Die Inspiration des Alten Testaments

Jetzt, wo wir die biblische Lehre der Inspiration in der Hauptsache dargelegt und gegenüber einer Reihe von Haupteinwänden verteidigt haben, können wir etwas ausführlicher auf die Inspiration des Alten und des Neuen Testaments je für sich eingehen. Für das Alte Testament haben wir in dieser Hinsicht ein doppeltes Zeugnis: das des Alten Testaments über sich selbst und das des Neuen Testaments über das Alte.

1. Das Alte Testament über sich selbst. Wir haben in Kapitel 5 gesehen, dass die Verfasser des Alten Testaments sich als Propheten, als "Männer Gottes" vorstellten und als solche akzeptiert wurden, und dass auch ihre Schriften sofort als von göttlicher Autorität akzeptiert und an einem heiligen Ort aufbewahrt wurden. Sie waren "Männer des Geistes" (vgl. Hosea 9,7), weil der Geist des Herrn (Jahwe) sie trieb und als Werkzeug gebrauchte: "Gott der Herr redet, wer sollte nicht Prophet werden?" (Amos 3,8). Der Prophet ist der "Wortführer" Gottes, der in Seinem. Namen Seine Worte redet (vgl. 2. Mose 7,1; 4,30). "... Ich will ihnen einen Propheten, wie du bist, erwecken aus ihren Brüdern und werde meine Worte in seinen Mund geben; der soll zu ihnen reden alles, was ich ihnen gebieten werde" (5. Mose 18,18). Falsche Propheten konnten entlarvt werden, weil sich ihre Prophezeiungen nicht erfüllten (5. Mose 18,22), oder wurden von Gott selber entlarvt (4. Mose 16,8-35; Kön. 18,38-40; 22,19-25). Es waren die echten Propheten Gottes, die durch die Kraft des Heiligen Geistes die Worte Gottes schriftlich niederlegten.

Die Bücher des Alten Testaments sind also "prophetische Schriften". Die Mosebücher sind die "Gebote Jahwes" (Richter 3,4) und die "Worte ... die er geredet hat" (Daniel 9,11 + 12). Das Buch Josua wird auch "Gesetzbuch Gottes" genannt (Josua 24,26), und in den Tagen der anderen "frühen Propheten" (siehe Kap. 3 und 5) sprach Gott ebenfalls zu Menschen (Richter 1,2; 6,25; 1. Sam. 3,21), und seine Worte wurden niedergeschrieben (1. Chron. 29,29). Bei den "späteren Propheten", von Jesaja bis Maleachi, finden wir immer wieder das mächtige Wort "so spricht der Herr" wiederholt. Auch erwähnen sich die Propheten gegenseitig: Daniel (9,2) erwähnt Jeremia, und Esra (1,1; 5,1) nennt Jeremia, Haggai und Sacharja. Sacharja spricht von den früheren Schriften als "dem Gesetz und den Worten, die der Herr Zebaoth durch seinen Geist sandte durch die früheren Propheten" (7,12). Die Psalmen bezeugen selbst ihre Inspiration (45,2; 2. Sam. 23,2), und die drei Schriften von Salomo sind das Produkt seiner göttlichen Weisheit (1. Könige 4,29-33) usw.

2. Das Neue Testament über das Alte. In Kapitel 5 haben wir gesehen, dass fast alle Bücher des Alten Testaments im Neuen als von Gott inspiriert zitiert werden. Dabei ist es noch wichtig zu sehen, wie das Neue Testament das Alte als unzertrennbare Einheit sieht, von der man demnach nicht willkürlich Teile als nichtinspiriert entfernen darf. Wir wiesen darauf hin, dass das Alte Testament im Neuen als "die Schriften", aber auch als "Schrift" (z.B. Johannes 10,35) bezeichnet wird. Andere (singuläre) Ausdrücke, die auf diese Einheit hinweisen, sind: "das Wort Gottes" (Markus 7,13; Johannes 10,35; Römer 9,6; Hebräer 4,12) und "das Gesetz"; diese letzte Bezeichnung meint das Sinaigesetz, die fünf Bücher Mose (z.B. in der Redeweise: "das Gesetz und die Propheten": Matthäus 5,17; 7,12 usw.), oder das ganze Alte Testament (Johannes 10,34; 12,34; 15,25; Apg. 25,8; Römer 3,10-19; 1. Kor. 14,21).

Es fällt auch auf, dass für die neutestamentlichen Verfasser der Ausdruck "die Schrift sagt" genau dasselbe bedeutete wie "Gott sagt". In Galater 3,8 und Römer 9,17 führt Paulus die Schrift als die Redende an, meint aber dort buchstäblich, dass Gott sprach. Die Worte der Schrift waren für ihn mit den Worten Gottes identisch, so dass er dort sagen konnte: "Die Schrift sagt", wo er eigentlich sagen wollte: "Gott sagt in der Schrift." So etwas kommt auch umgekehrt vor: Jesus Christus erwähnt die Worte von 1. Mose 2,24 als von Gott ausgesprochen (Matthäus 19,4+ 5), obwohl der Vers nicht buchstäblich von Gott ausgesprochen wurde, sondern von Mose. Für Christus ist das aber dasselbe, weil es in der Schrift steht. Genauso sehen wir bei den Jüngern, dass sie Worte der Bibelverfasser als von Gott gesagt zitieren (Apg. 4,24-26; 13,32-35; siehe auch Hebräer 1,5-13). Diejenigen, die "durch den Mund seiner heiligen Propheten" sprachen, waren Gott Vater (Lukas 1,70), der Heilige Geist (Apg. 1,16) und der Geist Christi (1. Petrus 1,11).

Vor allem ist das Zeugnis von Jesus Christus über das Alte Testament besonders wichtig. Seiner Meinung nach wurde es "im Geist" geschrieben (vgl. Matthäus 22,43), so dass sogar das kleinste Teilchen göttlich ist und in Erfüllung gehen wird (Lukas 16,17; 18,31; 24,25-27; 32,44-46). In seiner Auseinandersetzung mit dem Satan berief er sich nicht auf seine eigene Autorität, sondern auf die Schriften mit der dreifachen Antwort: "Es steht geschrieben" (Matthäus 4,1-10). Der Herr stellte sogar das geschriebene Wort über seine eigenen Worte (Johannes 5,39-47). Wenn sogar Er, der Sohn Gottes, sich sowohl bei seinen Auseinandersetzungen als auch bei seinen Lehren immer wieder auf die Schrift berief, wie gross muss dann ihre Autorität sein!? Jesus zeigt auf, was die Folge ist, wenn man die Schrift nicht achtet: "Ihr irret und kennet die Schrift nicht noch die Kraft Gottes" (Matthäus 22,29).

Die Autorität der Schrift ist sogar grösser als die Vollmacht eines von den Toten Auferstandenen oder eines Engels im Himmel (Lukas 16,29-31; Galater 1,8). Christus selbst bestätigt uns ausgerechnet die göttliche Richtigkeit der heute so oft umstrittenen Schriftstellen, wie z.B. die Berichte von Adam und Eva, der Sintflut, Jena, Daniel, die Einheit des Buches Jesaja und die Verfasserschaft des Mose bezüglich der fünf Bücher Mose. Manche haben hier eingeworfen, dass Christus und die Apostel die Inspiration des Alten Testaments nicht wirklich bestätigt haben, sondern sie hätten sich lediglich den gängigen jüdischen Auffassungen angepasst (abgesehen von der noch schlimmeren Auffassung, Christus hätte "es auch nicht besser gewusst").

Was wäre das Wort des Herrn und seiner Jünger noch wert, wenn sie sich in solch einem wichtigen Punkt so bewusst den falschen Auffassungen angepasst hätten? Kann man aber wirklich auf einer "Anpassung" beharren, wenn man sieht, wie sehr Christus diejenigen tadelte, die der Schrift zuwiderhandelten oder etwas anderes lehrten? Wie begegnete Jesus denjenigen, die menschliche Satzungen höher stellten als die Schrift (Matth. 15,1-6)? Bedenken wir auch, wieviel Nachdruck der Herr auf die Handhabung und Erfüllung eines jeden Teils der Schrift legte, wie wir schon sahen. Wenn ich an Jesus Christus glaube, darf meine Haltung der Schrift gegenüber dann anders sein als die des Herrn?

Datum: 29.06.2005
Autor: Willem J. Glashouwer
Quelle: Die Geschichte der Bibel

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