Fleisch

Fleisch ist entgöttlichtes Menschenleben

Mit diesem Ausdruck wird manchmal der Leib bezeichnet oder der Stoff, aus dem sich der Leib aufbaut (zum Beispiel 1. Kor. 15,39). Manchmal wird das Wort auch gebraucht, wenn von der Abstammung, Rasse, Volkszugehörigkeit eines Menschen die Rede ist (»Ich selber wünschte, verflucht und von Christus getrennt zu sein für meine Brüder ... nach dem Fleisch«, Röm. 9,3). Stellenweise wird mit »Fleisch« die ganze beseelte Schöpfung bezeichnet (1. Petr. 1,24).

Im besonderen aber bedeutet »Fleisch« im Neuen Testament der von Gott abgeschnittene Mensch, der aus sich selbst schöpft und für sich selbst lebt. Das Gegenteil von Fleisch ist Geist. Der Heilige Geist ist Verbindung von Gott und Mensch, ist Zustrom göttlichen Lebens, ist Hereinbrechen ewigen Lichts ins zeitbedingte Menschenschicksal.

Fleisch ist fehlender Kontakt nach oben, ist Ebbe an wahrem Leben, ist kümmerliches Vegetieren hinter schwarz verhängten Fenstern bei künstlichem Licht.

Die Religion und Tugend des gottfernen Menschen heisst auch Fleisch

Wenn vom Wandel nach dem Fleisch die Rede ist (Röm. 8,3-4, dagegen Gal. 5,16: »Lebt im Geist«), so bezieht sich das durchaus nicht nur auf das Chaos im Leibe, auf das Vorherrschen sinnlicher Triebe; gemeint ist vielmehr der gottferne Zustand des ganzen Menschen.

Ein hochentwickeltes Seelenleben, ein durchgeistigtes Gelehrtendasein bei ernstem Tugendstreben und tiefer Religiosität fällt auch unter das Wort Jesu: »Was vom Fleisch geboren ist, das ist Fleisch« (Joh. 3,6). Ihm fehlt das Leben aus dem Geist, der nur aus den Tiefen der Gottheit quillt. Wo das Leben nicht den Zustrom aus dieser Quelle hat, da strömen ihm aus anderen unheimlichen Quellen Einflüsse zu. Wer nicht von oben inspiriert ist, ist von unten inspiriert. Er stellt sich feindselig dem göttlichen Willen gegenüber (»Denn fleischlich gesinnt sein, ist Feindschaft gegen Gott«, Röm. 8,7).

Dabei mag es zeitweilig und bei einzelnen Menschen nach aussen fein, geistig, vornehm und fromm zugehen, auf die Dauer brechen aus den Tiefen des entgöttlichten, an sich selbst gebundenen Menschenlebens (Völkerlebens) dessen eigenste Werke nackt und hässlich hervor (Gal. 5,19 ff.). Das zeigt das Gebaren der Frommen, Gelehrten und der Spitzen der Gesellschaft während der Passion Jesu.

Auch der gottverbundene Mensch, wenn er die Verbindung nach oben verliert, gerät wieder in ein wüstes und leeres Dasein und muss die Werke des Fleisches tun (Gal. 5,16 ff.). Am Wesen des gottentfremdeten Menschen ist durch noch so gesteigerte religiöse Übungen nichts zu ändern: »Durch des Gesetzes Werke wird kein Fleisch gerecht« (Gal. 2,16). Erst die Berührung mit dem Schöpfer (das heisst: der Glaube) schafft den Menschen um und bewirkt es, dass er seiner göttlichen Bestimmung gerecht wird.

Datum: 10.12.2009
Autor: Ralf Luther
Quelle: Neutestamentliches Wörterbuch

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