Gemeinde

Gemeinde bedeutet zusammengerufene Versammlung

Die Gemeinde heisst auf griechisch ekklesía, das heisst: die Versammlung der Herausgerufenen oder Zusammengerufenen. Diesen Namen hatten im Altertum auch politische Versammlungen. Und zwar nannte man in der Regel ekklesía eine Versammlung, die durch Vertreter der Regierung oder des Magistrats zusammenberufen war.

Es wird auch eine tumultuarisch zusammengetretene Versammlung so genannt (Apg. 19,32.40). Das richtunggebende Wort ist das hebräische kahal, das in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments mit ekklesía wiedergegeben wird. Es bedeutet die zusammengerufene Heilsgemeinde in ihrer Gesamtheit, im Unterschied zu einer Sekte.

So liegt es schon im Namen ekklesía, dass es sich in der Gemeinde nicht um einen Zusammenschluss solcher handelt, die aus eigener Wahl oder auf eigenes Risiko sich miteinander verbanden.

Zur Gemeinde gehören die, die Gott aus diesen Weltzuständen herausruft

Zur Gemeinde kommen die, die höheren Ortes dazu berufen werden (Röm. 9,24; Eph. 4,1; 2. Tim. 1,9), die herausgerufen werden aus den Weltzuständen (1. Petr. 2,9; Kol. 1,13). Noch nicht das bildet eine Gemeinde, dass sich ein Kreis von Menschen findet, die »mit Ernst Christen sein wollen«.* Das erste ist der Wille des Rufenden, das zweite der Wille des Berufenen.

Gemeinde ist nicht Gründung, sondern Schöpfung

Wo Menschen daraufhin zusammentreten, dass sie etwas wollen, da gibt es eine Organisation. Die Gemeinde des Neuen Testaments ist aber ein Organismus. Sie entstand nicht wie ein Verein durch eine Gründung, sondern durch eine Schöpfung.

Es war nicht so, dass zuerst die einzelnen Christen da waren und dann hinterher die Gemeinde entstand, sondern zuerst war die Gemeinde da, und dann gab es Christen (Apg. 2). Ebenso wie zuerst ein deutsches Volk da sein muss, ehe es einzelne Deutsche geben kann.

Die Gemeinde ist nicht die blosse Summe ihrer Glieder, sie ist die Gegenwart Christi in der Welt

Die Gemeinde ist der Leib Christi (1. Kor. 12,13; Eph. 1,23; 4,4.12.16), das heisst, sie ist viel mehr als die Summe ihrer Glieder.

Ein Mensch ist nicht Auge plus Hand plus Fuss plus alle die anderen Organe; diese alle mit ihren Fähigkeiten zusammenaddiert ergeben noch längst nicht den Leib des Menschen. Ein menschlicher Leib ergibt sich aus dieser Sammlung von Gliedern erst dadurch, dass eine Person da ist, ein Ich, das sie alle zusammenfasst, dessen Wille und Gedanken alles beleben und jedem einzelnen Glied eine viel höhere Kraft und Bedeutung geben, als es an sich hat.

So ist es auch mit der Gemeinde. Ihre Bedeutung, ihre Kräfte und Möglichkeiten sind nicht festzustellen durch Addition dessen, was ihre einzelnen Glieder können. Wesen und Bedeutung der Gemeinde sind vielmehr zu bemessen nach dem Ich, das in ihr lebt und jedes einzelne Glied unermesslich über dessen eigene Möglichkeiten hinaushebt. Dass Christus die Person ist, die das Leben der Gemeinde ausmacht - damit ist es Paulus so ernst, dass er die Gemeinde geradezu Christus nennt (1. Kor. 1,13; 12,12).

Christus ist in der Gemeinde und die Gemeinde ist in Christus. Das ist ganz einfach so zu verstehen, wie man von Pflanzen sagt, sie stehen in der Sonne oder im Wind, das heisst also, sie befinden sich im Wirkungsbereich, im Einflussgebiet der Sonne oder des Windes.

Die Gemeinde ist in Christus. Das bedeutet, sie befindet sich im Wirkungsbereich, in der Einflusssphäre, im »Kraftfeld« Christi und ist dem Wirkungsbereich der Weltzustände und der dämonischen Mächte entnommen (Kol. 1,13). Die Gemeinde stellt daher ein Stück himmlischer Heimat dar mitten in der Fremde der Weltverhältnisse; sie ist die Trägerin der Gottesherrschaft, die in ihr hier und da verstreut auftritt, bis sie einmal vollends hereinbricht.

Die Gemeinde ist sichtbar

Als der Leib Christi ist die Gemeinde eine sichtbare Grösse. Der Geist Christi ist unsichtbar - sein Leib aber sichtbar. Jesus nennt die Gemeinde die Stadt auf dem Berge, die ihrem Wesen nach nicht verborgen bleiben kann (Matth. 5,14); er sagt: ihre Einheit (das Einssein, der lebendige Liebeskontakt der verschiedenartigsten Menschen in ihr) solle von der Welt wahrgenommen und dadurch seine göttliche Sendung erkannt werden (Joh. 17,20-23).

Ein unsichtbarer Leib ist ein hölzernes Eisen. Die Gemeinde soll das Organ sein, durch das Christus hineinwirkt in diese höchst reale Welt. Hier auf Erden, wo die Tatsachen hart im Raum sich stossen, hat die Gemeinde ihre Aufgabe. Da muss sie freilich ein ganz massives tatsächliches, sichtbares und greifbares Gebilde sein, um diese Aufgabe durchzuführen; sie muss eben Leib sein. Zu behaupten, die (wahre) Gemeinde müsse ihrem Wesen nach unsichtbar sein, heisst, auf ihre Aufgabe in der Welt überhaupt zu verzichten. **

* Zitat von Martin Luther aus seiner berühmten Schrift "Vorrede zur Deutschen Messe", 1526 (Lothar Mack, Livenet)

** Die Unterscheidung zwischen "sichtbarer" und "unsichtbarer" Kirche stammt aus der Prädestinationslehre des Kirchenvaters Augustin (354-430): Die wahrhaft zum Heil Erwählten könne man hier auf Erden nicht bestimmen; sie würden vielmehr die "unsichtbare Kirche" bilden. Es ging ihm also nicht darum, dass die christliche Gemeinde an sich "unsichtbar" sei. (Lothar Mack, Livenet)

Datum: 10.12.2009
Autor: Ralf Luther
Quelle: Neutestamentliches Wörterbuch

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