Dem Islam ohne Phobie und Naivität begegnen

Der Bischofssitz von Kuwait City.
Abu Dhabi
Paul Hinder

Islam und Christentum treffen auch in den reichen Zentren der arabischen Welt aufeinander – durch Hunderttausende von christlichen Fremdarbeitern aus Asien und Afrika. Der gebürtige Thurgauer Paul Hinder, seit drei Jahren Bischof in Abu Dhabi, warnt vor einem naiven Blick auf den Islam, kritisiert aber gleichzeitig eine weit verbreitete Phobie. Die meisten Muslime sehnten sich nach Frieden.

Auf der arabischen Halbinsel gibt es keine einheimischen Christen. Die Katholiken kommen laut Bischof Paul Hinder mehrheitlich von den Philippinen oder aus Indien – meistens als Arbeitskräfte, wie auch die Christen aus dem Libanon, Syrien oder Palästina. Es gebe "eine relativ grosse Kultusfreiheit", sagt der apostolische Vikar, "wenigstens an den uns zugewiesenen Plätzen, wo wir eigentliche Pfarreizentren errichten konnten". Momentan sei in Doha im Emirat Katar ein grosses Kirchenzentrum im Bau – dank der Erlaubnis des Emirs.

Christentum in Saudi-Arabien verboten

Demgegenüber gibt es ein Land, das keine nicht-islamische Religionsausübung toleriert: Saudi-Arabien. Hinder nennt die Wiege des Islam mit ihren Wallfahrtsorten nicht namentlich, räumt aber ein, dass es ein grosses Problem sei, wenn eine Million Christen ohne "reguläre Seelsorge" auskommen müssten.

Die Zusammensetzung der christlichen Gemeinden ist komplex: Sie sprechen viele Sprachen und sind sich an unterschiedliche kirchliche Riten gewöhnt. Die orientalischen Christen – etwa libanesische Maroniten, Syro-Malabaren oder Syro-Malankaren aus Indien – erwarteten mit Recht, "dass ihrer Eigenart im Gottesdienstangebot und in der Seelsorge Rechnung getragen wird", sagt der aus dem Thurgau stammende Bischof. Die Muslime betrachteten Arabien "als ihre eigentliche Heimat", legt der apostolische Vikar dar. Dies erfordere "ein grosses Mass an Bescheidenheit und diplomatischem Taktgefühl". Die Konflikte in Palästina und im Irak, die Mohammed-Karikaturen oder die Regensburger Papstrede belasteten das Verhältnis.

Entflechtung von Religion und Gesellschaft

Hinder betont gleichzeitig, die "grosse Mehrheit der Muslime" sehne sich "wie wir nach Frieden". Beide Religionen müssten ihr Verhältnis zur Gewalt klären. Da die "Verschränkung von Religion und Gesellschaft" im Islam viel intensiver sei, brauche die Entflechtung mehr Zeit und sei von "internen Auseinandersetzungen" begleitet.

"Leider gibt es gerade auch im Islam einige religiöse Führer, die das Freitagsgebet dazu missbrauchen, Hass und Gewalt zu predigen." Er habe aber im arabischen Raum gelernt, wie wichtig es sei, dass religiöse Führer beider Seiten "kompromisslos für Gerechtigkeit und Frieden einstehen" und sich von Krieg und Terror im 'im Namen Gottes' distanzierten.

Hinder bedauert die Morde an Christen, wie sie sich besonders in Pakistan gehäuft hätten. Solche Tötungen gebe es aber auch in nicht-muslimischen Gebieten Indiens oder im – eigentlich katholischen – Lateinamerika.

Islam-Phobie und Naivität

Der Bischof stellt in Europa in der Haltung gegenüber dem Islam "eine gewisse Naivität" fest. Die Frage, ob es dem Islam gelinge, "grundsätzlich und unumkehrbar Religion und Gesellschaft zu entflechten", sei nämlich noch nicht beantwortet. Dies sei aber eine "unabdingbare Voraussetzung, dass Demokratie und religiöser Pluralismus erhalten bleiben". Diesbezüglich sei "Kompromisslosigkeit angezeigt".

Es gebe aber auch eine "nicht minder gefährliche Muslimphobie". Diese sei nicht nur unchristlich, sondern auch kontraproduktiv, hält Hinder fest. Ihre Wurzeln lägen nicht so sehr in geschichtlichen Erfahrungen – etwa der Türkenbelagerung Wiens, "sondern vor allem in einer Krise der eigenen Identität". Wer in seinem Glauben gefestigt sei, brauche die muslimischen Nachbarn nicht zu fürchten.

Bistum umfasst sechs Länder

Die Katholiken bilden in den sechs arabischen Ländern Bahrain, Katar, Saudi Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Oman und Jemen ein Apostolisches Vikariat. Kuwait ist seit 1954 eine eigene Diözese. Das Apostolische Vikariat Arabien wurde 1889 errichtet und hatte seinen Sitz zuerst in der englischen Kolonie Aden. 1972 wurden im damaligen Süd-Jemen alle christlichen Aktivitäten verboten. Im folgenden Jahr wurde der Apostolische Vikar aus Aden ausgewiesen und übersiedelte nach Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Datum: 13.11.2006
Quelle: Kipa

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