Erkennen

Die Grundbedeutung: persönlich kennenlernen

Wo im Neuen Testament davon die Rede ist, dass Menschen Gott erkennen, wird dabei zunächst nicht gedacht an sachlich gedankliche Erkenntnis, sondern an ein persönliches Kennenlernen.

Gemeint ist ein Erkennen, wie es aufleuchtet zwischen zwei Menschen, die sich im Leben berühren und plötzlich dessen innewerden, dass sie füreinander bestimmt sind. Solch ein Erkennen ruft eine Erschütterung aller Lebenstiefen, ein Ergriffensein des ganzen Menschen hervor. Es springt ein Funke über von einem zum andern; es kommt zu einer ungeahnten Bereicherung des Lebens.

Gibt es so etwas schon zwischen zwei Menschen, wie erst dann, wenn ein Mensch von der Gottheit berührt wird und es unter dieser Berührung urgewaltig über ihn kommt, dass sein ganzes Leben den einzigen Sinn hat, dem zu gehören, dem er nahekommen durfte! Hier strömt etwas auf ihn über, hier ist ihm ein Reichtum geschenkt, der alle Schranken seines bisherigen Daseins aufhebt.

So ist das Wort Jesu zu verstehen: »Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen« (Joh. 17,3). Gemeint ist hier eben nicht ein Kennen vom Hörensagen, sondern ein Erkennen infolge einer Begegnung.

Gott erkennen kann nur der, dem Gott begegnet

Nicht dadurch kommt Erkenntnis des göttlichen Lebens zustande, dass man darüber grübelt und studiert, sondern dadurch, dass dieses Leben erscheint (1. Joh. 1,2). Wo der Allmächtige aus seiner Verborgenheit hervortritt und dem Menschen seine Gegenwart schenkt, beginnt überhaupt erst die Erkenntnis Gottes.

Gott erkennen ist nie kompliziert: es ist entweder unmöglich oder kinderleicht

Das ist der Schlüssel zur Erkenntnis, von dem Jesus sagt, die Theologen seiner Zeit hätten ihn dem Volk weggenommen (Luk. 11,52).

Sie hatten es so hingestellt, als wären sie diejenigen, durch deren Forschung das Licht der Gotteserkenntnis entsteht, als käme ein direktes Erkennen für das schlichte Gemeindeglied gar nicht in Betracht. Damit war dem Volk der Mut und der Antrieb genommen, ernstlich Gott zu nahen, ob es ihn erkennen möchte.

Die Theologen selbst aber mit ihrer Forschungsarbeit fanden auch keinen Eingang in die Tür, die sie den andern verschlossen hatten. Ihnen war die Offenbarung ein Gegenstand der Forschung. In Wirklichkeit ist sie Voraussetzung aller Forschung. Wenn der Allmächtige persönlich nahe ist, wenn seine Gegenwart sich mächtig erweist, dann ist es so leicht, ihn zu erkennen, dass es dem schlichtesten Menschen keine Schwierigkeiten bereitet.

Wenn der Vater im Himmel seine Gegenwart entzieht, wenn er die Wahrheit verbirgt (Matth. 11,25), zerarbeiten sich die Gelehrten in der Menge ihrer Methoden, in der Unzahl ihrer Bücher und kommen doch über eine unfruchtbare Problematik nicht hinaus. Paulus sagt: Der Geist allein wirkt Erkenntnis (vgl. 1. Kor. 2,10 f.). Das bedeutet dasselbe, denn Heiliger Geist ist Offenbarung, ist Gegenwart Gottes, ist persönliche Begegnung.

Datum: 10.12.2009
Autor: Ralf Luther
Quelle: Neutestamentliches Wörterbuch

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