Archäologische Funde

Der jüngste Fund auf diesem Gebiet ist auch zugleich der interessanteste. Er ist dermassen aufschlussreich, dass er die Entdeckungen der Qumranrollen vielleicht sogar noch übertrifft! Im Jahre 1975 entdeckte ein Team italienischer Archäologen nach jahrelangem Suchen in Teil Mardich (Syrien) 15 000 Tontafeln, die aus dem alten Königreich EbIa stammen - also aus der Zeit vor Abraham (2400-2250 v. Chr.). Diese Funde vermitteln uns ein Bild der kanaanitischen Welt, das genau mit dem der Bibel übereinstimmt. Die Tontafeln nennen Namen von Personen, die auch in der Bibel vorkommen (wie Eber, Israel, Abraham) und zeigen damit, dass Abrahams Vorvater Eber (1. Mose 11, 14-17) gar keine legendäre Person zu sein braucht, wie es die meisten Theologen heute glauben. Die Tafeln enthalten sogar eine Schöpfungs- und Sintflutgeschichte, die viele Jahre älter sein kann als die des Mose. Im Augenblick ist diese Geschichte für uns aus zwei Gründen wichtig. Erstens ist es eine erneute Bestätigung, dass die Schreibkunst bedeutend älter ist als man früher meinte. Als die Pentateuchkritik aufkam, war man der Meinung, dass die Menschen zur Zeit Moses nicht oder kaum schreiben konnten (obwohl Richter 8,14 zeigt, dass sogar ein Knabe die Schreibkunst beherrschte). Heute aber wissen wir, dass diese Stütze der Bibelkritik weder Hand noch Fuss hat. Schon Jahrhunderte vor Abraham beherrschte man die Kunst des Schreibens, das haben viele Funde in Sumer, Ägypten und Babel und jetzt wieder in Ebla überzeugend nachgewiesen. Eines der schwerwiegenden Argumente dafür, dass Mose niemals den Pentateuch geschrieben haben könne, hat sich damit als unbegründet erwiesen.

Es ist der Mühe wert, dass wir uns mit der Frage befassen, wie die Bibelkritiker aus dem vorigen Jahrhundert zu der Überzeugung kamen, die Kunst des Schreibens sei Jahrhunderte jünger als sie tatsächlich ist. Es war eine einfache Konsequenz des evolutionistischen Denkens. Man war davon überzeugt, dass die Menschen und Völker um so primitiver sein würden, je weiter man in die Vergangenheit zurückging. Kennzeichen einer hohen Kultur, wie zum Beispiel die Schreibkunst und der Monotheismus, durften deshalb nur verhältnismässig jung sein. Die Evolutionisten staunten aber nicht schlecht, als sie entdeckten, dass die ältesten sumerischen und ägyptischen Kulturen schon aussergewöhnlich hoch entwickelt waren und eine verhältnismässig weit entwickelte Geometrie, Architektur, Astronomie, Technologie und Kunst kannten. Noch erstaunlicher war die Entdeckung, dass diesen hohen Kulturen keine langsam wachsende kulturelle Evolution vorangegangen war, sondern dass sie wie Pilze aus dem Boden geschossen waren. Für diejenigen, die aus wissenschaftlichen Gründen die Evolutionstheorie abweisen und an der historischen Glaubwürdigkeit von 1. Mose Kapitel 1-11 festhalten, ist das kein Problem, weil für sie diese alten Kulturen einfach die kulturellen Leistungen sind, die kurz nach der weltweiten Sintflut anzutreffen sind. Bei einer richtigen Handhabung wissenschaftlicher Datierungsmethoden stellt sich heraus, dass die primitiven Zeiten, die diesen Kulturen vorangegangen sein sollen, wegfallen. Darüber später mehr (siehe Kap. 7 und 8 und den 2. Teil dieser Buchreihe). Die Funde, die 1975 in Teil Mardich gemacht wurden, sind aber auch noch aus einem zweiten Grund sehr wichtig. Sie zeigen, dass ähnliche Geschichten, wie wir sie in Genesis finden, schon Jahrhunderte bevor Mose lebte, auf Tontafeln festgehalten worden sind. Das wiederum wirft ein überraschendes neues Licht auf eine schon etwas ältere, interessante Theorie von P. J. Wisemann ("Entdeckungen über 1. Mose", De Haan, Groningen 1960): Aufgrund allerlei literarischer Kennzeichen des 1. Buches Mose kam er zu dem Schluss, dass dieses Buch wahrscheinlich ursprünglich in einer sehr alten Schrift auf Tontafeln geschrieben wurde und zwar von den Erzvätern selber, die am besten Bescheid wussten über alle Geschehnisse. Mose würde dann das Buch, wie wir es heute vor uns haben, zusammengestellt haben. Er selber würde in dem Buch andeuten, aus welchen Quellen er geschöpft habe, zum Beispiel durch den Satz: "Dies ist die Geschichte (= Geschlechtsregister, die Nachkommenschaft usw., hebr. toledot) von..." Das können wir unter anderem in 1. Mose 2,4; 5,1; 6,9 und 10,1 sehen; hier würden dann immer Anfang oder Ende einer Tontafel angedeutet. Wegen der guten wissenschaftlichen Grundlage dieser Theorie und der damit verbundenen Lösung vieler Probleme glauben wir, dass sie sehr wichtig ist, vor allem im Blick auf die vor kurzem gefundenen Tontafeln. Aber hierauf wollen wir später noch eingehen.

Datum: 08.11.2005
Autor: Willem J. Glashouwer
Quelle: Die Geschichte der Bibel

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