Spiritualität

Sünde in Bibel und Koran

Dass etwas nicht stimmt in seinem Leben, etwas Grundlegendes, das ahnt jeder Mensch. Schuld und Versagen dämpfen und zerstören das Leben. Die Sünde ist hineingekommen. Aber wie? Und welche Auswege sind möglich? Bei der Frage von «Schuld» und «Sünde» kommen die Bibel und der Koran zu ganz verschiedenen Antworten.
Koran und Bibel
Moslem
Beter

Sündigt man gegen Gott oder gegen sich selbst?

Die Bibel spricht im Zusammenhang mit der Sünde der Menschen von einem Bundesbruch zwischen Gott und Mensch, einer Treulosigkeit des Menschen gegenüber Gott. Der Koran hingegen betont an vielen Stellen, dass der Mensch nicht gegen Gott, sondern gegen sich selbst sündigt: «Sie [ergänze: Adam und seine Frau im Paradies] sagten: 'Wir haben gegen uns selber gefrevelt'»; (Koran, Sure 7,23). In diesem Sinn erläutert Sure 2,57 die Sünde der Undankbarkeit, die Israel begangen habe, nachdem Gott sie in der Wüste mit Manna und Wachteln versorgt hatte: «Und wir liessen die Wolke euch überschatten. Und wir sandten das Manna und die Wachteln auf euch herab: 'Esst von den guten Dingen, die wir euch beschert haben!' Und sie frevelten nicht gegen uns [Gott], sondern gegen sich selber» (Koran, Sure 2,57).

In der Bibel richtet sich Sünde letztlich immer gegen Gott selbst. Für die Beziehung zwischen Gott und Israel steht im Alten Testament häufig das Bild der Ehe. Israels Abfall von Gott ist dementsprechend ein Ehebruch. Gott ist über die Sünde der Menschen erzürnt und zugleich betrübt 1). «Aber sie waren widerspenstig und betrübten seinen Heiligen Geist» (Bibel, Jesaja 63,10; vgl. Epheser 4,30). Im berühmten Busspsalm Davids, dem Psalm 51, bekennt König David nach seinem Mord und Ehebruch: «An dir allein [ergänze: Gott] habe ich gesündigt und übel vor dir getan» (Bibel, Psalm 51,6; vgl. 1. Könige 8,50).

Kommt das Böse nur von aussen?

Im gesamten Koran gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Sünde als eine Macht im Menschen selber stecken könnte, die ihn noch vor irgendeiner eigenen Willensentscheidung ergreift. Vielmehr ist der Koran der Auffassung, dass jeder Mensch für jede Handlung stets zwischen Gut und Bös wählen kann.

Nicht im Menschen selbst liegt das eigentliche Böse, sondern in der von aussen an ihn herangetragenen Versuchung. Sünde entsteht nämlich nach moslemischer Auffassung durch die Einflüsterung des Teufels und kommt nicht etwa - wie in der Bibel - aus seinem Innersten hervor. Nach dem Koran darf Satan die Menschen mit Erlaubnis Gottes zum Ungehorsam verführen. Wenn der Mensch aber dem Satan widersteht und das Böse nicht tun will, dann kann er stattdessen das Gute vollbringen.

So hat der Koran ein durchaus optimistisches Menschenbild: Jeder hat die Möglichkeit, das Gute zu wählen und zu tun. Er ist nicht - wie es die Bibel für den unerlösten Menschen bezeugt - von sich aus dazu unfähig.

Sünde ist eigentlich nur eine menschliche Schwäche, im Grunde eine Folge seines Unglaubens. Tilman Nagel fasst die islamische Sichtweise so zusammen: «So ist das Menschenbild des Koran, das auf den ersten Blick vor allem von den Charakterschwächen geprägt zu sein scheint, im Grunde durch und durch optimistisch und positiv. Denn die Schwächen werden letzten Endes als Folgen des Unglaubens gedeutet». 2)

Ganz anders erklingt es aus der Bibel: «Das Gute, das ich tun will, tue ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich» (Bibel, Römer 7,19).

Eine derartige Aussage findet man nicht im Islam, denn der Mensch kann ja das Gute wirken. Sünde bedeutet im Koran zwar auch Übertretung von Gottes Gebot und Ungehorsam, aber keine grundlegende Rebellion des Menschen gegen Gott selbst und seine Ordnungen. Jesus z.B. beschreibt im Markusevangelium 7,21-23 den Ausgangspunkt des Bösen: «Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen heraus, kommen die bösen Gedanken: Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habsucht, Bosheit, Arglist, Ausschweifung, Neid, Lästerung, Hochmut, Narrheit. Alle diese bösen Dinge kommen von innen heraus und verunreinigen den Menschen.»

Wer macht den Weg wieder frei?

Der Mensch ist also grundsätzlich in der Lage, nicht zu sündigen. Wenn er dennoch auf das Böse hört und das Falsche tut, so ist Gott barmherzig und bereit, Verfehlungen zu vergeben. Der Mensch muss dafür seine Sünde bereuen und sich von nun an besser verhalten. Wenn er regelmässig das Gebet verrichtet, den Fastenmonat einhält, Almosen gibt und vielleicht sogar die Wallfahrt nach Mekka durchführt, darf er hoffen, dass Allah ihn am Ende seiner Tage gnädig ins Paradies aufnimmt.

Aber der Mensch kann auch das Böse tun. Von Menschen, die nicht auf Gottes Warnungen gehört haben, berichtet der Koran ausführlich. Nirgends vermittelt er den Eindruck, als ob alle Menschen je bereit dazu sein würden, auf Gottes Gesandte wirklich zu hören.

Das machen im Koran die sogenannten «Straflegenden» deutlich, die das Verderben von ganzen Völker schreiben, die die Warnungen Gottes verachteten, obwohl sie den Propheten hätten Glauben schenken sollen. Auch Mohammed, so wird beschrieben, warnte seine Zeitgenossen vor dem drohenden Endgericht und musste doch erleben, dass viele ihm keinen Glauben schenkten.

Wieder redet hier die Bibel eine ganz andere Sprache: Der Mensch kann gar nicht anders, als zu sündigen, denn er ist unter die Sünde «verkauft» (Bibel, Römer 7,14-15). Er steht unter dem Fluch der Sünde und wird immer wieder das Böse tun.

Nur ein Weg steht ihm offen, dass er wieder mit Gott versöhnt wird und neues Leben geschenkt bekommt: Er muss akzeptieren, dass er ein Sünder ist, dass er sich selbst nicht bessern kann und dass Jesu Tod am Kreuz wegen seinen eigenen Sünden geschah.

Erst wenn der Mensch auf diese Weise Busse tut und betet und Gottes Vergebung in Anspruch nimmt, erst dann kann er durch Gottes Kraft der Sünde widerstehen. Denn nun wohnt der Heilige Geist in ihm. Wenn er dennoch wieder sündigt - und dies wird im Leben eines Christen immer wieder geschehen - dann darf er wieder um Vergebung bitten.

Er wird sie erfahren und von neuem in die Gemeinschaft mit seinem Schöpfer aufgenommen (Bibel, 1. Johannesbrief 1,9). Er ist ja jetzt ein Kind Gottes und hat die Gewissheit, dass er das ewige Leben erben wird.

1) vgl. Jesu Zorn und seine gleichzeitige Trauer in Markus 3,5 und Johannes 11,33.

2) Tilman Nagel. Der Koran. Einführung-Texte-Erläuterungen. Verlag C.H. Beck: München, 1983, S. 253

Datum: 29.02.2012
Autor: Dr. Christine Schirrmacher
Quelle: Jesus.ch

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