Heilig (von Gott)

Gott ist heilig, das heisst: seine Nähe sprengt alle menschlichen Ideale

Heilig (hágios) bedeutet im Griechischen das, was Staunen, Ehrfurcht hervorruft. Der hebräische Ausdruck kadósch hat die Grundbedeutung von fleckenloser Reinheit, dann: Erhabenheit, Hoheit, zum Zittern bringende Majestät.

Heilig heisst in der Sprache der Propheten der Allmächtige nicht darum, weil er in seiner Art oder in seinem Tun den höchsten Vorstellungen, die man von ihm haben kann, entspricht. Eine solche Auffassung von »heilig« ist bei uns manchmal zu finden. Man denkt etwa so: Der Mensch stellt hohe Ideale auf, ohne sie je erreichen zu können; in Gott sind alle menschlichen Ideale erfüllt. In diesem Sinne spricht man dann von der Heiligkeit Gottes und von der mangelnden Heiligkeit des Menschen.

Die Propheten dagegen nennen Gott den Heiligen nicht, weil sich in ihm unsere Ideale verwirklichen oder unsere Vorstellungen erfüllen. Der Allmächtige heisst heilig, weil - wenn er nahe ist - unsere frömmsten Vorstellungen als völlig belanglos hinfallen und unsere höchsten Ideale in einem Augenblick gesprengt werden.

Jesaja hat seine Gedanken über Gott an den heiligen Überlieferungen Israels gebildet wie nur einer. Aber was über ihn kam, als er im Gesicht den dreimal Heiligen schaute (Jes. 6), hat ein für allemal das Gefühl der Sicherheit in ihm erschüttert, als könnte er mit seinen bibelfesten Gedanken von fern heranreichen an das, was ist, wenn Gott nahe ist. Mit unermüdlicher Einseitigkeit hat er es dann seinen Zeitgenossen eingehämmert, sie sollten mit ihrem Denken und mit ihren Zukunftserwartungen nicht steckenbleiben im Rahmen dessen, was sich aus den vorhandenen Verhältnissen entwickeln möge.

Wenn der Allmächtige einmal seinen heiligen Arm (seine Macht) offenbart, werden Dinge geschehen, dass den einen Hören und Sehen vergehen, die anderen aber hingerissen sein werden zum Jubel über die Ereignisse, deren Zeugen sie sind. Keiner aber wird es verkennen können, dass hier der Heilige gehandelt hat (Jes. 41,14-20; 43,14-21 und an den andern Stellen).

Jesus heisst der Heilige,weil in ihm eine ganz andere Welt in diese hereinragt

Ein Dämonischer ruft Jesus zu: »Ich weiss, wer du bist, der Heilige Gottes« (Mark. 1,24). Die Besessenen hatten in ihrer Feinfühligkeit ein mächtiges ursprüngliches Empfinden dafür, dass ihnen in der Person des Menschensohnes eine ganz andere Welt nahte.

Aber auch die anderen, die robusten, stumpfsinnigen Naturen, konnten sich diesem Eindruck nicht entziehen. Mitunter durchschauerte sie das Entsetzen, oder es überkam sie ein freudiger Schrecken unter der Gewalt der Lehre Jesu (Mark. 1,22; Matth. 7,28.29, vgl. auch Joh. 7,46). Das sind Eindrücke von der Gegenwart des Heiligen.

Der Sinn der ersten Bitte des Vaterunsers

Von hier aus kommen wir dem Verständnis der ersten Bitte des Vaterunsers ein wenig näher: »Geheiligt werde dein Name.«

Name steht im Neuen Testament oft für Person. Der Sinn dieser Bitte ist: es möchte so kommen, dass die überragende Grösse des himmlischen Vaters, seine unermessliche Güte, die alle Widerstände niederschmetternde Wucht seines Tuns mitten in diese finsteren Weltzustände vor aller Augen aufleuchtet.

Das kann nur geschehen, wenn er, der Allmächtige, in Person gegenwärtig ist. In der ersten Bitte geht es um das Verlangen nach der persönlichen Nähe des Heiligen (Gottes).

Datum: 10.12.2009
Autor: Ralf Luther
Quelle: Neutestamentliches Wörterbuch

Verwandte News
Werbung
Werbung
Livenet Service