Allgemeine Einwände gegen die Kritik am Alten Testament

Nachdem wir die Beweggründe der Quellenscheidungstheorie geprüft haben, wollen wir nun tiefer auf die Hintergründe sowohl der Quellenscheidungstheorie als auch der Formgeschichte eingehen. Erst werden wir eine Reihe allgemeiner Einwände gegen die Methoden der Quellenanalyse und der Form- und Traditionsgeschichte zum Ausdruck bringen. Danach wollen wir dann kurz sehen, wie die neueren Entdeckungen der Archäologie die traditionellen Argumente der Bibelkritik entkräftigt haben. Schliesslich gehen wir dann noch auf den gefährlichen philosophischen Hintergrund der ganzen Bibelkritik des Alten Testaments ein. Wir haben folgende Einwände:

1. Westliche Interpretation

Es ist eigentlich unbegreiflich, dass moderne westliche Kritiker es wagen, sich ein Urteil über Unterschiede in Stil und Wortgebrauch anzumassen, ohne dass sie über andere vergleichbare hebräische Literatur (aus der Zeit der Bibel) verfügen. Sie verwerfen Sätze oder formulieren sie einfach anders (überall, wo ihren westlichen Ideen über Zusammenhang oder Stil Gewalt angetan wird). Sie behaupten, den Text verbessern zu können, indem sie die seltsamen oder ungebräuchlichen Wörter des Masoretentextes (die sie nicht begreifen oder nicht im Kontext "erwarten") durch andere ersetzen.

2. Keine objektiven Beweise

Was dem Naturwissenschaftler in dieser Theologie besonders auffällt, ist das absolute Fehlen einiger objektiver Beweise. Sogar der leidenschaftlichste Verfechter der Quellenscheidungstheorie muss zugeben, dass es nicht den geringsten Beweis dafür gibt, dass die JEDP-Dokumente, die die Kritiker sich ausgedacht haben, jemals vorhanden waren. Im Gegenteil, das historische Zeugnis steht ihnen, wie wir später noch sehen werden, entgegen.

3. Desintegriertes Vorgehen

Das gebräuchliche Vorgehen bei der antiken Literatur ist das Beachten der Harmonie. Hierbei werden (um die Einheit des Werkes zu wahren) scheinbare Widersprüche so gut wie möglich aus dem Kontext erklärt, solange sich nicht deutlich das Gegenteil herausstellt. Aber mit der Bibel ging man nicht so vor. Es waren vor allem jüdische Theologen (wie U. Cassuto und M. H. Segal), die sich empört gegen die desintegrierende Behandlung des Alten Testaments durch die Kritiker gewehrt haben. Sie hielten ihnen vor, dass man immer Widersprüche finden würde, wenn man gierig danach suchte. Sie verteidigten die Einheit und Harmonie der Bücher mit aller Macht.

4. Kreisdenken

Weil sie trotz fehlender objektiver Beweise unbedingt an verschiedene Quellen glauben wollen und weil sie sich desintegriert an die Bibel heranmachen, ist es für die Kritiker nicht schwer, sich vier (oder mehr) Quellen auszudenken, von denen jede ihr eigenes Kennzeichen trägt, und danach die Schriftstellen schön über die Quellen zu verteilen, um letztlich zu behaupten, das ordentliche Resultat beweist, dass es 4 (oder x) Quellen sind. Dieses Vorgehen steht wissenschaftlich auf schwachen Füssen, weil diese "Schlussfolgerung" von vornherein in die Ausgangsposition mit eingebaut war! Ohne objektiv festgelegte Ausgangspunkte kann das Resultat niemals mehr sein als Spekulation. Das Resultat könnte vielleicht noch beeindruckend sein, wenn es sich in der Tat herausstellte, dass man alle Sätze in 1. Mose über 4 Quellen (jede mit einer grossen Anzahl gut zu unterscheidender Kennzeichen!) verteilen kann. Aber das ist eben nicht möglich, so dass die Kritiker noch zu einem anderen Kennzeichen Zuflucht nehmen müssen. Alle Probleme, die der Text für ihre Theorie aufwirft, werden einfach damit abgetan, dass man den Redaktor und die späteren Schriftgelehrten beschuldigt, am Text herumgepfuscht zu haben! Also dasselbe Textmaterial, auf das man vertraut, um die Quellenscheidungstheorie zu beweisen, wird, sobald es damit in Widerspruch gerät, einfach als falsch verworfen! Auf diese Inkonsequenz wollen wir deutlich hinweisen.

Datum: 22.06.2005
Autor: Willem J. Glashouwer
Quelle: Die Geschichte der Bibel

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