Leib (des Menschen)

Geist, Seele und Leib

Die Seele ist das im Menschen, wodurch er zu einer in sich abgeschlossenen Person wird, die denken, fühlen, wollen kann und mit allerlei Schaffenskräften begabt ist. Der Geist ist das im Menschen, wodurch er Gott benachbart ist, mit ihm, dem Schöpfer selbst, in Beziehung treten kann. Der Leib ist das am Menschen, wodurch er in Beziehung mit der Welt (Schöpfung, Mitmenschen) treten kann; das Werkzeug, mit dem er auf sie einwirkt.

Der Leib ist das Organ, durch das er von seiner Umwelt Eindrücke empfängt. Zugleich ist der Leib die Behausung und Stütze für Geist und Seele. Auch ist dem Menschen vieles von den Werken des Schöpfers erst durch die Vermittlung seiner Leibesorgane zugänglich.

Das Neue Testament kennt keine Geringschätzung des Leibes

Das Neue Testament weiss nichts von einer grundsätzlichen Geringschätzung des Leibes. Erst das Eindringen spätgriechischer Gedanken in die Kirche hat dazu geführt.

Das Neue Testament ehrt den Leib als Schöpfung Gottes. Es hat dieselbe Anschauung vom Leib wie das erste Blatt der Bibel; dort heisst es im Bericht von der Erschaffung des Menschen: »Lasst uns einen Stellvertreter schaffen in einer Hülle, die unser würdig sei« (1. Mose 1,26).

Der anfängliche Menschenleib war eine würdige Hülle des Gottesebenbildes; der jetzige Leib ist nur eine Ruine des ursprünglichen

Der anfängliche Menschenleib war sehr herrlich. Sein Aufbau, seine Kraft und Schönheit waren würdig des hohen Adels, den der Schöpfer dem Menschen gab: er schuf ihn nach seinem Bild.

Manche Völker haben in ihren Sagen eine Erinnerung an diese ursprüngliche Herrlichkeit des Menschenleibes. Es gehört unzertrennbar zu Siegfried, dass seine äussere Erscheinung strahlend und fleckenlos ist. Auch das Neue Testament ehrt den menschlichen Leib, weil er die Bestimmung hat, ein Tempel des göttlichen Geistes zu sein (1. Kor. 6,19), und verlangt Respekt vor dieser Würde des Leibes.

Diese Forderung bleibt bestehen, obwohl in den jetzigen Weltzuständen der Leib nur eine Ruine darstellt im Vergleich zu dem Gottestempel, als der er einst erschaffen wurde: er ist ein Leib des Todes (Röm. 7,24). Er ist ein seelischer Leib, das heisst, er baut sich auf aus den Kräften und Gaben, die der menschlichen Person einmal gegeben wurden, anstatt vom Geist her immerfort vom Geber selbst unmittelbar belebt und durchleuchtet zu sein.

In 1. Korinther 15,44 steht statt Luthers »natürlicher Leib« im Urtext »seelischer Leib«.

Der Leib ist mit Respekt zu behandeln. Misshandeln des Leibes ist ein Anzeichen von Irrlehre

Aber auch dieser Leib, sofern doch in ihm noch vieles von Gottes Schöpfung steckt und sofern eben er es ist, der in dieser Weltzeit dem Geist und der Seele als Werkzeug dient, ist mit Achtung zu behandeln.

Gänzlich missverstanden wird oft die Aufforderung des Paulus, den Leib zum Opfer zu bringen (Röm. 12,1). Man meint, Paulus halte es für fromm, dass der Mensch auf seine Gesundheit loswirtschafte oder den Leib »ertöte.« Der Ausdruck »zum Opfer bringen« hat hier aber eine ganz andere Bedeutung. Das Opfer musste tadellos sein: kranke, lahme oder verstümmelte Tiere durften nicht geopfert werden. Den Leib zum Opfer bringen heisst also: ihn in den möglichst guten Zustand versetzen, damit er würdig und fähig sei, der Gottheit als Wohnung und Werkzeug zu dienen.

Ein todmüder Leib, ein abgehetztes Nervensystem bieten dem Wirken des Geistes keine Grundlage. Paulus macht seine Leser verantwortlich dafür, dass sie - soweit es in ihrer Macht steht - ihren Leib gesund und stark erhalten. Es ist ihm eine handgreifliche Frucht der Irrlehre, dass »sie den Leib nicht schonen« (Kol. 2,23).

Es gilt, durch das rechte Mass von Nahrung und Fasten, Schlafen und Wachen, Arbeit und Musse, Bewegung und Ruhe, das jeder auch für sich persönlich kennen muss, den Leib auf die Höhe zu bringen, auf die er irgend gebracht werden kann.

Jesus warnt besonders vor der Belastung des Leibes durch ein Übermass in der täglichen Ernährung (Luk. 21,34), durch das auch die Regsamkeit des Geistes gelähmt wird.

Bei der Pflege des Leibes ist aber die dienende Stellung im Auge zu behalten, die er im Vergleich zur Seele und zum Geist hat. Einen Diener behandelt man anständig, aber man macht nichts Besonderes aus ihm: »Pflegt den Leib, aber so, dass er nicht üppig werde« (Röm. 13,14).

In der Auferstehung erstrahlt der Leib im göttlichen Lichtglanz

In der Auferstehung erhält der Leib des Menschen die Herrlichkeit, die ihm bestimmt ist (1. Kor. 15,42-44); er erstrahlt dann im Lichtglanz (Phil. 3,21) göttlicher Schönheit wie der Leib des auferstandenen Christus.

Im Tod werden Seele und Geist des Todesleibes entkleidet, in der Auferstehung werden sie mit dem Herrlichkeitsleib überkleidet (2. Kor. 5,1-4).

Datum: 10.12.2009
Autor: Ralf Luther
Quelle: Neutestamentliches Wörterbuch

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