Jom Kippur – Hoffen auf Gottes Vergebung

Jom Kippur
Versöhnung

Für die Juden beginnt mit dem Neujahrsfest Rosch Ha-Schana die grosse Festzeit des Herbstes. Es folgen am zehnten Tag des Jahres der Versöhnungstag Jom Kippur und darauf das achttägige Laubhüttenfest mit Simchat Thora als Abschluss.

Livenet bringt Artikel zur Bedeutung dieser Feste in der jüdischen Tradition, verfasst vom evangelischen Israel-Kenner Hanspeter Obrist. Obrist leitet die Arbeitsgemeinschaft für das messianische Zeugnis an Israel (amzi) in Reinach bei Basel. Die Texte, ursprünglich in der amzi-Zeitschrift erschienen, wurden leicht gekürzt.

Wie alle Tage im jüdischen Kalender beginnt der Versöhnungstag am Vorabend zum 10.Tischri. Er bezieht sich nicht auf historische Ereignisse oder Gegebenheiten wie Saat und Ernte, sondern allein auf das Verhältnis des Menschen zu seinem Schöpfer, vor dem er sein Leben und auch das seiner Mitmenschen zu verantworten hat.

Gottesverhältnis

In der rabbinischen Lehre wird über den Jom Kippur gesagt: «Sünden zwischen Menschen und Gott sühnt der Jom Kippur, Sünden zwischen den Menschen sühnt er nicht.» Es ist ein Tag, an dem es einzig um das Verhältnis zwischen Gott und dem Menschen geht. Deshalb muss sich der Mensch vorher selbst Hoffnung auf das Heil erschaffen, bevor er Heil von seinem Gott erwarten darf.

Darum bewegt ihn die Frage: War alles an- und ausgesprochen, was zu sagen und zu bekennen notwendig war? Der religiöse Jude weiss, dass Sünde die tödliche Bedrohung des Lebens ist. Als Zeichen der Busse stehen die Männer in der Synagoge, angetan mit dem weissen Totenkleid oder dem Gebetsmantel (Talit), der auch ihren Leib im Grab bedecken wird.

Abendgottesdienst

Der Vorbeter beginnt den längsten aller Abendgottesdienste mit der Einstimmung und dem feierlichen Gesang des Kol Nidre (alle Gelübde). Sein Inhalt ist die Bitte, dass Gott die hier Versammelten von allen Gelöbnissen befreien möge, die man in der Not oder in der Freude, in Sehnsucht und Erwartung oder in Angst und Verzweiflung vor Gott ausgesprochen hat und dann doch nicht halten konnte.

Dabei sind nur die Gelübde gemeint, die zwischen dem Menschen und Gott gelobt wurden und die keine Rechte und Ansprüche eines anderen Menschen berühren. Die Gläubigen werden mit dem Ruf des Schofars aus der Synagoge entlassen.

Fastentag

Jom Kippur ist der strengste Fastentag im jüdischen Jahr. Vom Fasten sind nur die schwer Kranken, kleine Kinder und Wöchnerinnen ausgenommen. Alle anderen haben sich an das strenge Fastengebot zu halten. Sie dürfen sich weder baden noch gründlich waschen, keine Kosmetika oder Körperpflegemittel benutzen, sich keinen Genuss gönnen und weder Lederschuhe noch luxuriöse Kleidung tragen.

Morgengottesdienst

Im Morgengottesdienst kommt Jesaja 58 zu Wort, wo die eigentliche, von Gott gewollte Bedeutung des Fastens aufgezeigt wird. Die Zusatzlesungen haben die Einsetzung des Versöhnungstages für Israel und den hohepriesterlichen Dienst in der Stiftshütte (3. Mose 16) zum Inhalt.

So bleibt der jüdischen Gemeinde die Erinnerung an den Tempel und seinen Sühnedienst mit den Tieropfern bewusst. Es musste Leben geopfert werden, damit Gott Leben erhalten konnte. Es musste Blut vergossen werden, damit der Mensch und das Volk Israel wieder rein wurden von ihren Sünden.

Gebete statt Opfer

An Stelle des dreimaligen Opferdienstes im Tempel trat der dreimalige Gebetsdienst. In der Entwicklung und Entfaltung der rabbinischen Lehre sieht der modern religiöse Jude eine Überwindung des Tempel- und Opferdienstes. Für ihn gilt, dass der Mensch, der Sühne schafft, auch Versöhnung empfangen werde. Deshalb bedürfe es für Israel keines stellvertretenden Sühneleidens durch einen Erlöser. So endet der Jom Kippur mit der Vergebungshoffnung, aber nicht mit Vergebungsgewissheit.

Im Neuen Testament, in Jeschua, dem Messias, erfahren wir den Zuspruch: «Dir sind deine Sünden vergeben!» (Matthäus 9,2). Offen bleibt, ob die Christen in ihren Gottesdiensten die tiefe Betroffenheit über die persönliche Schuld noch erleben, in der die schmerzhafte Reue und der ehrliche Wille zur Umkehr Ausdruck findet, wie dies bei jüdischen Menschen an Jom Kippur geschieht.

Vergebungsgewissheit erhalten wir nur durch Gott selbst. Vergebung können wir nicht machen, wir erhalten sie nur in der Beziehung zum Messias. Dieser hat seine Jünger beauftragt, bussfertigen Menschen in seinem Namen Sündenvergebung zuzusprechen (Johannes 20,23; 1. Johannes 1,7-9).

Der Gottesdienst in der Synagoge schliesst mit dem «Schema Israel» Gebet («Höre Israel,...» nach 5. Mose 6,4) als Ausdruck der Vergebungshoffnung.

Wenn sich die Tore des Jom Kippur schliessen, dann werden nach rabbinischer Tradition auch bei Gott die Bücher über die Schicksale der Menschen geschlossen.

Artikel zum Neujahrsfest Rosch Ha-Schana:
http://www.livenet.ch/www/index.php/D/article/68/10465/

Artikel zum Laubhüttenfest Sukkot:
http://www.livenet.ch/www/index.php/D/article/193/10474

Artikel zum Fest Simchat Thora:
http://www.livenet.ch/www/index.php/D/article/193/10476

Datum: 05.10.2003

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