Von der Kirche zur Moschee

Moschee und Kirche
Ayyub Axel Köhler
Monika Wohlrab-Sahr

Der Ruf Allahs ereilte Christian Hoffmann aus heiterem Himmel. Er sass gerade auf dem Balkon, als ihn die Erkenntnis durchflutete: «Himmel und Erde sind Allahs Schöpfung und der Islam die letzte von ihm offenbarte Religion».

So steht es im Buch «Zwischen allen Stühlen» von Christian Hoffmann. Zu diesem Zeitpunkt war der ehemalige Pressesprecher der Bonner CDU ein zufriedener und glücklicher Mann, der nichts vermisste und nach nichts suchte.

Ein Jahr später legte er in der Botschaft Saudi-Arabiens das Glaubensbekenntnis ab und wählte den Vornamen Abdul Hadi. Hoffmann zählt wie der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Ayyub Axel Köhler, der Münsteraner Professor für Islamische Religionspädagogik, Muhammad Sven Kalisch, oder der Schriftsteller und Imam der Frankfurter Nuur-Moschee, Hadayatullah Hübsch, zu den deutschen Konvertiten.

20’000 traten über

Rund 20’000 Bundesbürger sind Schätzungen zufolge inzwischen zum Islam konvertiert. Unter den etwa drei Millionen Muslimen bilden sie nur eine Minderheit. Seit dem 11. September 2001, so beobachtet Salim Abdullah, Senior-Direktor des Islam-Archivs in Soest, lasse sich von einem «sprunghaften Anstieg» sprechen. Allein im vergangenen Jahr gab es laut einer Erhebung des Islam-Archivs rund 4.000 Übertritte zum Islam. In den Jahren davor waren es jeweils rund 300. Die Erhebung stützt sich auf Angaben der islamischen Verbände und Einzelmeldungen.

Je mehr der Islam verunglimpt wird…

Hinter dem Zulauf sieht Abdullah, der ebenfalls dem Islam beitrat, eine eigene Logik. Je mehr der Islam verunglimpft werde, um so mehr fingen Menschen an, sich mit dessen Glaubensinhalten zu beschäftigen. Einige fänden darüber hinaus eine neue religiöse Heimat.

«Denkrichtung bestätigt»

Die hatte Gerhard Isa Moldenhauer schon lange vor den Anschlägen von 2001 gefunden. Auf der Suche nach Glaubensantworten sei ihm in den 1970er Jahren auch der Koran in die Hände gefallen. Das Buch habe seine «Denkrichtung bestätigt». Am Christentum hätten ihn schon immer die Lehren von der Trinität, der Dreieinigkeit Gottes, und der Erbsünde gestört. 1981 ist der damals 32-jährige Bundesbahnbeamte konvertiert.

Für Moldenhauer bedeutete die Konversion eine «rein persönliche Glaubensentscheidung». Die beiden Kinder habe er weiter christlich erzogen, auch seine Frau sei bis heute keine Muslimin geworden. Der Redakteur von zwei muslimischen Zeitungen fühlt sich in der europäischen Tradition fest verwurzelt und bedauert, dass bei Urteilen über den Islam oft kulturelles und religiöses Brauchtum in einen Topf geworfen wird.

Gemeinschaft mit festen Regeln

Gründete Moldenhauers Bekenntniswechsel in echten Glaubenszweifeln, kann sich auch die rein formelle Anpassung an die Religion des Ehepartners als «Ausgangspunkt für eine verbindliche religiöse Neuorientierung» erweisen, wie die Religionssoziologin Monika Wohlrab-Sahr herausgefunden hat. Im Rahmen ihrer Konversionsforschung ist sie auf einen weiteren Aspekt gestossen. Während religiöse Bewegungen aus dem asiatischen Raum mit einer individualisierten Lebensweise «in vieler Hinsicht ausgesprochen kompatibel» scheinen, lege der Islam Wert auf Gemeinschaft und setze eindeutige Regeln.

Einen Teil der Übertritte interpretiert Wohlrab-Sahr daher als «Gegenreaktion auf Individualisierungstendenzen und die damit einhergehende Unbestimmtheit der Lebensführung». Dies halte sie vor allem bei Konversionen aus einem christlich-säkularen Kontext für das massgebliche Motiv.

Datum: 23.01.2007
Quelle: Epd

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