Friede

Der Ausdruck Friede ist vom Leben des Orientalen her zu verstehen

Der hebräisch-aramäische Ausdruck schalom bedeutet einen Zustand, wo man unversehrt, unbeschädigt ist, keinen feindlichen Angriffen ausgesetzt. Andererseits hat das Wort auch die Bedeutung: gutes Einvernehmen, Verbundensein, Gemeinschaft (mit Freunden, Nachbarn, Bundesgenossen).

Noch heute lautet der Gruss im Orient: »Friede mit dir.« Es ist verständlich, dass unter den Nomaden Arabiens und Palästinas gerade dieser Gruss üblich wurde, stand doch ihr Leben unter dem Zeichen fortwährender Unruhe. Allerseits von Gefahren umdroht, jeden Augenblick unerwarteten Angriffen ausgesetzt, mussten die Söhne der Wüste das sehnliche Verlangen in sich tragen, wenigstens eine Zeitlang Ruhe zu haben, einmal auch geborgen zu sein. Ebenso musste in ihnen der Wunsch mächtig sein, treue Freunde, zuverlässige Bundesgenossen zu haben, die für einen eintreten, mit einem alles teilen und denen man sich rückhaltlos anvertrauen kann. Von diesem Hintergrund aus will der Gruss verstanden sein: »Friede mit euch.«

Friede ist nicht Beruhigtsein der Seele, sondern Geborgensein des Menschen in der Nähe Gottes

Der Friede, den der Orientale meint, ist nicht eine blosse Stimmung, nicht etwas, was nur oder hauptsächlich im Innern des Menschen vorhanden ist; Frieden wünschen heisst: dem andern wünschen, dass er tatsächlich nicht von Feinden angegriffen wird oder dass er, falls sie ihn angreifen, doch wohlgeborgen sei vor ihnen.

Frieden wünschen heisst: es dem anderen gönnen, dass er Rückhalt, Schutz, Hilfe, Bereicherung seines Lebens hat an Nachbarn oder an einem Schutzherrn. Friede ist also etwas, was zuerst ausserhalb des Menschen zustande kommt und dann in seinem Innern.

Ganz so real ist es gemeint, wenn im Neuen Testament von Frieden die Rede ist. Friede bedeutet hier eben den Zustand, wo man von den feindlichen (dämonischen oder dämonisch beherrschten menschlichen) Mächten nicht angegriffen wird oder doch so gegen sie gewappnet und geborgen ist, dass sie einem nichts anhaben können. Frieden haben heisst den Allmächtigen zum Schirmherrn, zum Bundesgenossen haben, mit ihm verbunden sein zu inniger Gemeinschaft.

Frieden mit Gott haben (Röm. 5,1) bedeutet: unmittelbare Beziehungen, lebendige Verbindung, nächste Nachbarschaft und Lebensgemeinschaft mit ihm haben. Der Friede wird von Gott aus hergestellt. Er ist ein göttliches Heilsgut. Epheser 2,14: Christus ist unser Friede.

Dass dieser Friede unermessliche Folgen für das Innenleben des Menschen hat, versteht sich; aber dass ein Mensch zum Frieden kommt, ist nach dem Neuen Testament nicht bloss ein Vorgang in seiner Brust. Der Friede Gottes wirkt mächtig hinein ins menschliche Gemüt. Seine Ursache, sein Wesen besteht darin, dass der Mensch der Sphäre entnommen wird, in der die finsteren Mächte ihn zerren, beunruhigen und verletzen können; er ist nun geborgen in der nächsten Nähe seines Gottes; der Engel des Herrn lagert sich um ihn (Ps. 34,8).

Christus sagt den Seinen, sie sollen Frieden haben in ihm (Joh. 16,33). Im Wind stehn heisst: da stehn, wo der Wind weht; in der Sonne stehn heisst: da sein, wo die Sonne wirkt. In Christus sein heisst: sich im Machtbereich, im Wirkungsbereich Christi befinden. In diesen Bereich reicht die Macht des Bösen nicht hinein, darum herrscht da Friede (Röm. 8,6).

Friede ist göttliche Machtwirkung

Dass der Friede eine göttliche Machtwirkung ist, geht deutlich hervor aus dem Wort Jesu: Der Friede der Jünger werde auf solch ein Haus kommen, das dessen wert sei. Sei das Haus aber dessen nicht wert, so werde ihr Friede sich wieder zu ihnen wenden (Matth. 10,12-14).

Zu beachten ist auch das Wort Jesu: er gebe nicht Frieden wie die Welt. Wenn ein Weltmensch grüsst: »Friede sei mit dir«, so ist das ein Wort und ein Wunsch. Wenn Christus sagt: »Friede mit euch«, so sind die so Angeredeten in die Schutzzone der Nähe Gottes versetzt (Joh. 14,27).

Datum: 10.12.2009
Autor: Ralf Luther
Quelle: Neutestamentliches Wörterbuch

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