Monat (Elul) ertönt beim täglichen Gottesdienst eindringlich und mahnend das Schofar (Widderhorn). Seine Töne wollen den Zuhörer als weckendes Rufen ermahnen, an sein Ende und an den Richter des Lebens, der auf ihn wartet, zu denken.

An Rosch HaSchana, dem Neujahrstag am 1. Tischri (erster Monat im jüdischen Kalender) zieht man dann Bilanz über das vergangene Jahr. Dabei steht die Sehnsucht nach Vergebung von Schuld besonders im Vordergrund. So beginnen mit Rosch Ha-Schana zehn Busstage, die am Abend des Jom Kippur (Versöhnungstag) enden.


Tag der Rechenschaft

Nach jüdischer Überlieferung wird an Rosch HaSchana das Buch des Lebens aufgeschlagen, und Gott schaut auf alles Fehlverhalten und alle Verschuldungen während des vergangenen Jahres. Der Mensch wird dadurch genötigt, sich Rechenschaft zu geben über sein sittliches und religiöses Verhalten. Es gibt nur eine Möglichkeit sich aus Gottes Gericht zu retten und seine Gnade zu erfahren, indem alles Schuldhafte zwischen Menschen ausgeräumt wird.

Nach rabbinischer Vorstellung wenden Umkehr, Gebet und Liebeswerke Gottes Gericht ab. So hofft der rabbinisch orientierte Jude, dass Reue und Wiedergutmachung die Schuld vor Gott tilgen kann und Gottes Vergebung ihn wieder aufrichtet, obwohl heute wegen des fehlenden Tempels kein Blut mehr dafür vergossen wird, wie es nach 3. Mose 17,11 gefordert wird. Der Mensch möchte sich in diesen Tagen von der Schuld befreien und hofft, dass er für ein weiteres Jahr im Buch des Lebens eingeschrieben wird.

Opfer im Zentrum des Gottesdienstes

In der Synagoge herrscht am Neujahrstag die Farbe weiss vor. Der Chasan (Vorbeter) trägt sein Sterbekleid, ebenso der Schofarbläser. Anstelle des von Israel geforderten Opfers im Tempel werden die in 4. Mose 28 und 29 geforderten zusätzlichen Opfer für Festtage durch zusätzliche Mussaf-Gebete ersetzt.

Im Mittelpunkt der Bussgebete steht der Satz: «Vater, wir haben gesündigt, sei uns gnädig.» Der Gottesdienst dauert ca. 5 Stunden. In ihm wird die Geburt und Opferung Isaaks gelesen – ein biblischer Abschnitt, der aufzeigen sollte, dass Opfer Stellvertretung bedeutet. Wir können vor Gott nur leben, wenn jemand anders sein Blut für uns gibt.

Während der Mussaf-Gebete ertönt das Schofarhorn dreimal. Der erste Teil ist ein Weckruf. Dann folgt der trillernde Siegesruf und im letzten Teil ertönt der Jubelruf, der schrill und laut die Ohren der Hörer füllen soll.

Gute Wünsche zu Neujahr

Es ist Brauch, einander an Rosch Ha-Schana Grusskarten mit guten Wünschen zum neuen Jahr zu senden. In manchen Familien werden zeichenhaft Teile eines süssen Apfels in Honig getaucht und mit dem Wunsch gegessen: Es möge Gott gefallen uns ein gutes und süsses Jahr zu schenken.

Schofar und seine Bedeutung

Nach Maimonides (1135 - 1204) will das Schofar eindringlich ermahnen: «Wacht auf, ihr Schläfer und denkt nach über eure Taten und gedenkt an euren Schöpfer, und kehrt um zu ihm in Busse. Gehört nicht zu denen, welche die Wirklichkeit verfehlen, indem sie Schatten nachjagen, die ihre Jahre damit vertun, dass sie nichtigen Dingen nachjagen, welche weder Nutzen noch Heil bringen. Habt wohl Acht auf eure Seelen, und verbessert euren Charakter. Jeder von euch soll seine bösen Wege und Gedanken verlassen und zu Gott umkehren, dass er euch gnädig sein möge.»

Wenn an Rosch HaSchana der letzte Ton des Schofars verklungen ist, dann bleibt das Schofar an den folgenden Busstagen stumm. Es ertönt erst wieder am Ende des Jom Kippur.

Artikel zum Jom Kippur:
http://www.livenet.ch/www/index.php/D/article/161/10442/

Artikel zum Laubhüttenfest Sukkot:
http://www.livenet.ch/www/index.php/D/article/193/10474

Artikel zum Fest Simchat Thora:
http://www.livenet.ch/www/index.php/D/article/193/10476

Autor: Hanspeter Obrist
Quelle: amzi

Datum: 04.10.2003

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